19. April 2008

Kettcar – Sylt

Category: Musik — Terje @ 1:03

Sylt

Gestern, am 18. April 2008, erschien nach 3 Jahren, einem Monat und elf Tagen das lang erwartete dritte Album “Sylt” der Band Kettcar vom Hamburger Independent-Label Grand Hotel van Cleef. Aus diesem Anlass habe ich mich entschlossen, das lange Schweigen zu brechen, und endlich mal wieder einen Beitrag zu der netten Internetseite Sneakcast.de zu leisten. Eins vorweg: Ich lese unglaublich viele Rezensionen zu den verschiedensten Alben. Ich hätte es mir einfach machen können, das Album eine Woche rotieren lassen können, um es dann in den Himmel zu loben. Weil es sich bei “Sylt” aber um ein besonderes Album handelt, habe ich mich dazu entschlossen, einen anderen Weg zu wählen.

Ich habe die Platte aufgelegt und während des ersten Anhörens (wirklich das Erste, versprochen) spontane Notizen zu den 12 Songs festgehalten. Diese spiegeln nicht meine entgültige Meinung über das Album wieder, doch sie vermitteln einen Eindruck, womit man es zu tun bekommt.

01. Graceland

Typischer Kettcar-Song und gleichzeitig die erste Single. Guter Einstieg in die neue Platte. Refrain mit Ecken und Kanten, wie von Kettcar gewohnt, zum Ende hin immer besser.

02. Nullsummenspiel

Witziges Intro, macht Lust auf mehr. Einer der schnelleren Songs, ähnlich wie “Ausgetrunken”, aber nicht ganz so fetziger Refrain. Hat das Potential zum “Grower”.
“Am Ende steht immer die Null.” Was das wohl heißen mag?

03. Am Tisch

Akustischer Song. Zur Hälfte von Marcus Wiebusch, zur Hälfte von Niels Frevert (Schönes neues Album!) gesungen. Typisch befindlichkeitsfixierter Kettcar-Text, von der äußerst nachdenklichen, selbstzweifelnden Seite. Klingt wie ein Stück neuentdeckte Melancholie. Als der Song am Mittwoch Abend aus Einslive im Plan B lief, hat er mich richtig ergriffen. Vor allem aber auch, weil ich vor gut drei Jahren in der selben Sendung (damals “Heimatkult”) das erste Mal einen Kettcar-Song gehört habe (“Anders als gedacht”). Ihr seht, da kommt viel zusammen.

04. Kein Aussen mehr

Treibendes Schlagzeug. Griffige Gitarre, klare Struktur. Sozusagen Kettcar-Kompakt. Trotzdem ist der Song zunächst schwer zugänglich, von Kettcar ist man häufige Wiederholungen nicht gewohnt. “Es gibt kein Aussen mehr, kein drinnen und draußen mehr.” Immer und immer wieder.

05. Wir müssen das nicht tun

Spannender Aufbau, viele Zäsuren. Wenn man durchsteigt, was Marcus eigentlich meint, ist es bestimmt ein toller Song, hier stößt der Versuch einer direkten Bewertung zum ersten Mal an seine Grenzen. Man muss das Album wohl öfter hören, damit es sich einem erschließt, obwohl ich nicht glaube, “Von Spatzen und Tauben…” vollständig begriffen zu haben.

06. Fake for real

Düstere Bilder bestimmen den Song. Hat einen bedrohlichen Charakter, auch von der Musik her. Mit der dunklen Seite von Kettcar muss man sich erst arrangieren, denn sie war noch nie so präsent wie hier. Zum Ende atmosphärischer Umschwung zum Akustischen.

07. Geringfügig, befristet, raus

Soll jetzt keine Abwertung darstellen, aber mit solchen Songs sichern sich Kettcar ihre Hörerschaft bei den Studenten (zu denen ich ja schließlich auch gehöre). Viele Trademarks der Band in knackig-charmanter Verpackung. Eine positive Nummer, die auf Anhieb heraussticht.

08. Agnostik für Anfänger

Völlig anderer Rhytmus als auf dem Rest der CD. Kein Refrain im eigentlichen Sinn, alles fließt in einander. Muss man wohl öfter hören.

09. Verraten

Erinnert zunächst an “Die Ausfahrt zum Haus deiner Eltern”. Doch der Schein trügt. Die Strophe wird von Piano und Schlagzeug sowie denzenter Gitarre getragen, dazu haucht Marcus die Worte zart ins Mikro. Später bricht der Song regelrecht aus. Gegen Ende vernehme ich zum ersten Mal Streicher, wunderschön aufgebauter Song, von dem ich mir den Text auf jeden Fall noch zu Gemüte führen muss.

10. Dunkel

Treibender Rhytmus, ganze Arbeit am Schlagzeug. Leichte Synthie-Spielereien, wie auch schon zuvor. Hätte theoretisch auch ein älterer Kettcar- oder später But Alive-Song sein können.

11. Würde

Hier nehmen sie zum ersten Mal die großen “Landungsbrücken raus”-Pose ein, die Ihnen so unglaublich gut steht. Der Refrain ist absolut mitreißend, direkt beim ersten Mal. Bei diesem Stück nehmen sie sich auch Zeit für instrumentale Ausschweifungen, von denen man auf einmal denkt, dass sie schon immer so ein wichtiger Bestandteil ihrer Musik waren (z.B. Intro von “Landungsbrücken”, Bridge von “Tränengas…”). Die Zeit, die sich Kettcar nehmen, um dieses Stück voll auszukosten entspricht demselben Gespür, dass sie zuletzt bei “Nacht” an den Tag gelegt haben.

12. Wir werden nie enttäuscht werden

Es folgt nach dem großen Aufbäumen der unweigerliche Rausschmeißer. Man lauscht gebannt den Lyrics und wartet, “bis es endlich losgeht”. Als es soweit ist kehren sie zu Ihren Punk-Wurzeln zurück und lassen es richtig krachen.

FAZIT: Es war auf jeden Fall ein interessantes Experiment. Ob sich “Sylt” von Kettcar für diese Art von Feedback eignet, sei dahingestellt. Fakt ist, dass ich mich während der 43 Minuten und 45 Sekunden kein Stück gelangweilt habe und ich somit aufatmen kann.

Kettcar haben ein neues Album. Punkt.
Und es ist gut. Ausrufezeichen!

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1 Kommentar

  1. Ich habe das Album bis jetzt zweimal gehört — einmal “nebenher” bei der Literaturrecherche auf krächzenden Laptoplautsprechern und einmal mit ungeteilter Aufmerksamkeit auf guten Kopfhörern.

    Und ich muss sagen: Wow! Gefällt mir durch und durch.

    Kommentar by Patrick — 3. Mai 2008 @ 22:49

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