16. Mai 2008
Ich glaube bei meiner Rezension zu Le scaphandre et le papillon habe ich — sehr zum Leidwesen einiger Münsteraner — bereits erwähnt, dass man im weltoffenen Santa Barbara durchaus Filme in Originalsprache sehen kann. Den Höhepunkt an Authentizität erreichte aber kürzlich die Vorführung von Fong juk (Exiled) im kantonesischen Original mit englischen Untertiteln. Die ungewöhnliche Sprache erhöht die fremdländischen Faszination dieses Hongkong-Streifens noch weiter.
Die Handlung ist schlicht: Ein Unterweltboss setzt zwei Killer auf ein ehemaliges Bandenmitglied an, das in Ungnade gefallen und nun unerlaubt nach Macau zurückgekehrt ist. Gleichzeitig treffen aber auch zwei weitere Killer ein, die mit der Zielperson befreundet sind und ihr Leben schützen wollen. Brisant wird das ganze dadurch, dass sich alle fünf eigentlich kennen und so beschließen, vor der Exekution “noch eben” ein Ding zu drehen, um die Familie des Opfers versorgt zu wissen…
Wer mehr über den Inhalt wissen möchte, wird bei almondeyes’ Zusammenfassung fündig.
Exiled wirkt aber keineswegs durch den Inhalt, sondern durch die eindrückliche Darstellung eines untergehenden Ideals und eine subtile Umbruchstimmung, die schnell vom Zuschauer Besitz ergreift. Auf ihre Weise ist die Leistung der Schauspieler hervorragend wie auch die lichttechnische und photographische Umsetzung. Sind die zahlreichen Schusswechsel auch banal und völlig sinnentleert, so ist ihre Darstellung und Inszenierung doch sehenswert. Stellenweise entwickelt der Film gar eine schwarz-böse Form von Komik.
Auch wenn dieses Genre eigentlich nicht meinem Geschmack entspricht, hat mir der Film gefallen und eine gute 3+ wohl verdient.
Für eine ausführliche, äußerst lesenswerte Rezension von the gaffer und einen Vergleich mit dem Vorgängerwerk Cheung fo (The Mission) des gleichen Regisseurs möchte ich euch dringend hierhin verweisen.
Patrick
Deine Wertung zum Film/Buch/Ding:
(3 Stimme(n), durchschnittlich: 3,00 von 5)
Links zum Beitrag:
- Fong juk (Exiled) bei IMDb
- Cheung fo (The Mission) bei IMDb
15. Mai 2008
Rough Magic ist der letzte Film, den ich im Rahmen einer Filmstudie sehen musste durfte. In der Studie wurde die Reaktion der Probanden auf Gewalt oder Romantik in Filmen untersucht. Nach dem Zufallsprinzip habe ich natürlich letzteres abbekommen, was bei drei romantischen Komödien in drei Tagen ganz schön hart sein kann.
Rough Magic erzählt die Geschichte der Zauberkünstlerin Myra. Sie ist verlobt mit einem aufstrebenden Politiker, der sie allerdings nicht aus Liebe heiraten will, sondern weil er als Senator halt glücklich verheiratet sein muss. Myras Kollege und Lehrmeister, der sie sie väterlich behütet und beschützt, ist von dieser Ehe alles andere als begeistert. Letztendlich kann er die Verbindung verhindern, indem er Myras Verlobtem einen Streich spielt, den dieser so gar nicht komisch findet und den Zauberer dabei (versehentlich) erschießt. Myra flieht entsetzt mit dem Beweisphoto nach Mexiko, wohin ihr der Detektiv ihres Verlobten folgt, um das Beweisbild sicherzustellen. Doch der Detektiv verliebt sich in Myra und sie wird obendrein durch ein Elixier mexikanischer Schamanen zur “echten” Zauberei befähigt. Als sie jedoch erfährt, dass ihre neue Flamme ursprünglich von ihrem Verlobtem engagiert wurde, reißt sie sich symbolisch das Herz heraus und wird so zur gefühllosen Marionette, bis…
Dieser Film hätte wirklich das Potential, richtig gut zu werden. Fähige Schauspieler, atmosphärische Drehorte, wirkungsvolle musikalische Untermalung und gar keine so dumme Geschichte. Leider wird die Charakterentwicklung bald völlig unglaubwürdig und die Darstellung der Magie verpatzt die Gratwanderung zwischen Mystik und Realismus vollkommen. In Kombination mit den immer abstruser und zusammenhangloser werdenden Wendungen der Geschichte kann man spätestens nach der Hälfte des Films nur noch mit dem Kopf schütteln.
