Ein sechswöchiger Auslandsaufenthalt ist schon so eine Sache. Man weiß genau, dass man sich in einer der schönsten und spannendsten Städte der Welt befindet, in London übrigens, in der es unglaublich viel Tolles gibt, dass nur darauf wartet, entdeckt zu werden. Warum sollte man sich also am vierten Abend ins gegenüberliegende IMAX-Kino setzen wenn rings um einen herum lauter Musicals und starbesetzte Theaterstücke zu sehen sind? Ganz einfach: Weil es sich bei diesem Film um ein Ereignis von ungeahnter Dimension handelt.
The Dark Knight ist nämlich nicht einfach Christopher Nolans Sequel zu dem großartigen Comicblockbuster Batman Begins, welcher 2005 frischen Wind in das Batman-Franchise brachte, sondern das neue Nonplusultra der actionorientierten Comicverfilmungen, das alles bisher dagewesene in den Schatten stellt.
Gleich zu Beginn einer Rezension so große Töne zu spucken ist eigentlich sonst nicht meine Art, aber im Falle dieses Meisterstücks blieb mir nichts anderes übrig, als meiner absolut uneingeschränkten Begeisterung freien Lauf zu lassen.
Was macht diesen Film also so besonders, wo Kinobesucher doch im 2-Monatsrythmus mit neuen Comicverfilmungen versorgt werden, welche sich alle mehr oder weniger ähnlicher Strickmuster bedienen. Zunächst handelt es sich hierbei, anders als bei Iron Man oder auch Der unglaubliche Hulk um eine Fortsetzung. Das gerade diese Voraussetzung nicht immer ein Garant für einen gelungenen Film darstellt, haben andere Beispiele zahlreich unter Beweis gestellt (Man denke nur an die grauenhaften 90er-Batmanfilme). The Dark Knight zieht aber in diesem Punkt alle Register und versteht sich als Nachfolger von Batman Begins. Das heißt im Klartext, dass der Fokus nicht auf der Einführung und Vorstellung der Charaktere liegt, sondern sich die bereits bekannten Charaktere auf ein Spielbrett ungeahnten Ausmaßes begeben.
Spielführer ist hierbei niemand anderer als der Joker. Über Heath Ledgers Darstellung des legendären Batman-Kontrahenten ist schon viel berichtet worden und mittlerweile geht die Hälfte Hollywoods sogar davon aus, dass ihm postum der Oscar für diese Darbietung verliehen wird. Ich werde mich also diesbezüglich kurzfassen und festhalten, dass Ledger es in dieser letzten Rolle vermocht hat, alle bisher verborgenen Seite seiner Schauspielkunst nach Außen zu kehren und seinen Joker zu einer bösartigen, furchteinflößenden Kreatur werden lässt. Diese Bösartigkeit, die er ausstraht und diese Angst, die er einflösst, vermischt mit einer omnipräsenten Unberechenbarkeit sind die Zutaten, die einerseits den Joker antreiben, andererseits den gesamten Film ins Rollen bringen.
Es gibt einiges zu bestaunen: In den Actionsequenzen inszeniert Nolan so kompromisslos, dass einem so manches Mal der Atem wegbleibt. Der Film vermag es, den Zuschauer für 152 Minuten in die Welt von Gotham City zu entführen. Wie heißt es so schön auf den Kinoplakaten: “Welcome to a world without rules.” So etwas Spektakuläres halt man selten zu Gesicht bekommen. Denn hier bestimmt der Joker die Regeln und alle anderen werden zu Spielfiguren in seiner chaotischen Welt, die nur ihren Zweck erfüllen und hoffen können, zu überleben.
Batman wiederum stellt den Gegenpol dar, der Bewahrer der Ordnung, der Wächter über Gotham, der dunkle Ritter, der auf seinen nächtlichen Streifzügen für Gerechtigkeit sorgt. Aber auch Batman gerät in diesem Film in Konflikte. Wie sehr ist er Batman, wie sehr Bruce Wayne? Kann er Bruce Wayne sein, ohne Batman zu sein? Fragen, die zum Alltag eines Superhelden zwar irgendwann dazugehören, die durch das geniale Drehbuch aber genau die Geltung erlangen, die sie verdienen.
Überhaupt lebt der Film zum großen Teil von seiner überragenden Geschichte und seinen genialen Schauspielern. Er ist bis in die Nebenrollen hochkarätigbesetzt: Christian Bale, Michael Caine, Heath Ledger, Morgan Freeman, Gary Oldman, Aaron Eckhart und Maggie Gyllenhaal geben sich die Ehre. Zur deutschen Fassung kann ich nichts sagen, weil der Film hier natürlich im Original lief.
