Eigentlich ist es so gar nicht meine Art, verstorbene Künstler mit einem Nachruf zu würdigen. Ich halte grundsätzlich nicht viel davon, wenn Leute, die die Verstorbenen selbst nicht kannten deren Tod dazu ausnutzen um ihren Senf zu deren Werk abzugeben. Aber im Falle des Animé-Regisseurs Satoshi Kon, welcher am 24. August 2010 seinem Bauchspeicheldrüsenkrebs erlag, komme ich nicht umhim, ein paar Worte zu verlieren. Dabei treibt mich vor allem eines an: Einem einzigartigen Genie die letzte Ehre zu erweisen, bevor es nach und nach verblasst und im Meer der Vergessenheit verschwindet.
Satoshi Kon hat Animé-Filme gemacht. Im Gegensatz zu vielen anderen Regisseuren seines Fachs zählte Kon zu denjenigen, welche auch außerhalb Japans international Anerkennung finden konnten. Dies lag in erster Linie daran, dass er mit seinen Filmen stets die Konventionen des Animationsfilms hinterfragt und teilweise in seinen Grundfesten erschüttert hat. Das Überwinden der Genre-Konventionen, welches selbst in seinen ersten Langfilm “Perfect Blue” (1997) evident war, wurde zu seinem wichtigsten Markenzeichen. Dieser Film stellte etwas wahrlich Bahnbrechendes dar, denn er verdeutlichte wieviel mit dem Medium Animé zu erreichen war, wenn es sich als Pendant zum Spielfilm verstand und dessen Machart in Form der Animation umsetzte. Den Höhepunkt seines Schaffens erreichte Kon jedoch mit seinem Zweitwerk “Millennium Actress”, welches 2001 in Japan in Kino lief und hierzulande erstmals 2006 auf DVD veröffentlicht wurde. Dieser Film sprengte in vielerlei Hinsicht alles, was Animé vorher bedeutet hatte. Er ist zugleich fiktive Künstlerbiographie, Historienfilm, Science-Fiction und auf einer entrückten Meta-Ebene angesiedelt, welche den Zuschauer (genau wie “Perfect Blue”) intelektuell herausfordert. Im Hinblick auf die Regie fällt einem nur ein einziger Regisseur ein, den man mit Satoshi Kon vergleichen könnte: Christopher Nolan. Beide verstehen es auf brilliante Art und Weise, den Zuschauer zu täuschen und ihn zum aufmerksamen Zusehen zu zwingen wobei stets Anspruch mit optischer Brillianz einhergeht. Beide spielen mit der Wahrnehmung ihrer Protagonisten und der der Zuschauer, sodass sich ein Film erst nach mehrmaligem Anschauen in seiner Genialität erschließt. Letztlich war Satoshi Kon ein Genie vom Kaliber eines Christopher Nolan, mit dem Unterschied, dass sich letzterer einem viel größeren Bekanntheitsgrad erfreut.
Die letzten beiden Langfilme von Satoshi Kon gehören einer anderen Sorte an. “Toyko Godfathers” ist die herzerwärmende Geschichte dreier Obdachloser. Sie finden am Weihnachtsabend ein Baby und sind folglich gezwungen sich mit dem Kind und auch dem Sinn ihrer Existenz auseinanderzusetzen. Obwohl “Tokyo Godfathers” wesentlich konventioneller erzählt ist als Kons andere Werke zeichnet sich auch dieses Werk durch besondere Präzision aus, gerade bei der Charakterzeichnung. Satoshi Kons vierter und (wahrscheinlich) letzter Film “Paprika” (2006) ist eine Mischung aus Science-Fiction und Film Noir, in der sich, wie bei “Millennium Actress” verschiedene Realitätsebenen überlagern. Dabei ist die Inszenierung virtuos, der Film jedoch noch schwieriger zu durchdringen als “Perfect Blue” oder “Millennium Actress”. Für 2011 war “The Dream Machine” angekündigt, bei welchem noch nicht klar ist, ob er von Kons Mitarbeitern fertig gestellt werden wird.
Alles in Allem hatte ich mit diesem Artikel ein Ziel: Auf diesen genialen Regisseur aufmerksam zu machen! Sollte arte in naher Zukunft eine Reihe mit seinen Filmen ausstrahlen (wie sie es bei Miyazaki Anfang des Jahres getan haben) so kann ich nur empfehlen, sich diese Filme zu Gemüte zu führen, denn sie gehören zum Besten, was die Filmindustrie (Japans oder Amerikas, Animations- oder Realfilm) jemals hervorgebracht hat.
3. September 2010
Nachruf für Satoshi Kon (1963-2010)
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