Schade eigentlich, denn hier wäre mehr als nur eine 4+ möglich gewesen.
Patrick
Deine Wertung zum Film/Buch/Ding:
(1 Stimme(n), durchschnittlich: 2,00 von 5)
Links zum Beitrag:
- Rough Magic bei IMDb
Kommentare deaktiviert für Rough Magic (Wilder Zauber)
13. Mai 2008
Schaut euch das links stehende Filmplakatchen an - sagt das alles? Es sagt alles: Fade Schockerkost á la The Ring oder Ju-On, auch nach einem japanischen Vorbild (namens Jian gui).
Jessica Alba, die ich grundsätzlich mit Jennifer Garner verwechsle, spielt die seit der Kindheit erblindete Geigerin Sydney, die nach einer Hornhauttransplantation plötzlich merkwürdige Wesen und Ereignisse sieht, die so eigentlich nicht ganz normal sind. Sie geht zusammen mit ihrem Reha-Fritzen (Allesandro Nivola, bekannt aus grandiosen Filmen wie Goal oder Goal 2 [die ich leider vor der Existenz des Sneakcasts gesehen habe, Himmelherrgottnochmal, das hätte einen nuclear boot in the nuts gegeben]) auf Forschungstour und findet heraus, dass ihre Augen (waren es nicht eben noch die Hornhäute? Egal…) von einer mexikanischen Bruja (Hexe) stammen, die den Tod von Menschen vorhersagen konnte und sich dieses Wissens bewusst werdend erhängt hat. Es folgt das obligatorische Finale mit großer Explosion und ebenso großem Drama - und dann sind die knapp hundert Minuten auch schon geschafft.
Was der Film richtig macht: Schöne Unschärfeeffekte, während Sydney “langsam” wieder sehen lernt. Dazu einigermaßen gute Special Effects, die die aus Mangel an Alternativen mal Todesengel genannte Wesen und Sydneys Flashbacks ganz gut aussehen lassen. Hinter dieser glitzernden Fassade gibt es allerdings einiges…
Was der Film falsch macht: Großspuriges Auftreten, wo wir es doch hier eher mit lauer Durchschnittsware zu tun haben - ein Star macht noch keinen Hit. Außerdem ein Übermaß an althergebrachten Schockeffekten, die man so schon unendlich oft und besser beinahe ebenso häufig gesehen hat. Den Zuckerguss bilden eine nicht vorhandene Charakterentwicklung (“Wieso will der Arzt, den ich jetzt seit zwei Tagen kenne, nicht seine Karriere für eine durchgeknallte Irre wie mich aufs Spiel setzen?”) und eine Handvoll Kopfschüttel-Sprüche (wobei die Unterhaltung “Ich… ich sehe…” - “Was denn? Tote Menschen?” schon nicht ohne ein Schmunzeln zu hinterlassen an meinen Ohren vorbei zog).
The Eye ist gut für alle, die sich mal in Japano-Horror hinein schauen wollen, ohne gleich die volle Dosis abzubekommen. Der Film ist - lässt man die erwähnten “Oh, da springt jetzt plötzlich jemand hinter einer Kiste hervor, Buh!” einmal außer Acht - größtenteils grunzlangweilig, aber schön anzusehen.
Auch wenn Jennifer Garner… nein, Jessica Alba wohl die schlechteste Synchron-Geigerin der Welt sein dürfte (nein, Mädchen, da kommt kein Ton ‘raus, wenn du das Stöckchen in der rechten Hand einfach nur still hältst!) landen wir bei eineinhalb zerschlagenen Glühbirnen. Schema F.
Nach The Ring, The Grudge und The Eyes kommt dann vermutlich demnächst The Kindergärtnerin, The Stiefmütterchen und The Gastritis. Viel Spaß dabei…
Dennis
Deine Wertung zum Film/Buch/Ding:
(3 Stimme(n), durchschnittlich: 1,33 von 5)
Links zum Beitrag:
- The Eye bei imdb
- Ju-On (The Grudge) bei imdb
- Einer der wenigen wirklich gut gemachten Horrorfilme, der mal nicht nur mit billigen Schockmomenten punktet, sondern Gänsehaut macht.
