23. August 2009

Inglourious Basterds

Category: Film — Dennis @ 14:37

Inglourious Basterds Hach, Tarantino-Filme sind irgendwie immer ein Erlebnis, oder? Ob man seinen Stil mag oder ihn hasst, irgendwie sind seine Filme anders als das, was man sonst im Kino erwartet. Nun ist also mit großem PR-Gewummer Inglourious Basterds in den Lichtspielhäusern der Welt gelandet. Und, wie ist er so? Mit einem Wort: Wuchtig!

Kurz zur Ramenhandlung: Europa zur Zeit des dritten Reichs. Lt. Aldo Raine (wunderbar markig: Brad Pitt) rekrutiert eine Gruppe von Soldaten, die titelgebenden Inglourious Basterds, um im von Deutschland besetzte Frankreich "Nazis umzubringen". Gleichzeitig macht der "Judenjäger" Hans Landa (Christoph Walz) seinem Spitznamen alle Ehre und verbreitet auf seine Art Angst und Schrecken.

Vor diesem zumindest an historische Ereignisse angelehnten Hintergrund zeigt uns Tarantino nun fünf Episoden, die alle ihre ganz eigene Dynamik, ihre eigenen Charaktere besitzen, bevor es in der fünften und letzten Episode zum großen, gar epischen Showdown kommt. Und schon in den ersten Minuten zeigen sich die beiden größten Qualitäten des Films: Tarantinos Regie und Walz’ schauspielerische Leistung.

Das Setting: Ein kleines Bauernhaus, irgendwo in Frankreich. Für eine gefühlte Ewigkeit sitzen Bauer LaPadite und Landa am Tisch, LaPadite äußerst gefasst und doch zum zerreißen nervös, Landa überzogenst freundlich und mit dem Grinsen eines Mannes im Gesicht, dem man alles, ja, wirklich alles zutrauen würde. Und nachdem der Zuschauer sich einige Zeit lang wundert, was denn hier überhaupt passiert, worum es geht, sehen wir eine kurze Einstellung, wenige Sekunden lang, die die Situation völlig umdrehen, erklären und zu einer unglaublich spannenden Geduldsprobe machen.

Solche Szenen gibt es in den Basterds zu Hauf. Tarantino gelingt es, in bester Hitchcock-Tradition eigentlich banale Szenen allein durch seine Geduld und die Liebe zum Detail so darzustellen, dass der Zuschauer mit in die Armlehnen gekrallten Fingern darauf wartet, dass endlich das unvermeidliche geschieht, dass die Szene explodiert. Und manchmal passiert genau das. Manchmal aber auch nicht.

Ich möchte jetzt hier nicht die ganze Rezension mit Lobhudelei für Tarantinos Filmkunst verbringen. Sei noch kurz angemerkt, dass jemand, der es schafft, das Löffeln von Sahne auf einen Strudel als Spannungs- und Stilelement einzusetzen, entweder nicht mehr alle Tassen im Schrank oder schlicht und ergreifend geniale Züge hat. Bei Tarantino glaube ich mittlerweile an beides…

Zum zweiten grandiosen Element des Films: Die Schauspieler. Hier reiht sich die gesamte bekannte deutsche Schauspielerriege ein; Gedeon Burkhard, August Diehl, Til Schweiger, Daniel Brühl, sogar Ärzte-Trommler Bela B hat einen Kurzauftritt. Die englischsprachigen Kollegen wie natürlich Brad Pitt, aber auch der einfach nur furchteinflößend blickende Eli Roth und selbst Mike Myers sind ebenso perfekt gecastet und überzeugen jede Minute des Films.
Einziger besetzungstechnischer Absturz ist wie beinahe immer Diane HeidKrüuger, die, wenn sie schon in englischsprachigen Filmen mitspielen muss, doch bitte in Zukunft wenigstens darauf verzichten sollte, sich dann in der deutschen Fassung selbst zu synchronisieren.

Ach, was soll ich sagen, Inglourious Basterds ist ein waschechter Tarantino, meiner Meinung nach vielleicht sogar sein bester. Niemandem sonst ließe man völlig peinliche und stillose Texteinblendungen und Rückblenden so durchgehen. Doch bei Tarantino wissen wir einfach: Es ist Absicht, alles ist Absicht. Jeder Buchstabe, jeder Frame, jede Sekunde des Soundtracks ist Absicht. Und das macht auch Inglourious Basterds so einmalig.

Basterds ist ein Film über Rache, eine längst überfällige drastische und deutliche Abrechnung mit der Bösartigkeit des dritten Reiches und seiner Konstrukteure. Während wir uns über Filme wie Mein Führer mit Helge Schneider trefflich aufregen und monatelang darüber diskutieren können, ob man sich denn über so etwas überhaupt lustig machen, sich daran trauen darf, wird das hier mit dem Tarantino-typischen Schlag in die Fresse erledigt.
Denn so ganz ohne ist der Film nicht, auch wenn wir hier keine Kunstblutorgie à la Kill Bill vor uns haben. Aber wenn Aldo Raine seine Nazi-Skalps haben will, dann bekommt er die auch. Und wir erleben das hautnah mit; das Finale setzt da dann noch Einiges drauf.

Rache, also. Tarantino erzählte kürzlich in einem Interview, er hätte einen Brief eines Holocaust-Überlebenden erhalten, in dem stand: “Seen your movie. Wish it were true.” Dem bleibt nichts hinzuzufügen.

Fünf von fünf Filmrollen für Inglourious Basterds. Und jetzt sagt mir nicht, ich würde diese Wertung in diesem Jahr inflationär benutzen. Könnte ich sechs verteilen, ich täte auch das.

Dennis

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Links zum Beitrag:
Inglourious Basterds bei imdb
Tarantinos Top-Filme seit 1992

2 Comments

  1. Nach bereits zweimaligem Anschauen schließe ich mich dem Gro´ßteil von Dennis’ Rezension an. Tarantinos bester Film ist und bleibt aber “Kill Bill”.

    Kommentar by Terje — 23. August 2009 @ 21:19

  2. Mir hat der Film auch gefallen, was erstaunlich ist, da ich Tarantinos Stil eigentlich nicht besonders mag. Ich war mir echt nicht sicher, ob der Film mir zusagen würde, aber ich fand ihn erstaunlich lustig.

    Und weder die Skalps noch die Mit-dem-Baseballsschläger-in-die-Fresse-Szenen haben mich sonderlich gestört…

    Kommentar by Anne — 6. September 2009 @ 16:15

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