19. April 2008
Der Film Control zeigt als Verfilmung von Deborah Curtis’ Buch “Touching From A Distance” die Biographie von Ian Curtis, dem Sänger der Band Joy Devision. Was den Inhalt betrifft, ist damit auch schon alles gesagt: es geht um die Entwicklung Ians vom Schuljungen und David-Bowie-Fan zum berühmten Musiker, Ehemann, Vater und Liebhaber… Hin und her gerissen zwischen zwei Frauen, überfordert von der Vaterschaft und gezeichnet von epileptischen Anfällen kann er seines Schicksals Last bald schon nicht mehr ertragen.
Lasst mich Euch sagen, dieser Film ist ein absolutes Meisterwerk!
Verglichen hiermit ist Walk the Line nichts, aber auch gar nichts.
Komplett in scharz-weiß erzeugt Control von der ersten Sekunde an eine abstrakte und zugleich nostalgisch reale Stimmung. Diese wird vortrefflich von der virtuosen Kameraführung und Photographie unterstützt. Bis ins Detail perfekt komponierte Einstellungen mit meisterhafter Beherrschung von Geometrie und Tiefen(un)schärfe bieten einen wahren Augenschmaus. Es versteht sich von selbst, dass es für die (punktauglichen) Ohren auch entsprechend eindrucksvolle Beschallung gibt, wobei hier mal wieder die Kinolautsprecher den begrenzenden Faktor darstellen.
Auch im Hinblick auf Dramaturgie und Atmosphäre lässt der Film keinerlei Wünsche offen. Natürlich ist der Fortgang der Handlung vorgezeichnet und klar - insbesondere wenn man um Ian Curtis Biographie weiß. Trotzdem ist der Film ungemein dicht und einnehmden. Die wohldosierte Mischung aus lyrischem Seelenspiegel, hartem Punk und feinfühliger Charakterstudie in Kombination mit herausragendem Schauspiel der Hauptdarsteller fesselt den Zuschauer zwei Stunden vortrefflich auf einer emotionalen Achterbahn.
Ich habe selten einen solch meisterhaften Film gesehen und bin seit langem von keinem Film derart bewegt worden.
Aller erste Sahne: 1+.
Patrick
Deine Wertung zum Film/Buch/Ding:
(1 Stimme(n), durchschnittlich: 5,00 von 5)
Links zum Beitrag:
- Control bei IMDb
- Wikipedia-Artikel zu Ian Curtis
- Walk the Line bei IMDb
Gestern, am 18. April 2008, erschien nach 3 Jahren, einem Monat und elf Tagen das lang erwartete dritte Album “Sylt” der Band Kettcar vom Hamburger Independent-Label Grand Hotel van Cleef. Aus diesem Anlass habe ich mich entschlossen, das lange Schweigen zu brechen, und endlich mal wieder einen Beitrag zu der netten Internetseite Sneakcast.de zu leisten. Eins vorweg: Ich lese unglaublich viele Rezensionen zu den verschiedensten Alben. Ich hätte es mir einfach machen können, das Album eine Woche rotieren lassen können, um es dann in den Himmel zu loben. Weil es sich bei “Sylt” aber um ein besonderes Album handelt, habe ich mich dazu entschlossen, einen anderen Weg zu wählen.
Ich habe die Platte aufgelegt und während des ersten Anhörens (wirklich das Erste, versprochen) spontane Notizen zu den 12 Songs festgehalten. Diese spiegeln nicht meine entgültige Meinung über das Album wieder, doch sie vermitteln einen Eindruck, womit man es zu tun bekommt.
01. Graceland
Typischer Kettcar-Song und gleichzeitig die erste Single. Guter Einstieg in die neue Platte. Refrain mit Ecken und Kanten, wie von Kettcar gewohnt, zum Ende hin immer besser.
02. Nullsummenspiel
Witziges Intro, macht Lust auf mehr. Einer der schnelleren Songs, ähnlich wie “Ausgetrunken”, aber nicht ganz so fetziger Refrain. Hat das Potential zum “Grower”.
“Am Ende steht immer die Null.” Was das wohl heißen mag?