- The Ring bei imdb
8. Mai 2008
Die Filmstudie ging weiter mit Prime: Für Rafi (37) läuft es beruflich bestens doch ihr Privatleben gleicht nach der langwierigen Scheidung von ihrem Mann einem Trümmerhaufen. Ihre Therapeutin Lisa rät ihr deswegen, offen zu sein, dem Leben eine Chance zu geben und es schlicht zu genießen. Sie selbst — übrigens auch in psychotherapeutischer Behandlung — beherzigt jedoch keinen ihrer eigenen Ratschläge im Umgang mit ihrem Sohn. Dave (23) sucht der jüdischen Familientradition in der Malerei zu entfliehen, krankt aber an geringem Selbstbewusstsein und inneren Zweifeln. Natürlich kommt es, wie es kommen muss: Rafi und Dave werden ein Paar und allmählich dämmert auch Lisa, was zwischen ihrer Patienten und ihrem Sohn läuft…
Wieder eine romantische Komödie, doch diesmal nicht ganz so flach wir befürchtet, auch wenn der Religionskonflikt nicht annähernd so differenziert dargestellt wird, wie man’s sich wünschen würde. Technisch schlichtes Mittelmaß bietet dieser Streifen doch 105 Minuten kurzweilige, seichte Unterhaltung mit einigen wirklich guten Szenen. Beispielsweise die, wo sich Daves Kumpel in Rafis Schrank versteckt und dort ihre Katze mit Bier füttert…
Insgesamt brauchbar aber nicht besonders: 3.
Patrick
Deine Wertung zum Film/Buch/Ding:
(4 Stimme(n), durchschnittlich: 3,25 von 5)
Links zum Beitrag:
- Prime bei IMDb
Kommentare deaktiviert für Prime (Couchgeflüster)
5. Mai 2008
Mit 13 Jahren hat Jenna all jene Probleme, die — glaubt man den Vorurteilen — alle Mädchen in diesem Alter haben. Sie verkennt den Wert ihrer aufrichtigen Freundschaft mit dem charakterstarken aber unansehnlichen Matt und träumt stattdessen davon, zur coolsten Mädchenclique der Schule zu gehören und von allen bewundert zu werden. An ihrem 13. Geburtstag bekommt sie ein handgearbeitetes Miniaturtraumhaus von Matt geschenkt und wird kurz danach Opfer eines bösen Streichs von genau der Clique, zu der sie so gerne gehören möchte. Traurig und allein wünscht sie sich nichts sehnlicher, als endlich 30, verführerisch und erfolgreich zu sein. Ihr Wunsch geht in Erfüllung und stellt sie vor so manch ungeahntes Problem…
Damit ist wohl auch alles gesagt: Diese klassische Teenie-Komödie ist genauso flach, inhaltslos, vorhersehbar und gekünstelt lustig lächerlich, wie es sich für dieses Genre gehört. Kameraführung, Komposition, Photographie und Musik sind bis auf wenige Ausnahmen wie die Tanzszene auf der Poise-Party gerade mal durchschnittlich. Jedwedes Potential für Tiefgang, differenzierte Konfliktsituationen und Anspruch verpufft erwartungsgemäß ungenutzt.
Die Teilnahme an einer Filmstudie (siehe hier) bringt — fast wie eine Sneak — mit sich, dass man Filme sieht, ohne vorher zu wissen, welche es sein werden. Leider gehört 13 Going on 30 zu den höchstens mittelmäßigen Filmen, auf die ich eigentlich bestens verzichten könnte: Nicht nur subjektiv eine 4.
