Es ist ja schon – trotz aller Kommerz-Gedanken – ein schönes Ritual. Nachdem es ja nun schon keine neuen Bücher mehr gibt, kommt wenigstens alle Jahre wieder ein neuer Harry Potter-Film in die Kinos. Und egal, wie man zum Potter-Universum oder zum Hype um ein paar mehr oder minder talentierte Jungschauspieler in großer Special Effects-Kulisse steht – entziehen kann man sich dem Spektakel nicht.
Und so ist es wieder so weit: Harry Potter und der Halbblutprinz läuft seit dieser Woche in den Kinos und ich war, zugegebenermaßen, skeptisch. Der Brite David Yates war ja schon zum Orden des Phoenix berufen worden und hatte diesen gehörig in den Sand gesetzt. Die Stimmung war düster, gut und schön, aber vielleicht war es auch zu viel verlangt, aus dem schwächsten (und längsten) Buch der Potter-Heptalogie einen guten Film zu zaubern. Wie auch immer: Diesen Regisseur direkt für die verbleibenden Filme zu engagieren hielt ich bestenfalls für gewagt!
Doch wie ist er nun, der neue Potter? Düster, groß und ziemlich, ziemlich gut. Yates hat, wie schon beim vorherigen Teil, die Geschichte gehörig auseinandergerissen, durchgemischt, hier und da ein wenig Neues hinzugefügt und das Ganze dann einem klebrigen Gumbo gleich auf Film gebannt. Doch hier hat er im Gegensatz zum Vorgänger einen Vorteil: Es gibt eine Story!
Das Ganze in Kürze: Harry (Daniel Radcliffe) beginnt sein sechstes Jahr in Hogwarts, während in der Welt rund um ihn herum die Schergen Voldemorts Angst und Terror verbreiten. Harrys Erzfeind Malfoy (Tom Felton) bekommt einen mysteriösen Auftrag, genau wie Harry, der von Dumbledore (Michael Gambon) zunächst auf den neuen Lehrer Professor Slughorn (großartig: Jim Broadbent, zum Beispiel aus Hot Fuzz) angesetzt wird und später mit ihm auf die Suche nach mysteriösen Artefakten geht.
Viel Geschichte steckt in diesem Buch – doch der Film wählt einen etwas anderen Weg. Von der Vorgeschichte Voldemorts, früher noch Tom Riddle, bleibt wenig übrig, auch der neuerliche Aufstieg Voldemorts wird weniger durch Gerüchte und Geschichten als durch handfeste (neue) Actionszenen dargestellt. Beides funktioniert jedoch im Filmkontext sehr gut und die neuen Szenen können sich durchaus sehen lassen. Auch haben Yates und Autor Steve Kloves, der schon seit dem ersten Teil dabei ist, den Vorteil, nun bis zum Ende der Geschichte denken zu können. So fanden einige schöne Details ihren Weg in den Film, die Kenner der zukünftigen Ereignisse zu einem erfreuten Grinsen verleiten.
Visuell hat Yates eindeutig an der Qualitätsschraube gedreht. Gab es im letzten Film noch Einstellungen und Schnitte, die einfach nur peinlich schienen (siehe meine Rezension zum Orden des Phoenix), spielt der Film nun viel mit Licht und Schatten, lenkt unsere Aufmerksamkeit auf den Punkt, an dem die Handlung geschieht, schickt unsere Augen dann aber clever auf die Reise und lässt uns die anderen Charaktere in der Einstellung erkennen, die aber schon die ganze Zeit da waren.
Selbst das Quidditch-Spiel, gerade in den ersten Teilen immer wieder Quell der Belustigung über physikalisch leicht inkorrekte CGI-Spieler, sieht wirklich, wirklich gut aus, ist gut und routiniert gefilmt und macht einfach Spaß!
