6. Oktober 2008

Der Baader Meinhof Komplex

Category: Film — Terje @ 17:51

Der Baader Meinhof Komplex

Filme, die die Aufarbeitung von historischen Ereignissen thematisieren sind eine problematische Angelegenheit. Zahlreiche Beispiele der jüngeren Kinogeschichte (z.B. Goodbye Lenin, Der Untergang, Sophie Scholl) stellen unter Beweis, dass es gerade in Deutschland nach wie vor großes Interesse an historischen Stoffen gibt, und im Falle des Stasi-Dramas Das Leben der Anderen, dass deutsche Kinoproduktionen auch international Aufsehen erregen können.

Das weiß auch Bernd Eichinger, der vielleicht erfolgreichste deutsche Filmproduzent, weshalb sein neuestes Werk, dass unter der Regie von Uli Edel entstand, die Geschichte der RAF in den Mittelpunkt stellt. Im Vorfeld ist viel über den Film diskutiert worden und die positive und negative Kritik lieferten sich ein heißes Duell, ob der Film nun gut, vertretbar oder unzumutbar sei. Muss man im Jahr 2008 einen Film präsentieren, der den Mythos der Terrororganisation zum gefühlten 100sten Mal wieder aufleben lässt?

Im Falle von Der Baader Meinhof Komplex heißt die Antwort definitiv: ja, man sollte nicht nur, man muss. Vielleicht liegt es daran, dass ich bislang mit dem Thema der RAF nicht besonders ausführlich in Berührung gekommen bin, aber meiner Ansicht nach stellt der Film eine Speerspitze der jüngeren deutschen Kinogeschichte dar. Das liegt unten anderem an der phänomenalen Besetzung. Bernd Eichinger trommelte für sein Epos das Who is who der deutschen Schauspieler zusammen: Moritz Bleibtreu, Martina Gedeck, Johanna Wokalek, Heino Ferch, Tom Schilling, Nadja Uhl, Jan Josef Liefers, Alexandra Maria Lara und Bruno Ganz. Demnach ist der Film bis in die Nebenrollen hochkarätig besetzt. Neben dem Casting besticht vor allem die Ausstattung des Film durch arkribische Genauigkeit. Mit viel Liebe zum Detail wurde die Ära 1967-1977 für den Film zum Leben erweckt: Die Darsteller tragen entsprechende Klamotten, sie fahren entsprechende Autos, ihre Wohnungen sind entsprechend eingerichtet. Außerdem tragen sämtlichen Polizisten historische Uniformen. Gerade bei einer Demonstration am Anfang des Films ist der Realitätsgrad, den diese Bilder erreichen geradezu erschreckend. Ich selbst hatte einige Male das Gefühl, direkt dabei zu sein, was bei mir sehr selten vorkommt.

Der Film verharmlost die RAF nicht. Ja, es stimmt, dass er keine Bewertung über die terroristichen Aktivitäten der Gruppe liefert. Ja, es stimmt, dass man sich zu Beginn mit den Akteuren der Bewegung identifizieren kann. Aber die große Stärke des Films besteht darin, wie der Zuschauer nach und nach die Verbindung zu Baader, Meinhof, Ensslin und Raspe verliert. Meiner Meinung nach hat der Film eine offensichtliche und plakative Aussage über die Schlechtheit und Gefährlichkeit der RAF nicht nötig, weil er seine Aussage auf einer subtileren Ebene erreicht. Das Nachvollziehen der Gedankengänge der Terroristen geht soweit, bis man erkennt, dass sie selber nicht mehr wissen, wofür sie eigentlich kämpfen. Darin besteht eine gewisse Gefahr, weshalb ich die Altersfreigabe der FSK (ab 12) etwas bedenklich finde. Hinzu kommt, dass die Gewaltdarstellungen stellenweise explizit sind. Auf Protestanten wird eingeschlagen und -getreten. Die Erschießungen werden aus nächster Nähe gezeigt. Hier wäre eine Freigabe ab 16 Jahren angemessen gewesen.

Abschließend lässt sich festhalten, dass Der Baader Meinhof Komplex eine gelungene Aufarbeitung des Themas RAF darstellt. Dies lässt sich jedoch nicht absolut setzen, da der Film eine Menge Hintergrundwissen voraussetzt und manche Charaktere nicht ausreichend vorstellt. Nichtsdestotrotz regt der Film zum Nachdenken an und ich möchte ihn jedem historisch interessierten Kinobesucher ans Herz legen, denn er zeigt eines der dunkelsten Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte mit einer Präzision, dass es einem das ein oder andere Mal kalt den Rücken herunterläuft.

Terje

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3 Comments

  1. Wieso schlagen die denn auf Protestanten ein? Das war doch kein religiöser Konflikt! Meintest du Demonstranten oder Protestierende?

    Kommentar by Anne — 8. Oktober 2008 @ 11:30

  2. Wenn man soviel über das frühneuzeitliche England liest und gleichzeitig einen Film über die BRD in den Siebzigern rezensiert, kann schonmal einiges durcheinandergehen…

    Kommentar by Terje — 8. Oktober 2008 @ 14:37

  3. Wenn man soviel über das frühneuzeitliche England liest und gleichzeitig einen Film über die BRD in den Siebzigern rezensiert, kann schonmal einiges durcheinandergehen…!!!

    Kommentar by Anja — 28. Oktober 2008 @ 20:47

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