03. Am Tisch
Akustischer Song. Zur Hälfte von Marcus Wiebusch, zur Hälfte von Niels Frevert (Schönes neues Album!) gesungen. Typisch befindlichkeitsfixierter Kettcar-Text, von der äußerst nachdenklichen, selbstzweifelnden Seite. Klingt wie ein Stück neuentdeckte Melancholie. Als der Song am Mittwoch Abend aus Einslive im Plan B lief, hat er mich richtig ergriffen. Vor allem aber auch, weil ich vor gut drei Jahren in der selben Sendung (damals “Heimatkult”) das erste Mal einen Kettcar-Song gehört habe (“Anders als gedacht”). Ihr seht, da kommt viel zusammen.
04. Kein Aussen mehr
Treibendes Schlagzeug. Griffige Gitarre, klare Struktur. Sozusagen Kettcar-Kompakt. Trotzdem ist der Song zunächst schwer zugänglich, von Kettcar ist man häufige Wiederholungen nicht gewohnt. “Es gibt kein Aussen mehr, kein drinnen und draußen mehr.” Immer und immer wieder.
05. Wir müssen das nicht tun
Spannender Aufbau, viele Zäsuren. Wenn man durchsteigt, was Marcus eigentlich meint, ist es bestimmt ein toller Song, hier stößt der Versuch einer direkten Bewertung zum ersten Mal an seine Grenzen. Man muss das Album wohl öfter hören, damit es sich einem erschließt, obwohl ich nicht glaube, “Von Spatzen und Tauben…” vollständig begriffen zu haben.
06. Fake for real
Düstere Bilder bestimmen den Song. Hat einen bedrohlichen Charakter, auch von der Musik her. Mit der dunklen Seite von Kettcar muss man sich erst arrangieren, denn sie war noch nie so präsent wie hier. Zum Ende atmosphärischer Umschwung zum Akustischen.
07. Geringfügig, befristet, raus
Soll jetzt keine Abwertung darstellen, aber mit solchen Songs sichern sich Kettcar ihre Hörerschaft bei den Studenten (zu denen ich ja schließlich auch gehöre). Viele Trademarks der Band in knackig-charmanter Verpackung. Eine positive Nummer, die auf Anhieb heraussticht.
08. Agnostik für Anfänger
Völlig anderer Rhytmus als auf dem Rest der CD. Kein Refrain im eigentlichen Sinn, alles fließt in einander. Muss man wohl öfter hören.
09. Verraten
Erinnert zunächst an “Die Ausfahrt zum Haus deiner Eltern”. Doch der Schein trügt. Die Strophe wird von Piano und Schlagzeug sowie denzenter Gitarre getragen, dazu haucht Marcus die Worte zart ins Mikro. Später bricht der Song regelrecht aus. Gegen Ende vernehme ich zum ersten Mal Streicher, wunderschön aufgebauter Song, von dem ich mir den Text auf jeden Fall noch zu Gemüte führen muss.
10. Dunkel
Treibender Rhytmus, ganze Arbeit am Schlagzeug. Leichte Synthie-Spielereien, wie auch schon zuvor. Hätte theoretisch auch ein älterer Kettcar- oder später But Alive-Song sein können.
11. Würde
Hier nehmen sie zum ersten Mal die großen “Landungsbrücken raus”-Pose ein, die Ihnen so unglaublich gut steht. Der Refrain ist absolut mitreißend, direkt beim ersten Mal. Bei diesem Stück nehmen sie sich auch Zeit für instrumentale Ausschweifungen, von denen man auf einmal denkt, dass sie schon immer so ein wichtiger Bestandteil ihrer Musik waren (z.B. Intro von “Landungsbrücken”, Bridge von “Tränengas…”). Die Zeit, die sich Kettcar nehmen, um dieses Stück voll auszukosten entspricht demselben Gespür, dass sie zuletzt bei “Nacht” an den Tag gelegt haben.
12. Wir werden nie enttäuscht werden
Es folgt nach dem großen Aufbäumen der unweigerliche Rausschmeißer. Man lauscht gebannt den Lyrics und wartet, “bis es endlich losgeht”. Als es soweit ist kehren sie zu Ihren Punk-Wurzeln zurück und lassen es richtig krachen.
FAZIT: Es war auf jeden Fall ein interessantes Experiment. Ob sich “Sylt” von Kettcar für diese Art von Feedback eignet, sei dahingestellt. Fakt ist, dass ich mich während der 43 Minuten und 45 Sekunden kein Stück gelangweilt habe und ich somit aufatmen kann.
Kettcar haben ein neues Album. Punkt.
Und es ist gut. Ausrufezeichen!
