…Mit der Take That-Rezension lasse ich mir nicht soviel Zeit. Jedenfalls nicht soviel wie bei Jack’s Mannequin.
Am Anfang des neuen Jahrtausends waren Boybands tot. Es war vorbei mit den Zimmern voller Poster, nur von Mädchen (& Frauen) besuchten Konzerten und schmierigen Dancepop-Videos auf Dauerrotation bei VIVA. Doch im Jahre 2006 wagten die vier übrig gebliebenen Mitglieder der erfolgreichsten Boyband der 90er Jahre einen Neuanfang. Die Nachricht verbreitete sich ungeahnt schnell: Take That sind zurück!
Erstaunlicherweise wirklich besser als je zuvor. Beautiful world war ein tolles Pop-Album mit vielen Hits und den außergewöhnlichen Stimmtalenten von Gary Barlow, Mark Owen, Jason Orange und Howard Donald. Diese Tradition setzen sie nun auf ihrem zweiten Album seit dem Comeback fort. The Circus ist eine bunte Mixtur aus alt bekannten Zutaten, die einen zwar nicht vom Hocker haut, aber eben doch die Erwartungen erfüllt.
The garden eröffnet das Album geschickt: Es spielt alle magischen Momente vom Vorgänger Beautiful world in 5 Minuten noch einmal durch und begeistert mit wechselndem Leadgesang. Die 1. Single Greatest day kommt ohne richtigen Refrain aus und man kann sogar Indierock (!) Einflüsse heraushören. Großartige Melodieführung! Hello ist dann quasi Mark Owen’s Zugabe zu Shine, ein schöner Popsong, der schmissig nach vorne geht. Bei Said it all musste ich erst mal schlucken: Der erste Refrain klingt haargenau wie aus einem 90er-Album, doch in der 2. Hälfte gewinnt der Song nochmal an Tempo und wird zu einer Art Reach out Teil 2. Viel Schelte mussten sie für Julie einstecken, was keinem Kritiker (von denen, die ich gelesen hab) gefallen hat. Mir gefällt’s trotzdem. Klar, “Shalalalalala I want you” gewinnt keinen Originalitätspreis, aber das Stück funktioniert, und das ist das Wichtigste. The circus ist eine intime, zurückgenommene Pianoballade, bei der Gary Barlow eindringlich sein Stimm- und Songwritertalent unter Beweis stellt (nicht, dass er es noch müsste). Das einzige Stück, dass ich wirklich belanglos finde ist How did it come to this, ein Fall für die Skiptaste. Up all night geht dann wieder nach vorne und in der Bridge wird es sogar witzig und charmant. Das von Jason Orange gesungene What is love ist, neben The Garden das balladeske Herzstück das Albums. Es ist einfach rührend, wie hier die so oft diskutierte Thema noch einmal musikalisch (und unkitschig) umrundet wird. You ist ganz nett, mehr aber auch nicht. Bei Hold up a light geben die vier nochmal Vollgas. Das Stück führt geschmeidig aus dem Album heraus, wobei der Hidden Track Here sozusagen das Sahnehäubchen ist.
Alles in allem ist Take That, zusammen mit ihrem Hausproduzenten John Shanks, ein überzeugendes Nachfolgewerk gelungen. Wenn sie auch in den nächsten Jahren ein derartiges Format beibehalten, dann kann es sein, dass dieser “letzten Boyband” noch viele Sternstunden der Popmusik zu verdanken sein werden.
Zweieinhalb von fünf Punkten.