2. Juni 2008

Shakespeare in the Park: Twelfth Night

Category: Kunst,Literatur — Patrick @ 6:32

Die studentische “Shakespeare in the Park”-Produktion Twelfth Night von Beth Wynstra (Isla Vista Arts) möchte das volksnahe Theatererlebnis aus dem 17. Jahrhundert in die Neuzeit verfrachten. Was liegt da näher, als die Aufführung unter freien Himmel in einen Park zu verlegen und das Publikum, das sich im Gras lümmelt, bereits im Programmheft mit folgenden Worten zu ausgelassenem, lautem und rüpelhaftem Verhalten zu animieren:

“In Shakespeare’s day [sic] theater was more like football than art. The spectators were loud and rowdy. We want to make this experience as close to the original as possible… so be loud and rowdy.”

Doch bevor das Stück beginnt, muss das Publikum auch tatsächlich in die vom Programmheft geforderte Stimmung gebracht werden. Dies geschieht mittels eines einfachen Spiels:

“When I say ‘thing’, you say ‘PENIS’. Thing — PENIS! — Thing — …
When I say ‘nothing’, you say ‘VAGINA’. Nothing — VAGINA! — Nothing …
When I say …”

Erstaunlich, wie das Publikum — größtenteils Studenten — diese Worte immer und immer wieder aus voller Kehle mit Inbrunst und Genuss herausschreit, als wären sie sonst verboten und dürften im Alltag niemals ihren Lippen entweichen. Vermutlich ist auch das ein Teil von Amerika. Genau wie der kostenlos vor der Aufführung angebotene Kaffee und Kakao; letzterer als Instant-Pulver mit Mini-Marshmallows zum selbst aufbrühen — einfach nur skurril. Die Stimmung aber dürfte ganz in Shakespeares Sinne gewesen sein.

Was die sieben studentischen Schauspieler dann als Twelfth Night unter Regie von Jason Narvy auf der Bühne und mitten im Publikum zum Besten gaben, war unterhaltsam, kurzweilig und… kurz. Letzteres überrascht kaum, war das Spektakel doch als “Shakespeare in nur einer Stunde” angekündigt worden. Auch wenn es statt 60 letztlich ganze 75 Minuten wurden, gewährt diese Einstellung einen tiefen Einblick in das amerikanische Selbstverständnis. Sich als Student zwei oder gar drei Stunden Theater am Stück anzusehen ist so absurd, dass man gar nicht daran denken mag.

Alles in allem war die Aufführung — gerade durch das mitmachende Publikum — wirklich ein Erlebnis. Leider wurde das harte nachmittägliche Sonnenlicht dem Mienenspiel der Darsteller nicht gerecht und viele der zahlreichen obszönen Anspielungen und lüsternen Konfrontationen des Stücks wirkten wenig glaubhaft, weil die Schauspieler nicht breit waren, gewisse Grenzen zu überschreiten. Verständlich, aber dennoch schade.

Patrick

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2 Comments

  1. Ach man, das hätte ich ja so gerne gesehen! “Twelfth Night” finde ich sowieso schon super, und dann noch Open Air, im Gras, mit Kakao…

    Aber willst du wirklich sagen, dass lange Theaterstücke in Amerika nicht ankommen? Was ist mit “Faust” oder Wagner-Opern? Der Ring ist dann ja doch etwas länger…

    Kommentar by Anne — 2. Juni 2008 @ 11:45

  2. Man kann das natürlich nicht pauschalisieren. Die Weltlasse-Produktionen der Metropolitan Opera (gab’s übrigens einige als HD-live-Übertragung im Cineplex Münster) zeichnen sich durch absolut alles nur nicht durch Kürze aus und genießen (trotzdem) höchstes Ansehen.

    Dennoch beobachte ich hier einen geradezu ausufernden Trend, alles so schnell wie möglich hinter sich zu bringen — angenehme Dinge eingeschlossen!
    Obendrein haben viele Leute, die ich hier sehe, Probleme sich länger als eine Stunde auf ein und die selbe Sache zu konzentrieren. Ob’s am Dauerfeuer des ständig wechselnden Fernsehprogramms liegt? — Keine Ahnung.
    Wenn man aber beispielsweise “ganz normale” Leute im Kino nach 100 Minuten Film ohne Werbeunterbrechung beobachtet, stellt man fest, dass sie bereits abgeschaltet haben und hibbelig auf “das Nächste” warten. Vielleicht ein Grund, warum sie bei Beginn des Abspanns fluchtartig das Kino verlassen, als würde es sie sonst ihr Leben kosten.

    Traurig aber wahr, ich kann mir viele Leute hier nicht vorstellen, wie sie eine dreistündige Theaterproduktion ohne gesitige Höllenqualen überstehen…

    Kommentar by Patrick — 3. Juni 2008 @ 18:08

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