Der Film brilliert durch zahlreiche Wendungen und immer wenn man denkt, das Gute hat gesiegt, öffnet sich eine weitere Hintertür im Gruselkabinett des Jokers. Dadurch wird eine schier nervenzerfetzende Spannung aufgebaut, gerade wenn der Film auf sein Ende zusteuert.
Insgesamt kann man sagen, dass es sich bei The Dark Knight um die bislang beste Comicverfilmung handelt. Christophers Nolan epochaler Blockbuster, der bereits die 600-Millionen-Dollar-Grenze geknackt hat, ist ein absolut erstklassiger Actionfilm um Verrat, Liebe, Schmerz und Verlust, der mit Sicherheit auf lange Zeit als Spitzenreiter seines Genres gelten wird und der aufgrund seiner mitreißenden Geschichte und seiner hochkarätigen Besetzung nur mit einem Wort beschrieben werden kann: Formvollendet!
Wenn mich nicht alles täuscht, dann kommt dieser Film nächste Woche in der Sneak…”Der Film des Jahres” soll jedenfalls kommen.
Kommentar by Anne — 6. August 2008 @ 17:02
Verdammt, sind denn derzeit alle im Ausland? ;)
Ich hatte eigentlich vor, selbst eine Rezension zu schreiben, da ich ebenfalls in GB bin. Leider zögern meine Mitbewohner das Vorhaben hinaus, indem sie zu beschäftigt sind. Notfalls wird der (nach dieser begeisterten Rezension) allein geschaut.
Kommentar by Nils — 10. August 2008 @ 0:18
Tja, Nils, wir werden ihn wohl auch nicht zusammen sehen können. Er lief nämlich gestern in der Sneak - natürlich auch als OV! Und ganz ehrlich: “Kill the Batman” klingt einfach besser als “Tötet Batman” - weil es eben doppeldeutig ist.
Der Film war schon ganz gut, und es kann sein, dass es wirklich die besten Batman-Verfilmung ist (ich kenne nicht alle anderen). Ich persönlich fand das Ende aber ziemlich unbefriedigend — das mag Geschmacksache sein.
Kommentar by Anne — 13. August 2008 @ 11:07
Ich hatte nie vor Dark Knight in Deutschland zu sehen, Anne. Und wenn, hätte ich schon ein Angebot von meinen alten Kollegen aus Steinfurt, die den Film jetzt leider auch ohne mich sehen.
Nachdem ich den Film gesehen habe, muss ich sagen, dass es definitiv bis dato die beste Comic-Verfilmung ist. Aus meiner Sicht jedoch funktioniert der Film hauptsächlich in den Grenzen des Comic-Genres sowie durch die “Präsenz” des Jokers und der übrigen überzeugenden Figuren.
Außerhalb der Comic-Genre Logik kommen mir jedoch Fragen. Der Joker behauptet er hätte keine Pläne, “I am a dog chasing cars..”, aber gleichsam unterstützt ihn anscheinend ein Heer von fast unsichtbaren Komplizen, die für ihn Bomben legen, LKWs voll Geld transportieren und fein säuberlich zu Pyramiden stapeln etc. Er weiß, wohin ein Transporter bei blockierter Hauptroute fahren wird und an welcher Stelle ein Helikopter per Drahtseil abzufangen ist..
Natürlich ermöglicht es ihm sein Hang zur Anarchie und seine Ziellosigkeit ein Furcht einflößender Gegner zu sein, aber diese Sprunghaftigkeit des Charakters befreit das Drehbuch von einem allzu großem Bedarf an Zusammenhängen. Das verbindende Element besteht lediglich in der Charakter/Beziehungs-Entwicklung, die tatsächlich meist realistisch dargestellt wird.
Ich möchte an dieser Stelle keine Wertung vergeben, da ich vielleicht auf Grund der allgemeinen Begeisterung etwas trotzig geworden bin und das Haar im Suppen-Ozean suche. Dennoch bleibe ich bei meiner Ansicht, dass es sich bei “The Dark Knight” nicht um non-plus-ultra Kino handelt.
Kommentar by Nils — 17. August 2008 @ 0:13
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Pingback by The Dark Knight (USA 2008) « the gaffer — 10. September 2008 @ 0:59