Patrick
Deine Wertung zum Film/Buch/Ding:
(3 Stimme(n), durchschnittlich: 2,67 von 5)
Links zum Beitrag:
- 13 Going on 30 bei IMDb
Kommentare deaktiviert für 13 Going on 30 (30 über Nacht)
3. Mai 2008
Stellt euch vor, es ist Sommer. Die Vögel, die sich den ganzen Tag unter den großen, grünen Bäumen vor der Hitze versteckt haben, kommen langsam heraus und beginnen, den Abend einzuläuten. Die Sonne macht es sich ein winzigkleines Stückchen über dem Horizont bequem und taucht die Landschaft in dieses unwirkliche, sanft-orange Glühen. Ein paar Grillen zirpen. Keine Wolke am Himmel. Und ihr habt nichts zu tun, als in eurem Liegestuhl auf dem Rasen zu sitzen, die Zehen in das angenehm kühle Gras zu graben und es euch gut gehen zu lassen…
So fühlt sich Der fliegende Händler an. Genau so. Der Film erzählt die kleine, unbedeutende Geschichte von Antoine, der aus der landschaftlichen Idylle, in der seine Eltern wohnen, ausgebrochen ist und in Paris das große, neue Leben sucht. Dort hat er Claire kennen gelernt, die mit mitte zwanzig versucht, ihr Abitur nachzumachen. Als Antoines Vater, mit dem es schon immer größere und kleinere Reibereien gegeben hat, mit einem Herzinfarkt ins Krankenhaus kommt, entschließt Antoine (nicht ganz uneigennützig), mit Claire zurück in die Heimat seiner Eltern zu fahren, um den kleinen fahrbaren Supermarkt-Kiosk seines Vaters in dessen Abwesenheit weiter zu betreiben.
Doch eigentlich ist das alles ganz unwichtig, ebenso wie die immer geforderten Entwicklungen der Charaktere, die Antoine langsam seine Verantwortung und seinen Vater die Eigenständigkeit seines Sohnes erkennen lassen. Auch Antoines Mutter, sein Bruder und selbst Claire, die alle ihre Last zu tragen haben, treten in den Hintergrund…
Viel wichtiger ist die Stimmung, die Der fliegende Händler (übrigens der Name, den Claire der kleinen fahrbaren Bude gibt) transportiert. Innerhalb wunderschöner südfranzösischer Landschaften, in denen die Zeit manchmal stillzustehen scheint, fährt Antoine mit seinem Transporter zwischen den Leben vieler verschiedener Menschen hin und her. Die alten Bewohner der kleinen Dörfer, darunter die schrullige Lucienne, ein älterer Herr, der grundsätzlich den Preis, den Antoine ihm nennt, missversteht, oder der alte Clement, der nach dem Tod seiner Frau seine Schafe abgeben musste und nun mit Eiern und Schnaps bezahlt, wirken niemals gekünstelt oder unecht, sondern gerade so, als hätte man die zufällig an den Drehorten wohnenden Menschen während ihres täglichen Treibens gefilmt.
Es wird Sommer in Frankreich und mit diesem Film auch Sommer im Herzen. Ein Ende hat der Film eigentlich nicht, genau so, wie das wirkliche Leben kein echtes Ende hat. Was mit den alten Leutchen geschieht, ob aus Antoine und Claire etwas wird, all das erfahren wir nicht. Aber wir haben Teil an einer ganz kleinen, ganz unbedeutenden Geschichte, wie sie so sicher hundertfach stattgefunden hat und noch immer stattfindet. Eine ganz kleine, ganz unbedeutende, aber ganz wunderbare Geschichte.
Vier Lieferwagenholzstützen für einen Film, der so wohl nur aus Frankreich kommen kann.
Dennis
Deine Wertung zum Film/Buch/Ding:
(1 Stimme(n), durchschnittlich: 4,00 von 5)
Links zum Beitrag:
- Le fils de l'épicier bei imdb
- Die deutsche Seite zum FIlm
28. April 2008
Bei der letzten Sneak war ich sehr gespannt, weil der Film als “early early early Sneak” angekündigt worden war. Abgesehen von den überflüssigen Anglizismen (Warum kann man nicht einfach “früh” sagen?) erhöht so etwas natürlich enorm die Spannung und ist somit für die meisten Sneaker genau das Richtige.
Ehre, wem Ehre gebührt: Obwohl der Film schon Mitte Juli, also gar nicht mal so spät, anläuft, hatte ich vorher noch nie etwas davon gehört. Es geht um ein Callcenter, das geschlossen werden soll, wenn sich nicht die Quote verbessert. Im Mittelpunkt der Handlung stehen der Chef der Callcenter-Abteilung (August Zirner), sein bester Mitarbeiter Adrian, der zu schüchtern ist, um Frauen in die Augen zu sehen, (Johannes Allmayer) und der neue Mitarbeiter Sascha (Maximilian Brückner), der von einer Karriere beim Fernsehen träumt und für den der Callcenter-Job nur eine Notlösung ist. Während des Films entwickeln sich die Charaktere weiter, was interessant anzusehen ist.
