How far are you prepared to go to save someone you love? Unter diesem Motto steht das neue Spiel von Quantic Dream, Heavy Rain. Viel ist in den vergangenen Wochen über dieses Spiel geredet und geschrieben worden und auch ich möchte jetzt, da das erste Durchspielen schon ein paar Tage her ist, ein paar Worte dazu verlieren.
Zunächst: Warum sollte man überhaupt über Heavy Rain reden? Was macht das Spiel so besonders? Nun ja, in erster Linie, dass es sich nicht anfühlt, wie ein Spiel. Gibt es sonst eine (mehr oder weniger starke) Trennung zwischen den Szenen, in denen der Spieler die Kontrolle über die Figur übernimmt und den Szenen, in denen er nur unbeteiligter Zuschauer ist, wirkt hier das gesamte Spiel wie eine einzige Cutscene, auf die wir als Spieler jedoch Einfluss nehmen können. Jede Entscheidung, so lernen wir relativ schnell, hat ihre Folgen und sorgt dafür, dass sich der spätere Spielverlauf teils entscheidend ändert. Selbst der Tod eines Charakters führt nicht zum sonst unvermeidlichen Game Over, sondern führt die Geschichte in einer anderen Richtung fort.
Apropros Geschichte: Heavy Rain hat davon einiges zu bieten. Hier der Kurzabriss der Teile der Story, die wohl für alle Spieler gleich sein werden: Ethan Mars, glücklich verheirateter Vater von zwei Kindern, verliert einen seiner Söhne bei einem Autounfall, seine Ehe scheitert und er leidet unter heftigen Blackouts. Als sein zweiter Sohn vom so genannten Origami-Killer entführt wird, stellt sich auch ihm die eingangs schon gestellte Frage: Wie weit wird er gehen, um seinen Sohn zu retten?
Doch wir sind als Ethan nicht allein unterwegs. Wir treffen Madison Paige, die Ethan als wandelnde Krankenschwester immer wieder zusammenflickt, Scott Shelby, den bärbeißigen aber liebenswerten Ex-Cop, der nun als Privatdetektiv ebenfalls nach dem Origami-Killer fahndet und den FBI-Agenten Norman Jayden, der, ebenfalls auf diesen Fall angesetzt, sich mit der örtlichen Polizei herumschlagen muss.
Mehr soll hier nicht verraten werden, nicht nur, weil die Story, die sich entfaltet, so unglaublich gut erzählt ist, dass ich euch hier nicht den Spaß verderben will, sondern auch, weil es die Story überhaupt nicht gibt. Es gibt so viele Entscheidungsmöglichkeiten und Wendepunkte, dass vermutlich kaum zwei Spieler das selbe Spiel spielen werden.
Aber nun zum Spiel selbst: Für Heavy Rain wird häufig der ominöse Begriff interaktiver Film verwendet, der in den neunzigern wegen scheußlich schlechter Umsetzungen eher als Schimpfwort galt. Hier ist er jedoch mehr als gerechtfertigt. Zum einen ist die Inszenierung so cineastisch, dass sie den Vergleich mit Hollywood-Thrillern wie Sieben oder Saw nicht zu scheuen braucht. Zum anderen basiert die Steuerung nicht auf dem bekannten “drück X zum Springen”-Prinzip, sondern setzt auf so genannte “quick time events”. Hier erscheinen, wenn der Charakter etwas tun kann, Symbole auf dem Bildschirm. Entweder muss der Spieler nun Tasten drücken oder eine abstrahierte Bewegung mit den Analog-Sticks ausführen. Gerade in Gesprächen mit anderen Charakteren entfaltet diese Technik ihr volles Potential: Hier schwirren die einzelnen Gesprächsoptionen meist ruhig, wenn der Charakter aufgeregt ist aber auch zitternd, über den Bildschirm. Der Spieler hat nun – wie in einem wirklichen Gespräch ja auch – nur eine bestimmte Zeit, den Verlauf des Gespräches zu beeinflussen.
Man merkt Heavy Rain durchaus an, dass Quantic Dream mit Fahrenheit (in den USA Indigo Prophecy) vor einigen Jahren schon Erfahrung im Genre gesammelt haben. Damals teils noch etwas unbeholfen, setzten sie dort aber schon Erzähltechniken wie Split-Screens oder gezielte Kamerafahrten ein, um die Spannung zu erhöhen. Dies wird nun bei Heavy Rain perfektioniert und sorgt zusammen mit der Story, die glücklicherweise nicht in irgendwelche abstrusen Mystery-Phänomene abdriftet, zu einem großartigen Spielerlebnis. Hat man dann den Abspann vor sich, stellt man sich unwillkürlich die Frage: Was wäre denn gewesen, wenn ich diese Sequenz anders gespielt hätte? Wäre mein Charakter dann noch am Leben? Hätte ich den Killer vielleicht doch gefunden? Und schon geht es in die nächste Runde…
Heavy Rain ist ein Brocken, der – abgesehen von einigen kleinen Patzern – Bombast-Grafik fürs Auge und eine Bombast-Story fürs Hirn bietet. Angekündigt ist auch die Lieblings-Cash-Cow der Spieleindustrie: Downloadable Content, in dem ihr die Vorgeschichte der einzelnen Charaktere erleben und spielen könnt. Ob sich das lohnt, müsst ihr selbst wissen.
Ich jedenfalls bin von Heavy Rain begeistert wie von kaum einem anderen Spiel in den letzten Jahren. Fünf von fünf Origami-Figuren. Top!
Dennis
Nachdem ich das Spiel in der letzten Woche auch zu Ende brachte, kann ich einige von Dennis’ Kommentaren unterstreichen. Heavy Rain ist einfach erfrischend anders im Bezug auf Steuerung, Präsentation und Emotionalität. Es ist eher ein Erlebnis als ein Videospiel, welches einen das eine oder andere Mal zu schwierigen Entscheidungen zwingt. Beachtlich ist dabei, wie nah dem Spieler diese Entscheidungen gehen. Auf der anderen Seite ist die Fußsteuerung der Figuren weniger gelungen, da man nicht in jeder Situation die volle Kontrolle zu haben scheint. Dies machen die zahlreiche Quicktime-Events aber mehr als wett, welche mit atemberaubender Action und Spannung daherkommen. Heavy Rain ist vielleicht ein geglücktes Experiment, vielleicht der Beginn einer neuen Ära, wer weiß. Auf jeden Fall zählt es zu den Spielen, die man 2010 auf keinen Fall verpassen sollte.
Kommentar by Terje — 20. April 2010 @ 7:31