11. Januar 2010

Das Kabinett des Doktor Parnassus (The Imaginarium of Doctor Parnassus)

Category: Film — Dennis @ 14:05

Das Kabinett des Doktor Parnassus (The Imaginarium of Doctor Parnassus) An Mr. Terry Gilliam,
 Hollywood

Hallo Terry,

du glaubst gar nicht, wie ich mich gefreut habe, als ich hörte, dass du einen neuen Film machst. Ich erinnere mich noch genau, damals, als ich dich nur als Teil von Monty Python kannte, diesem Haufen englischer Irrer. Dein Name – und die Tatsache, dass du in Wahrheit Amerikaner bist – wurde mir erstmals bewusst, als ich die Geschichte zur Gesellschaft mit beschränkter Hoffnung (Crimson Permanent Assurance) hörte: Der Kurzfilm, der eigentlich als wenigminütiges Intro zum Sinn des Lebens gedacht war, den du dann aber zu einem sechzehnminütigen Kurzfilm ausbautest, weil niemand dir sagte, du mögest doch bitte aufhören. Das war so surreal, so un-Hollywoodesk, dass ich fasziniert war.

Irgendwann später wurde ich dann nacheinander mit Time Bandits und Brazil konfrontiert. Ja, ich sage absichtlich konfrontiert, weil normalerweise auf irgendeine mysteriöse Weise schon nach den ersten Minuten erkennbar ist, ob ein Film von dir stammt. Time Bandits begann noch relativ harmlos, endete aber auf so bitterbitterböse Art und Weise, dass kein Zweifel mehr bestand. Auch Brazil strotzte nur so vor Gilliamismus, vor Ideen, vor Wahnsinn und vor Chaos, dass es eine wahre Freude war. Gleiches galt für König der Fischer und natürlich den großartigen Twelve Monkeys – auch wieder mit einem bitterbösen Ende.

Gut, über Die Gebrüder Grimm müssen wir jetzt nicht reden, ich weiß, das war ein dunkles Kapitel. Ich glaube zwar nicht an den Gilliam-Fluch, aber irgendwie scheinst du derartige Schwierigkeiten magisch anzuziehen. So ja auch beim wohl krassesten Film deiner Karriere, Tideland, bei dem dir nicht nur das Geld sondern auch das Wetter beinahe zum Verhängnis geworden wäre. Da Gerüchte über diesen Fluch zu konstruieren, ist wohl nicht so weit hergeholt.

So auch jetzt, bei Parnassus. Dass Heath Ledger während der Dreharbeiten gestorben ist, hat wohl alle Welt mitbekommen, aber dass auch der Produzent, Bill Vince, kurz nach den Dreharbeiten starb, ist irgendwie untergegangen. Doch wie ja jetzt alle Welt schreibt, sind die drei Freunde Ledgers, Johnny Depp, Jude Law und Colin Farrell eingesprungen und haben Ledgers Szenen komplettiert.

Ach, jetzt habe ich so viel geschrieben… Dabei wollte ich dir eigentlich nur erzählen, wie ich Parnassus fand. Also zunächst ist das natürlich explizit ein Kino-Film. Ich hatte das Gefühl, dass man dir endlich mal etwas mehr Geld in die Hand gedrückt und weniger Fesseln angelegt hat als bisher. Niedergeschlagen hat sich das insbesondere in sehr wahnsinnigen CGI-Szenen, die ich sehr gelungen fand. Auch Parnassus’ Wagen, mit dem er von Auftrittsort zu Auftrittsort tingelt, hatte einen ganz eigenen Charme, ebenso wie die abgewrackten Londoner Gegenden, durch die er damit streift.