Alles, was Recht ist, man merkt schon an dieser Beschreibung, dass die Bezeichnung “Komödie” auf den Film nicht passt. Als solcher wurde er nämlich sowohl von den Cineplex-Mitarbeitern in Münster als auch von dem Gesandten des Verleihs bezeichnet. Er war zwar an einigen Stellen lustig, aber für eine richtige Komödie fehlte es an einem Friede-Freude-Eierkuchen-Ende. In dem Film jagte nicht ein Gag den anderen, und man hatte auch nicht den Eindruck, dass dies so gewollt war. Man kann jetzt darüber streiten, was eine richtige Komödie ausmacht, doch mein Eindruck war jedenfalls, dass der Film keine ist. Das ist natürlich so subjektiv, wie Eindrücke immer zu sein pflegen, aber das gilt ja für die gesamte Rezension! Ich meine auch, es tut dem Film ganz gut, dass sich das Genre nicht eindeutig bestimmen lässt. Er ist fesselnd, und das ist die Hauptsache.
Es ist allerdings schade, dass der Callcenter-Stoff bereits in Outsourced behandelt wurde. Obwohl ich nicht weiß, welcher Film eher da war und wer die Idee zuerst hatte, wirkte Selbstgespräche auf mich deshalb nicht so originell, wie er es sonst vielleicht getan hätte. Vier von fünf Klapprädern der gehobenen Mittelklasse gibt es aber doch.
Deine Wertung zum Film/Buch/Ding:
(2 Stimme(n), durchschnittlich: 4,50 von 5)
Vielleicht wundert sich ja wer darüber, dass ich aus den USA eine Rezension zu einem französischen Film schreibe und in der Überschrift nicht einmal dessen englischen/internationalen Titel erwähne, der da lautet The Diving Bell and the Butterfly. Der Grund ist einfach: Der Film wurde im französischen Original mit englischen Untertiteln gezeigt. Ja, ganz recht, in Kalifornien mitten in den USA kann man Filme in fremdländischer Originalfassung sehen. Man muss nur in die “richtigen” Kinos gehen, die sich ereifern echten Cineasten das beste der Szene anzubieten.
Jean-Dominique ‘Jean-Do’ Bauby war Chefredakteur der Modezeitschrift Elle und der Inbegriff des Lebemanns, bis ihn ein schwerer Schlaganfall vollständig lähmt und so zum Gefangenen im eigenen Körper macht. Geistig vollkommen auf der Höhe aber unfähig, mehr als sein linkes Augenlid zu bewegen, muss er lernen, sich durch Blinzeln zu verständigen, und einen Weg finden, mit seinem neuen Leben fertig zu werden. Wünscht er sich anfangs noch schlicht zu sterben, entdeckt er den Willen zum Leben wieder, als ihn ein alter Freund besucht, dem er einst seinen Platz in einem Flugzeug überlassen hatte, dessen Insassen entführt und vier Jahre in Beirut gefangen gehalten wurden. Mit gewaltiger Charakterstärke stellt er sich seiner neuen Situation und erkennt schließlich, dass Erinnerung und Vorstellungskraft ihm nie geahnte Möglichkeiten verschaffen. Blinzelnd diktiert er sogar seine lyrischen Memoiren, die schließlich als Buch veröffentlicht werden.
Gemessen an der Schwere dieser wahren Geschichte gelingt dem Film eine wundervoll leichte und dennoch tiefgehende Darstellung, die den Zuschauer in jeder ihrer 112 vorzüglich inszenierten Minuten fesselt. Den Anfang des Film erleben wir vollständig aus der Ich-Perspektive Jean-Dos. Das Bild ist verschwommen, folgt den Augenbewegungen und wird bei jedem blinzeln kurzzeitig schwarz. Dazu hören wir, was Jean-Do hört, überlagert von seiner inneren Stimme. Unmöglich uns diesen dichten, realistischen Bilder zu entziehen werden wir selbst zu Jean-Do und erleben zitternd am eigenen Leib, wie unser unbewegliches rechtes Auge zugenäht wird… Erst nach etlichen Filmminuten erhaschen wir in Form einer diffusen Reflexion den ersten flüchtigen Blick auf unser eigenes Antlitz. Bis wir uns das erste Mal tatsächlich selbst sehen, vergeht eine gute halbe Stunde. Von da an werden wir zum stillen Beobachter, der Jean-Do und seinem Leben von außen folgt, aber nach wie vor an seiner Gedankenwelt teilnimmt.