Auch hat man endlich John Williams den Soundtrack aus den Fingern gerissen. Nicholas Hooper hatte zwar schon den letzten Potter-Streifen übernommen, doch diesmal fällt er mir tatsächlich positiv auf. Nachdem John Williams ja besonders für seine großartigen Themen bekannt ist (Star Wars, Jurassic Park, Indiana Jones und Superman, um nur die vielleicht größten zu nennen), dann aber häufig doch nur mittelmäßig Abwechslung aus diesen herausholt, hält sich Hooper angenehm zurück, lässt den Soundtrack abgesehen von den offensichtlichen Szenen (beim wirklich gut aussehenden Quittitch-Spiel beispielsweise) dezent im Hintergrund wirken und trägt so enorm zum Spannungsaufbau bei.
Wie schon gesagt, ich bezweifle die schauspielerische Eignung der Hauptcharaktere, besonders die des Herrn Radcliffe. Gut, dass dieser Film nicht wie zuvor eine Potter-Show ist, in der er in jeder Szene im Mittelpunkt stehen muss. So haben endlich die anderen Rollen, insbesondere die “Bösen”, Snape und Malfoy, Raum, ihren Charakter auszuleben. Und auch dem Herrn Radcliffe scheint der selbstsichere Potter unter dem Einfluss des “Felix Felicis”, eines Tranks, der dem Verwender für einige Zeit alles gelingen lässt, besser zu liegen als der “normale”. Plötzlich wirkt er wirklich überzeugend und der werte Zuschauer fragt sich, warum es denn nicht immer so sein könnte…
Kommen wir zur Punktevergabe. Müsste ich den neuen Potter auf Basis des letzten bewerten, fünf Sternchen wären wohl nicht genug! Hier macht das Potter-Gucken wieder Spaß und ich freue mich nun ehrlich auf die verbliebenen zwei Teile (wobei ich die Aufteilung immernoch für eine riesige Marketing-Schweinerei halte). Selbst die drei gackernden Sumpfhühner, die neben uns im Kino saßen, konnten mir den Film nicht vermiesen – ein gutes Zeichen!
Vier von fünf Zauberstäben (da bleibe ich mir treu) für Harry Potter und der Halbblutprinz.
Dennis
“…entziehen kann man sich dem Spektakel nicht.”
Doch! ;-)
Kommentar by Martin — 18. Juli 2009 @ 19:09
Aber nur, wenn du kein Radio mehr hörst, kein Fernsehen mehr schaust und dein DSL-Modem aus der Steckdose ziehst ;o)
Kommentar by Dennis — 19. Juli 2009 @ 11:16
Ich bin mal gespannt.
Kommentar by Terje — 19. Juli 2009 @ 14:26
Hab’ ihn jetzt auch gesehen - auf Englisch mit norwegischen Untertiteln, in einem runden Kino mit dem passenden Namen “Colosseum”.
Ich kann Dennis’ Enthusiasmus nicht ganz teilen. Manche der Neuerungen und hinzugedichteten Szenen sind mir einfach zu plump, und ich finde, dass viel von der düsteren Atmosphäre in Hogwarts verlorengegangen ist, weil der Hintergrund aus der Zaubererwelt fehlt. Das Ende des Films war für meinen Geschmack nicht dramatisch genug - da war das Buch eindeutig besser.
Ich fand den fünften Film übrigens gut gelungen, v. a. angesichts der schwachen Vorlage.
Kommentar by Anne — 22. Juli 2009 @ 14:00
Schließe mich Annes Urteil an. Hab das Buch nicht gelesen und hatte deshalb mir argen Verständnisproblemen zu kämpfen. Visuelle Umsetzung dennoch top!
Kommentar by Terje — 31. Juli 2009 @ 1:02
Habe ihn am Wochenende noch einmal gesehen und bleibe bei meinen fünf Zauberstäben… Selbst ohne die Beerdigungsszene am Schluss, die zwar im Buch grandios funktionierte und die Erwartungen für Teil sieben noch einmal ins Unermessliche schürte, für mich eine runde Sache.
Kommentar by Dennis — 6. August 2009 @ 13:36