Aber weißt du, was mich gestört hat? Ich hatte das Gefühl, es war einfach ein bisschen zu viel für einen Zweistünder. Zu viel Hintergrundstory, zu viele interessante Charaktere, zu viel Magie. Klar, die Grundzüge sind klar und einfach zu verstehen: Parnassus’ Deal mit dem Teufel (Tom Waits ist übrigens sehr großartig), die Handelsbedingungen und die Probleme, die daraus entstehen. Aber ich hatte jede Minute den Eindruck, dass du unendlich viele Ideen im Kopf hattest, woher die Charaktere kommen, wer sie sind, warum sie tun was sie tun, die leider alle nicht mehr in den Film passten. Mir fehlt einfach zeitweise der Zusammenhang, der Hintergrund, auch wenn ich mich wie früher mit größtem Vergnügen in die Gilliam-Achterbahn setze, um mit atemberaubendem Tempo durch die Story gehetzt zu werden.

Ich hoffe, du hast nichts dagegen, dass ich den Brief jetzt auch auf unserer kleinen Filmseite veröffentliche. Da haben wir so ein ganz primitives System, mit dem wir die Dinge, die wir besprechen, bewerten können. Für Parnassus gebe ich dir dreieinhalb Liliputaner, auch wenn dir das jetzt nicht viel sagt. Ich hoffe auf den Neuanfang von Don Quixote. Lass dir Zeit, lass’ dir nicht ‘reinreden, mach dein Ding und ich bin mir sicher, zumindest mir wird er gefallen.

Danke.

Dennis

Deine Wertung zum Film/Buch/Ding:
MiesNajaDurchschnittlichZiemlich gutGrandios! (1 Stimme(n), durchschnittlich: 3,00 von 5)
Links zum Beitrag:
Doktor Parnassus bei imdb
(Unvollständige) Liste zum "Gilliam Curse"
5. Januar 2010

Die besten Alben des Jahres 2009

Category: Musik — Terje @ 20:27

Das alte Jahr ist seit nunmehr 5 Tagen vorbei und mit dieser leichten Verspätung trudelt nun auch hier in der Sneakcast-Redaktion meine unvermeidliche musikalische Jahresliste ein. Vorab ein paar lobende Worte: 2009, das war musikalisch gesehen ein fantastisches Jahr! So viele Bands haben sich dieses Jahr ins Zeug gelegt und nicht wenige haben die besten Alben ihrer Karriere abgeliefert. Dies vorweg gesagt möchte ich nun kurz an die besten Alben des Jahres 2008 erinnern:

1. Jack’s Mannequin: The glass passenger
2. The Offspring: Rise and fall, rage and grace
3. The Gaslight Anthem: The ‘59 sound
4. Panic at the Disco: Pretty. Odd.
5. Cute Is What We Aim For: Rotation
6. Feeder: Silent cry
7. Goldfinger: Hello destiny…
8. Simple Plan: Simple Plan
9. Tomte: Heureka
10. Rosenstolz: Die Suche geht weiter

Nach diesem kurzen Rückblick möchte ich auf eine Neueung bei der Bewertung hinweisen. Die diesjährige Top Ten wurde anhand der Durchschnittsqualität der hier aufgeführten Alben gebildet. Diese beruht auf der einzelnen Trackbewertung. Wenn also ein Album 10 Stücke enthält und jedes Stück mit 1 bis 5 Punkten bewertet wird, kann dieses Album maximal 50 Punkte erhalten. Diese Punktzahl geteilt durch die Anzahl der Tracks ergibt die Durchschnittqualität des Albums. Die Angabe über die Gesamtbewertung findet sich jeweils in Klammern hinter dem Namen des Albums.

10. All Time Low - Nothing personal (4,00 von 5 Punkten)
Ungeniert fröhlich, geradeaus frontal abrockender Pop-Punk in Reinstform. So knapp und präzise lässt sich das dritte Studioalbum der Band aus Baltimore, Maryland, am besten beschreiben. Mit dieser Scheibe erlebte die Formation im Sommer in den Staaten ihren kommerziellen Durchbruch und findet mittlerweile auch in Europa immer mehr Anhänger. Anspieltipps: “Weightless”, “Damned If I do ya, damned if I don’t”

9. Meg & Dia: Here, here and here (4,08 von 5 Punkten)
Diese sommertaugliche Scheibe stellt den gelungenen Majorlabel-Ausflug der Frauenrockband Meg & Dia dar. Mit genau der richtigen Mischung aus knackig-charmanten Poprocksongs und verträumten Balladen entern die Mädels (und Jungs) in diesem Jahr Platz 9. Anspieltipps: “What if”, “Bored of your love”, “One sail”