Immer wieder wird der Film von der wundervoll treffenden Metapher eines allseitig geschlossenen, metallenen Tauchanzuges und später des frei fliegenden Schmetterlings durchbrochen. Wahrhaft eindrücklich und bewegend. Dazu eine unglaublich stimmungsgeladene musikalische Begleitung von Bach bis zu modernem hard-rock.
Insgesamt ein echtes Meisterwerk: 1.
Patrick
Deine Wertung zum Film/Buch/Ding:
(1 Stimme(n), durchschnittlich: 5,00 von 5)
Links zum Beitrag:
- Le scaphandre et le papillon bei IMDb
22. April 2008
Lauf um dein Leben - Vom Junkie zum Ironman ist die wahre (oder zumindest von der Wahrheit inspirierte) Geschichte von Andreas Niedrig, der - wie der Titel bereits vermuten lässt - nach Jahren des Daseins als Drogensüchtiger mit viel Schweiß, Blut und Tränen auf den rechten Weg zurückgekehrt ist und schließlich als bester Einsteiger aller Zeiten am Ironman-Lauf auf Hawaii teilgenommen hat.
Das alles ist eine wirklich unglaubliche Geschichte, die Niedrig (übrigens laut der Wikipedia der Bruder der Niedrig aus der Sat.1-Pseudodoku Niedrig und Kuhnt) im gleichnamigen Buch erzählt und verarbeitet hat. Jetzt gibt es also den Film zum Ganzen.
Ich tue mich hier außergewöhnlich schwer mit einer gerechten Rezension, also machen wir das Ganze einmal ganz sachlich. Die Bilder sind für einen deutschen Film außergewöhnlich… groß. Im Über-über-über-breitbildformat sehen wir zu neunzig Prozent wirklich feine Aufnahmen mit schön viel Tiefenunschärfe, tollen Drehorten (mit einigen wirklich miesen Ausnahmen) und stimmiger Atmosphäre. Die Schauspieler, allen voran natürlich Max Riemelt als Andreas Niedrig, machen ihre Sache ziemlich gut und Axel Stein, bekannt aus allerlei Kino- und Fernsehgedöns überzeugt in einer zumindest partiell ernsthaften Rolle. Udo Schenks Trailerstimme, mit der er Andreas’ Vater, einen hochdekorierten Polizisten, spielt, ist mir in Verbindung mit seinem Ex-Marine-Gesichtsausdruck immer ein bisschen viel, aber… gut. Uwe Ochsenknecht schließlich als Trainer Oscar, der Andreas bei der Rückkehr zum Sport hilft, ist nicht halb so struppig wie sein Hund.
Hm, ich glaube, ich kann mich nicht länger drücken… Lauf um dein Leben macht irgendetwas falsch, aber ich kann beim besten Willen nicht genau sagen, was. Vielleicht ist es die Tatsache, dass so etwas als live erzählte Lebensgeschichte, ja, meinetwegen als Dokumentation im ZDF-Nachtprogramm glänzend funktioniert, auf der Kinoleinwand aber - zumindest bei mir - so überhaupt nicht. So mitreißend Andreas’ Geschichte eigentlich ist, so langweilig war mir im Kino. Ich wartete kontinuierlich auf sein nächstes Drogen-High und auf den nächsten Absturz, auf den nächsten Hoffnungsschimmer und den nächsten Holzhammer.
Vielleicht ist es aber auch die Tatsache, dass der Film ein bisschen zu viel von allem hat. Zu viel Achtziger-Flair (ja, es sind die Achtziger, ich habe es verstanden, ohne dass ihr Robert Gwisdek mit einem Rubik’s Cube spielen lasst, danke sehr), zu viele Drogenszenen (ja, die vier Jungs sind drogensüchtig, ich habe es verstanden, ohne alle fünf Minuten eine neue Kiffer-, Pillen- oder Spritzenszene zu sehen) und auch einfach zu viel Max Riemelt…
Traurig aber wahr: Die Download für Lehrer-Option auf der offiziellen Filmseite wird wohl pädagogischer Wunschtraum bleiben, werden doch die Schüler, die zu Aufklärungszwecken mit diesem Film konfrontiert werden, sich über die lustigen Sprüche freuen, die Drogentrips mit Yo, cool
wahrnehmen und den Rest geflissentlich ignorieren.
