Vielleicht wundert sich ja wer darüber, dass ich aus den USA eine Rezension zu einem französischen Film schreibe und in der Überschrift nicht einmal dessen englischen/internationalen Titel erwähne, der da lautet The Diving Bell and the Butterfly. Der Grund ist einfach: Der Film wurde im französischen Original mit englischen Untertiteln gezeigt. Ja, ganz recht, in Kalifornien mitten in den USA kann man Filme in fremdländischer Originalfassung sehen. Man muss nur in die “richtigen” Kinos gehen, die sich ereifern echten Cineasten das beste der Szene anzubieten.
Jean-Dominique ‘Jean-Do’ Bauby war Chefredakteur der Modezeitschrift Elle und der Inbegriff des Lebemanns, bis ihn ein schwerer Schlaganfall vollständig lähmt und so zum Gefangenen im eigenen Körper macht. Geistig vollkommen auf der Höhe aber unfähig, mehr als sein linkes Augenlid zu bewegen, muss er lernen, sich durch Blinzeln zu verständigen, und einen Weg finden, mit seinem neuen Leben fertig zu werden. Wünscht er sich anfangs noch schlicht zu sterben, entdeckt er den Willen zum Leben wieder, als ihn ein alter Freund besucht, dem er einst seinen Platz in einem Flugzeug überlassen hatte, dessen Insassen entführt und vier Jahre in Beirut gefangen gehalten wurden. Mit gewaltiger Charakterstärke stellt er sich seiner neuen Situation und erkennt schließlich, dass Erinnerung und Vorstellungskraft ihm nie geahnte Möglichkeiten verschaffen. Blinzelnd diktiert er sogar seine lyrischen Memoiren, die schließlich als Buch veröffentlicht werden.
Gemessen an der Schwere dieser wahren Geschichte gelingt dem Film eine wundervoll leichte und dennoch tiefgehende Darstellung, die den Zuschauer in jeder ihrer 112 vorzüglich inszenierten Minuten fesselt. Den Anfang des Film erleben wir vollständig aus der Ich-Perspektive Jean-Dos. Das Bild ist verschwommen, folgt den Augenbewegungen und wird bei jedem blinzeln kurzzeitig schwarz. Dazu hören wir, was Jean-Do hört, überlagert von seiner inneren Stimme. Unmöglich uns diesen dichten, realistischen Bilder zu entziehen werden wir selbst zu Jean-Do und erleben zitternd am eigenen Leib, wie unser unbewegliches rechtes Auge zugenäht wird… Erst nach etlichen Filmminuten erhaschen wir in Form einer diffusen Reflexion den ersten flüchtigen Blick auf unser eigenes Antlitz. Bis wir uns das erste Mal tatsächlich selbst sehen, vergeht eine gute halbe Stunde. Von da an werden wir zum stillen Beobachter, der Jean-Do und seinem Leben von außen folgt, aber nach wie vor an seiner Gedankenwelt teilnimmt.
Immer wieder wird der Film von der wundervoll treffenden Metapher eines allseitig geschlossenen, metallenen Tauchanzuges und später des frei fliegenden Schmetterlings durchbrochen. Wahrhaft eindrücklich und bewegend. Dazu eine unglaublich stimmungsgeladene musikalische Begleitung von Bach bis zu modernem hard-rock.
Insgesamt ein echtes Meisterwerk: 1.
Patrick
Kommunikation durch Blinzeln…
Nachdem ich kürzlich den Film Le scaphandre et le papillon (Rezension auf Sneakcast) gesehen habe, muss ich ständig über Kommunikationsmöglichkeiten für quasi ganzkörpergelähmte Menschen nachdenken. Besagter Film erzählt die wahre Geschichte de…
Trackback by herzhirnhand.de — 28. April 2008 @ 7:30
Das ist gemein, ich will auch Filme im Französischen Original sehen! Die Untertitel würde ich dabei noch in Kauf nehmen, aber im provinziellen Münster senden die eben keine französiche OV…
Kommentar by Anne — 28. April 2008 @ 20:16
Kein Kommentar ;o)
Kommentar by Dennis — 29. April 2008 @ 15:27
[…] glaube bei meiner Rezension zu Le scaphandre et le papillon habe ich — sehr zum Leidwesen einiger Münsteraner — […]
Pingback by sneakcast.de » Fong juk (Exiled) — 16. Mai 2008 @ 7:19