16. April 2008
Unter Regie von Markus Kopf geben die städtischen Bühnen Münster Goethes Faust. Und schon vor der folgenden Rezension muss ich sagen: Wenn Ihr irgendwie die Möglichkeit habt, schaut ihn Euch an! Doch nun der Reihe nach:
Ostersonntag, der 23. März, war der erste Termin genau einen Monat nach der Premiere, für den es noch Karten gab, und der letzte, an dem ich noch in Münster/Deutschland war. Heute, fast einen Monat danach, habe ich die Inszenierung soweit verdaut (sofern man Faust als Normalsterblicher überhaupt verdauen kann) und obendrein noch ein paar Minuten Zeit für eine Rezension.
Da die städtischen Bühnen Münster praktisch ausnahmslos modern inszenieren, hat man sich bereits an ausgefallene Bühnenbilder gewöhnt. Trotzdem war die Verblüffung beim Betreten des Saals groß: Eine quadratische Bühne bedruckt mit Goethe-Zitaten inmitten des Saals und das Publikum diesseits und jenseits der Bühne. Außerdem eine Empore, auf der das Lippe-Saiten-Orchester unter Leitung von Tankred Schleinschock positioniert ist, und ein Laufsteg quer durch die Zuschauerplätze. Links und rechts der Bühne ausgedünnte Bestuhlung und Schauspieler statt Zuschauer. An den Wänden fünf Leinwände, auf die vor Beginn des Stücks Filmausschnitte projeziert werden.
Es lohnt sich, bereits einige Zeit vor Beginn des Stücks Platz zu nehmen, um sich diese Videos anzusehen. Passanten aus der münsteraner Fußgängerzone wurden zu Faust befragt oder mussten mit Doktorhut und Teufelshörnern auf dem Kopf Szenen aus Faust lesen - wahrlich ergetzend.
Das Stück beginnt schließlich, indem die Videoaufnahmen von farbenfrohen, psychedelischen Animationen abgelöst werden und Engel, die der Kinderchor des Paulinum stellt, auf den Rängen auftauchen. Mephisto (Johann Schibli) in trendiger Gothic-Gewandung auf der Bühne und Gott delokalisiert von wechselnden Chorknaben gesprochen werden auf den Leinwänden von einem visuellen Augenschmaus begleitet, der deutlich an Kubricks 2001 - Odyssee im Weltraum erinnert. Was unter weiterhin massiven Einsatz von Livemusik und Video (Martin Kemmer) folgt, ist Goethes Faust in einer sinnvoll gekürzten, erfrischend modernen Inszenierung.
Wolf-Dieter Kabler gibt den Faust als klassischen Gelehrten, bleibt dabei aber in meinen Augen hinter seinen Möglichkeiten als exzellenter Schauspieler zurück. Gerade in den Kernszenen Nacht (Fausts Streben), Studierzimmer (Teufelspakt), Wald und Höhle sowie Kerker nimmt man seinem Spiel die Größe und Schwere der Handlung schlicht nicht ab. Vielleicht können diese Szenen in ihrer gigantischen Tragweite per se nicht durch Schauspiel sondern nur durch die ureigene Kraft der Sprache, der Verse selbst transportiert werden. Das zurückhaltende Spiel ließe sich so zwar rechtfertigen, doch gereicht Kablers deutlich beschleunigtes Sprechtempo Goethes Wortgewalt leider nicht zur Ehre.
Johann Schibli geht dagegen in seiner Rolle als Mephisto perfekt auf. Der mit Inbrunst dargestellte hechelnde Pudel, dessen Zungenspiel ihn das gesamte Stück über begleitet, das Auftreten als fast schon sympathischer Rocker, die wirkungsvolle Obszönität und Lüsternheit, die nie plump wirkt, und das stete subtile Manipulieren machen Mephisto hier zu einer durch und durch glaubhaften Teufelsgestalt. Er ist wahrlich kein Satan, sondern tatsächlich der Verneiner, der Lügner, der subtile Teufel, dem man seine stete Bosheit kaum anmerkt, dem man verfällt ohne es zu merken.
Absolut treffend und unvergleichlich, wenn er vor der Valentinszene “Highway to Hell” von AC/DC singt.
