30. November 2007

Desperado

Category: Literatur — Dennis @ 9:44

Desperado von Peter Klusen ist ein merkwürdiges Theaterstück – in mehr als einem Sinn.
Gestern Abend spielte die Theater-AG des Leibniz-Gymnasiums dieses Stück, das eigentlich gar nicht so viel mit Rassismus und Rechtsextremismus zu tun hatte, wie man zuvor hätte meinen können.

Es geht um Mike, einen Einzelgänger, das sich sein ganzes Leben lang in die Opferrolle hineindrängen lässt. Er wird in der Schule gemobbt, die Eltern sind strikt gegen seine Pläne, KFZ-Mechaniker zu werden, da trifft er plötzlich im Park die Desperados, die ein bisschen pseudo-politsch aber tatsächlich rechtsextrem daher reden. Bei diesen, besonders bei Ratti, mit der er sich schnell anfreundet, fühlt er sich akzeptiert, nimmt schnell ihre Verhaltensmuster an und ersticht kurz darauf einen Klassenkameraden, einen seiner Peiniger, auf einer Party.

Das häufige Vorkommen des Wortes schnell im vorherigen Absatz könnte ein erstes Indiz für ein Problem des Stückes sein. Nach nur etwa vierzig Minuten gab es eine kurze Pause, zwanzig Minuten nach dieser war das Stück vorbei. Alles ging wahnsinnig schnell, so dass Mikes Charakterentwicklung in den Kinderschuhen stecken blieb.
Auch der sprücheklopfende (erschreckende Sprüche, das soll nicht unerwähnt bleiben) Rechtsextremismus der Desperados bleibt leider sehr oberflächlich und plakativ – und mit Mikes Tat hat das Ganze leider auch herzlich wenig zu tun.

Desperado ist ein Stück über Mobbing, über familiäre Probleme, über mangelnde Aufmerksamkeit von Eltern, Lehrern und Freunden und das alles macht das Stück gar nicht so schlecht. Alles andere ist Fassade (bröckelnde, dünne Fassade) und nicht wirklich überzeugend.

Die sehr, sehr jungen Schauspieler machten ihre Sache durchaus gut, wenn auch der Anblick der den-linken-Arm-hebenden, biertrinkenden “Jugendlichen” nicht so erschütternd wie beabsichtigt sondern vielmehr komisch und teilweise leider sogar lächerlich wirkt. Trotzdem war die schauspielerische Leistung überraschend professionell.

Auf das (wie erwähnt sehr kurze) Stück folgte eine Diskussionsrunde mit interessiertem Publikum und Schauspielern. Die an der Diskussion aktiv teilnehmenden Zuschauer schienen zum Großteil pädagogischer oder politischer Natur zu sein, waren die Aussagen doch so lang wie inhaltsleer. Man müsse hinschauen, Zivilcourage zeigen, aufmerksam sein. Natürlich muss man das, doch das Stück wird jetzt nicht unbedingt den großen Denkansatz dazu liefern können. Hinzu kam das obligatorische Schimpfen auf die Medien, die Gesellschaft und die Eltern – alles ein bisschen wie billige Donnerstagabend-Polittalkshow im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, jedoch glücklicherweise ohne Herauswerfen eines Diskutierenden.

Was bleibt ist ein etwas fader Nachgeschmack, der nicht von der politischen Brisanz des Stückes oder dessen unglaublicher Tiefe, sondern vielmehr von der mangelnden Entscheidungsfähigkeit des Autors für ein Thema herrührt. Entweder Mobbing oder Rechtsextremismus – beide Themen sind so groß und umfassend und bieten so viel Potential zur dramatischen Darstellung, dass eine halbgare Mischung aus beidem für ein einzelnes Stück, für einen einzelnen Abend sowie für ein einzelnes Publikum (die Schauspieler nicht zu vergessen) einfach zu viel!

Zwei von fünf Theaterstückseiten für Desperado, drei von fünf für die Schauspieler – die Trennung muss hier leider sein.

Dennis

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