Ziel verfehlt. Zweieinhalb geklaute Fernseher aber trotzdem, allein aufgrund der Tatsache, dass an diesem schlechten Drehbuch wieder einmal die Realität mitgeschrieben hat.
Dennis
Deine Wertung zum Film/Buch/Ding:
(3 Stimme(n), durchschnittlich: 3,33 von 5)
Kommentare deaktiviert für Lauf um dein Leben – Vom Junkie zum Ironman
21. April 2008
Wenn diese Rezension der Münsteraner Sneak vom 15.4. erst fast eine Woche später erscheint, so liegt das diesmal nicht an den terminlichen Schwierigkeiten, jedenfalls nicht ausschließlich. Ich hatte einfach die Hoffnung, dass ich innerhalb dieser Woche eine Eingebung bekomme, was ich denn eigentlich zu diesem Film schreiben möchte. Die Inspiration ist jedoch ausgeblieben, so dass dies hier vermutlich eine relativ trockene Kritik wird, vor allem im Vergleich zu Patricks begeistertem Bericht zu Control.
Die Story ist schnell erzählt: Lenny Savage leidet an Demens, so dass seine beiden Kinder Wendy und Jon sich um ihn kümmern müssen. Beide hatten seit Jahren keinen Kontakt zu ihrem Vater, bringen ihn aber jetzt in einem Altenpflegeheim in der Nähe ihrer Wohnorte unter. Während sie sich um Lenny kümmern, bekommen sie auch langsam ihr Leben in den Griff.
Oder so ist es zumindest geplant. Mein Eindruck war eher, dass der Film sich völlig vorhersehbar entlang schleppt, ohne dass groß etwas passiert. V.a. die Beziehung zu dem Vater ist mir ein Rätsel: obwohl er sie als Kinder mit seinen Launen tyrannisiert hat und sie keinen Kontakt hatten, scheinen Kinder und Vater sich ziemlich gut zu verstehen, sobald sie sich gezwungen sehen, Zeit miteinander zu verbringen. Zugegeben, keiner der Protagonisten war besonders glücklich, aber ob das als Verständnisgrundlage reicht?
Diejenigen, die bereits einen Trailer für diesen Film gesehen haben, werden ihn möglicherweise interessant gefunden haben, weil der Trailer stellenweise doch recht witzig war. Fallt nicht darauf ‘rein! Die Sprüche, die im Trailer gezeigt werden, machen bereits 90% des Wortwitzes im gesamten Film aus. Und das, obwohl ich die OF gesehen habe. Das war übrigens noch so eine Enttäuschung: da hatte ich Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um noch an Karten für die OF zu kommen, weil uns aus Versehen welche für die deutsche Fassung verkauft worden waren. Und dann kommt ein Film, den man getrost auch in Deutsch hätte sehen können. Der - meiner Ansicht nach - beste Wortwitz steckt bereits im Titel: “savage” heißt “wild, brutal” oder “Wilder”, was zumindest zu Lenny Savage passt. Allerdings soll der Film wohl auch eher ein Drama als eine Komödie sein…
Der Ehrlichkeit halber muss man dem Film allerdings zugestehen, dass er in keiner Weise kitschig ist. Es gibt keine rührende Versöhnung und auch keine wunderbare Romanze. Das ist immerhin auch schon etwas, aber nicht genug, um den Besuch dieses Films wirklich lohnend zumachen. Zwei von fünf Sternen gibt es trotzdem, weil an der schauspielerischen Leistung nichts auszusetzen ist. Und für jemanden, der das Portrait einer kaputten, unglücklichen Familie der amerikanischen Mittelklasse sehen will, die sich mit dem Tod auseinandersetzt, mag es ja wirklich etwas sein…
Anne
Deine Wertung zum Film/Buch/Ding:
(Noch keine Bewertungen)
Links zum Beitrag:
- The Savages bei IMDb
Kommentare deaktiviert für Die Geschwister Savage (The Savages)