Faust ohne Gretchen wäre nichts. Leider wird das in vielen Inszenierungen vergessen, wenn man dem Publikum ein flaches, charakterloses mehr oder weniger hübsches Mädchen vorsetzt, das stumpf seinen Text herbetet. Glücklicherweise ist das hier ganz anders: Tina Amon Amonson spielt das Gretchen alles ander als platt. Glaubhaft und ausdrucksstark vermittelt sie den Konflikt zwischen süßer Liebe und kirchlicher Tugend, der schließlich in Tragödie und Wahnsinn gipfelt. Schade nur, dass sie etwas zu viel singen muss. Ist die musikalische Interpretation des König-von-Thule-Liedes noch gelungen, so leiden doch andere Szenen darunter - vor allem Marthens Garten. Hier wäre der gesprochene Text deutlich wirkungsvoller.
Generell hinterlässt der stete Einsatz von Musik aber einen positiven Gesamteindruck. Die Gesangs- und Tanzeinlagen fügen sich (mit obiger Ausnahme) nahtlos in das Gesamtkonzept und lassen die Inszenierung keineswegs zu einem belanglosen Musical verkommen. Insbesondere die Szenen Osterspaziergang (folkloristisch, aufmunternd), Auerbachs Keller (fetzig, disko), Am Brunnen (erschütternd, eindrücklich) und Hexenküche (mystisch, ekstatisch) profitieren merklich von der Musik. Letztere Szene ist übrigens ein gar besonderes Spektakel mit Christiane Hagedorn als wahrhaft reizender Hexe.
Es bleibt zu erwähnen, dass die Inszenierung sehr zu meiner Freude die Satanszene aus Goethes Paralipomenon P50 enthält. Es wird wohl ein ewiges Rätsel bleiben, warum die Szene in Goethes finaler Fassung des Faust nicht enthalten ist. Leider erfährt sie nachwievor zu wenig Beachtung, insbesondere da sie in meinen Augen einen integralen Bestandsteil des Faust darstellt. Einerseits konkretisiert das Auftreten Satans die Definition von Mephisto und macht deutlich, dass Mephisto lediglich einen Teil des teuflischen verkörpert, nämlich das Verneinen, Leugnen und Verkehren. Satan dagegen ist die offenen Perversion, Gewalt und Schändung. Andererseits bietet die Satanszene als “Intermezzo in der Hölle” einen Kontrapunkt zum Prolog im Himmel und kompletiert so den metaphysischen Rahmen um das Schicksal des Menschen symbolisiert durch Faust.
Die Textfassung der Satanszene erscheint gemessen an der heute in den Medien üblichen Wortwahl und Ausdrucksweise fast schon lieblich. Dieser Eindruck relativiert sich jedoch, macht man sich erst die gesamte Tragweite der Szene deutlich. Die Inszenierung schöpft hier entsprechend aus dem Vollen: Die Videoleinwände zeigen den Text der Szene in einer sich überschlagenden Folge stroboskopartiger Blitze. Auf der Bühne feiern Hexen und Satansjünger einen ekstatischen Reigen, während der Herr der Finsternis seine Predikt hält und das Publikum blinkende Teufelshörner trägt. Aus dieser orgiastischen Anbetung fallen Faust und das Publikum unvermittelt in die finale Tragödie.
Alles in allem eine moderne und überzeugende Inszenierung, die ich Euch gerne empfehle. Manchem mag die Modernersierung sicher nicht gefallen, wird Goethe doch als eine der unverrückbaren Säulen der deutschen Literatur gehandelt und seine Texte als absolut angesehen. Hier muss ich mich man sich allerdings fragen, inwieweit dieser starre Absolutätsanspruch dem aufgeschlossenen Menschen Goethe gerecht wird.
Nächstes Jahr gibt es den zweiten Teil, den man eher selten auf der Bühne zu sehen bekommt. Ich bin gespannt.
Patrick
14. April 2008
Ich gebe offen zu, ich hatte mich vor diesem Film gefürchtet. Die Ansage in der letzten Münsteraner Sneak (Outsourced) wies so deutlich auf Chiko hin (“deutscher Film”, “Slang”), dass Leute, die - wie ich - nicht eben scharf auf das Hamburger Drogenmilieu waren, nur hoffen konnten, es handele sich um einen zugegebenermaßen ziemlich lahmen Aprilscherz. Das war dann ja offensichtlich nicht der Fall, aber ganz so furchtbar, wie ich gedacht hatte, wurde es dann doch nicht. Insbesondere war der Slang doch eher komisch als nervig.
