20. November 2007

„Welche Droge passt zu mir?“ von Kai Hensel

Category: Literatur — Patrick @ 21:20

Nein, nicht was ihr jetzt vielleicht denkt, sondern ein Soloabend im doppeltem Sinne: Solo ich, der allein unter Fremden diesem Stück im Theatercafé lauscht. Solo Carola von Seckendorff, die in diesem Stück für eine Person, diesem Monolog, überzeugend und virtuos die Hanna gibt.

Auffordernd und voller Illusionen erzählt sie, 32, IQ 126, Ehefrau und Mutter, gut bürgerlich, von ihrem ersten Drogenkontakt. Eine Ecstasy-Pille hat sie vom Dachdeckerlehrling gekauft und eingeworfen. Frei nach Seneca: “Nur Kleinmütige und Schwächlinge wählen den sicheren Pfad. Der Held geht über den Gipfel.”
Ihr erster Tripp, ein voller Erfolg: Farben und Lichter, Wärme und Liebe für ihren Sohn, Tunnel graben im Badeschaum…
Doch es geht weiter und weiter: Kokain (achtet auf die Nasenschleimhaut), LSD (12-dimensionales String-Multiversum, Entropietod und Protonenstaub)…

Hanna ist intelligent, selbtsbewusst und unabhängig. Was findet sie an Drogen? Hat sie das Tor zur Erkenntnis aufgestoßen? Ist sie gar gottgleich geworden?
Während sie andauernd Seneca zitiert, gibt sie sich dem Verfall preis; macht ihr Leben zum letzten Horrotrip. “Vielleicht ist er [der Fötus] schon abgestroben und verfault gerade in mir.

Erfrischend politisch unkorrekt ist das Stück; voller subtiler Ironie und scharfer Dialektik. Wie Anti-Werbung überzeugt es, und hinterlässt gleichzeitig einen fahlen Nachgeschmack von Nebenwirkungen.
Bis die Worte schließlich deutlich werden, der Schrecken greifbar.

Die stete Wechselwirkung mit dem Publikum wirkt dabei: Gemeinsame ”Übungen”, treffend bissige Kommentare, herumgereichte Bilder, einen Globus aufpusten…
Am Ende ist man bewegt, wenn man sich ihre (und die eigene) Beerdigung vorstellt: Absolute Stille herrscht; wer sich glücklich nennt, verlasse den Raum, fordert sie auf – niemand geht.

Ein grandioses Stück experimentelles Theater, nicht nur über Drogen, sondern über Träume, Wünsche, Liebe und Glücklichsein.
Seneca sagt: “Während man das Leben aufschiebt, geht es vorüber.”

Patrick

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