8. The Fray: The Fray (4,10 von 5 Punkten)
Freunde der melancholischen Pianomusik erlebten im vergangenen Februar ihr musikalisches Jahreshighlight. Das zweite Studioalbum von The Fray aus Denver, Colorado, stellte den Vorgänger in den Schatten und bot ausgefeiltere Songs mit mehr Abwechslung. Isaac Hayes’ Gesang ist und bleibt ein Hochgenuss. Anspieltipps: “Syndicate”, “You found me”, Never say never”

7. Placebo: Battle for the sun (4,23 von 5 Punkten)
Eine Band die in Insiderkreisen eher als Kunstobjekt denn als Musikgruppe verstanden wird, kredenzte im Juni ein Album welches meiner Ansicht nach das beste ihrer Karriere darstellt. Battle for the sun ist ein kraftvolles Rockbrett, welches vor unvergesslichen Melodien nur so strotzt. Nur live übertreffen sie das hier auf CD gebannte. Anspieltipps: “Battle for the sun”, “The never-ending why”, “Bright lights”

6. AFI: Crash love (4,25 von 5 Punkten)
Auch AFI haben sich in diesem Jahr ordentlich ins Zeug gelegt, um den Vorgänger (Decemberunderground, 2006) zu übertreffen. Urteil: Mission gelungen! Crash love ist ein fantastisches Album für die Dauerrotation, welches Rock, Pop, genialen Gesang und anspruchsvolle Texte wirkungsvoll miteinander kombiniert. Anspieltipps: “Beautiful thieves”, “Veronica Sawyer smokes”, “Medicate”

5. Green Day: 21st century breakdown” (4,27 von 5 Punkten)
Das langerwartete achte Studioalbum von Green Day enttäuschte auch nicht. Es knüpfte dort an, wo American idiot aufgehört hat und enthielt viele Knaller. Für einen höheren Platz hätte unter den 18 Stücken aber noch mehr Innovatives sein müssen. Anspieltipps: “Viva la Gloria”, “Peacemaker”, “21 guns”

4. Dredg: The pariah, the parrot, the delusion (4,28 von 5 Punten)
Die kalifornische Formation Dredg veröffentlichte im Mai ihr viertes Studioalbum. Bei diesem Konzeptalbum wurde eine Aneinanderreihung von brillianten Midtemposongs durch stimmungsvolle Interludien unterbrochen, sodass diese Platte eine magische Eigendynamik entwickelte, der man sich nicht mehr entziehen konnte. Anspieltipps: “Information”, “Saviour”, “I don’t know”

3. Taylor Swift: Fearless (4,38 von 5 Punkten)
Streng genommen im November 2008 veröffentlicht, schaffte es Taylor Swift dennoch in meine Jahresliste für 2009, unter anderem, weil ich dieses Album auch erst nach dem Abschluss der letzten Jahreliste entdeckte. Es enthält zauberhaften Country-Pop mit zahlreichen Ohrwürmern, perfekt produziert und absolut ansteckend. Anspieltipps: “Love story”, “White horse”, “Tell me why”

2. 30 Seconds to Mars: This is war (4,45 von 5 Punkten)
Dieses brilliante Nachfolgealbum zu A beautiful lie (2005) ist eine Offenbarung, welche 30STM um ein Haar an die Spitze der Jahresliste katapultiert hätte. Die Richtung, welche die Band auf diesem Album einschlagen ist genau so konservativ wie nötig und genau so innovativ wie erwünscht, sodass This is war mit dem Vorgängeralbum auf Augenhöre steht. Anspieltipps: “Kings and queens”, “This is war”, Closer to the edge”

1. Paramore: Brand new eyes (4,54 von 5 Punkten)
Die unangefochtene Krone geht dieses Jahr an… Paramore! Nach ihrem Meilenstein Riot! aus dem Jahr 2007, gelang ihnen mit dem im September veröffentlichten dritten Album der ganz große Wurf: Ein perfekt ausbalanciertes, wildes/ungestümes und emotional/hauchzartes Rockalbum der Extraklasse. Vokalistin Hayley Williams, begleitet von ihren Bandkollegen, erreicht hier ungeahnte Höhen, welche ohne Untertreibung die einpräsamsten musikalischen Momente des Jahres darstellen. Dabei funktioniert der Longplayer über die gesamte Spielzeit in jeder Stimmung. Fazit: Hervorragend! Anspieltipps: “Ignorance”, “Playing god”, Brick by boring brick”, “Looking up”, Where the lines overlap”, “Misguided ghosts”

Diesen Artikel möchte ich mit der Vergabe der Pokale abschließen:

Die Silber-Pokale geht an:
AFI für Decemberundergrund (2006) & Crash love (2009)
Green Day für American idiot (2004) & 21st century breakdown (2009)
Paramore für Riot! (2007) & Brand new eyes (2009)

In diesem Jahr werden keine Gold-Pokale vergeben!

Ein Sommer in New York – The Visitor

Category: Bochum,Film,Sneak — Terje @ 18:52

Die erste Sneak des Jahres 2010 kredenzte dem Bochumer Sneakpublikum mal wieder einen echten Programmkinofilm, welcher sich fernab von ausgetretenen Hollywood-Pfaden bewegte. Das kleine, stille Kammerstück “Ein Sommer in New York” stellt den Universitätsprofessor Walter Vale (Richard Jenkins) in den Mittelpunkt, welcher nach dem Tod seiner Ehefrau mehr und mehr in die soziale Isolation entgleitet. Als er nach New York fährt um dort auf einer Konferenz einen Aufsatz zu präsentieren, erlebt er beim Betreten seiner Wohnung eine Überraschung: Diese wird nämlich von zwei illegalen Einwanderern bewohnt, dem Pärchen Tarek und Zeinab. Nachdem Walter sich dazu durchringt, die beiden weiterhin bei ihm wohnen zu lassen, beginnt für ihn ein Heilungsprozess. Durch Tareks ansteckende Leidenschaft für Trommelmusik erwächst eine Männerfreundschaft, die nicht nur die kulturellen Unterschiede überwindet, sondern auch Walter wieder ins Leben zurückholt. Damit ist die erste Hälfte des Films ein herzerwärmendes Unterfangen, welches stellenweise in ein Feelgood-Movie abgleitet. Doch dann wird Tarek von seiner Vergangenheit eingeholt, aufgrund eines Missverständnisses verhaftet und schließlich in Untersuchungshaft gebracht. Die zweite Hälfte des Films beschäftigt sich mit der Unfähigkeit von Tareks Angehörigen (u. a. seiner Mutter) mit ihm in Kontakt zu treten und den Bedingungen unter denen Einwanderer in den USA zu leiden haben. Dabei bleibt der Fokus jedoch stets bei Walter, welcher beginnt sich für Tareks Mutter zu interessieren. Am Ende bleibt die Liebe der beiden nur eine romantische Illusion und Walter führt, nachdem Tarek endgültig abgeschoben wurde, den bescheidenen Traum der beiden zu Ende: Einmal in der New Yorker-Ubahn zu trommeln.
Eine pauschale Bewertung des Filmes fällt zunächst nicht leicht: Es ist ein relativ einfach gestrickter Film, welcher zum Großteil von seinen sympathischen Charakteren lebt. Er bewegt sich fernab des Mainstream, weil er sich einem schwierigen Thema in leichtfüßiger Art und Weise nähert. Jedoch schlägt der Film im zweiten Teil nicht immer den richtigen Ton an, sodass es zu dramatisch-unrealistischen Überzeichnungen kommt. Das Drama wird immer unvermeidlicher, was auch dem Zuschauer bewusst wird. Nichtsdestotrotz hat der Film (gerade in der ersten Hälfte) überzeugt, weswegen er auch locker 3 von 5 Trommeln verdient hat.
Deine Wertung zum Film/Buch/Ding:
MiesNajaDurchschnittlichZiemlich gutGrandios! (1 Stimme(n), durchschnittlich: 3,00 von 5)