Zum Inhalt: Chiko - wie der Gute sich unter Missachtung der spanischen Schreibweise selbst nennt - ist ein kleines Licht in der Hamburger Drogenszene. Er scheint weder Job noch Ausbildung zu haben, genau wie sein bester Freund Tibet. Dabei bräuchten die beiden dringend Geld, um Tibets Mutter eine neue Niere zu kaufen. (Abgesehen davon, dass das natürlich illegal ist, frage ich mich auch, wie sie es praktisch anstellen wollen, an eine Niere zu kommen, die mit dem Gewebe der Mutter hinreichend gut übereinstimmt, aber das nur am Rande.) Jedenfalls möchte Chiko größer in das Drogengeschäft einsteigen und macht sich deshalb an Brownie ‘ran, der den Hamburger Drogenhandel kontrolliert. Doch das Drogenmilieu ist gefährlich…
Letzteres ist im Prinzip die einzige Aussage, die man diesem Film entnehmen kann, und ‘mal ehrlich: wer hat das nicht schon vorher gewusst? Nach Chiko geht man ratlos aus dem Kino und fragt sich, was einem dieser Film gebracht hat. Das Drogenmilieu ist aus den vielen ähnlichen Filmen hinlänglich bekannt, tiefschürfende Charakterentwicklung gab es nicht, und Auswege aus dem Drogensumpf und der Aussichtslosigkeit wurden erst Recht nicht aufgezeigt. Und obwohl der von den Protagonisten verwendete Slang durchaus komisch wirkte und für einige Lacher im Publikum sorgte, kann man Chiko auch nicht als Komödie bezeichnen. Nach dem Film weiß man: so nicht! Aber wie dann?
Fazit: Weder katastrophal noch irgendwie nützlich - ich habe ihm ursprünglich eine 3- gegeben, tendiere aber mittlerweile eher zu einem von fünf Blöcken Kokain.
Anne
Deine Wertung zum Film/Buch/Ding:
(2 Stimme(n), durchschnittlich: 4,50 von 5)
13. April 2008
Sicher wird Euch schon aufgefallen sein, dass die münsteraner Sneak seit kurzem von Anne rezensiert wird. Der Grund dafür ist ausnahmsweise nicht meine Faulheit, sondern die Tatsache, dass ich zur Zeit im sonnigen Santa Barbara an der University of California mein Dasein friste. Doch auch hier gibt es Kinos (leider aber keine Sneak), sodass Ihr weder fürchten noch hoffen braucht, mich los zu sein…
Bevor aber die erste echte Rezension aus den Staaten kommt, gibt es noch Kommentare zu den beiden Filmen die ich im Flugzeug hochdroben über dem Atlantik gesehen habe:
I Am Legend:
In nicht allzu ferner Zukunft ist es Dr. Krippin gelungen, Masernviren gentechnisch so zu verändern, dass sie Krebs heilen können. Eigentlich eine wundervolle Sache, wäre da nicht der kleine Haken, dass das Virus noch etwas mehr tut. Es löscht binnen kurzer Zeit quasi die gesamte Menschheit aus. Die meisten der wenigen Überlebenden werden durch das Virus obendrein zu vampirartigen Dark Seekers: Animalische und grausige (leider auch grausig animierte) Wesen, die kein Licht vertragen und des Nachts Jagd auf die wenigen Menschen machen, die aus unbekannten Gründen gegen das Virus immun sind.
Robert Neville ist immun und der einzige Überlebende in New York. Als Soldat weiß er sich und seine Schäferhündin Sam mit Waffengewalt, Scheinwerfern und geschickter Planung in seinem hermetisch abgerigelten Haus am Leben zu halten, während er verzweifelt an einem Gegenmittel forscht…
Der Film ist durch und durch spannend bis zum genialen und wirklich passenden Schluss. Die Mischung aus actiongeladenen Auto- und Kampfszenen und melancholischer Selbstreflexion des letzten Überlebenden ist genau richtig. Außerdem überzeugt Will Smith (und sein tierischer Codarsteller) mit seiner charismatische, tiefgehenden Darstellung dieser ganz und gar nicht komischen Rolle. Obendrein bietet der Film noch eine ganze Menge genialer Sprüche: unvergleichlich die Virus-Highway-Analogie. Lediglich die triste Computeranimation der Dark Seeker muss man verschmerzen.
Alles in allem durchweg empfehlenswert: 2+.
P.S. I Love You:
Hollys Mann Gerry leidet an einem Hirntumor mit schlechter Progonose und das gemeinsame Eheglück endet schon bald mit Gerrys Tod. Dieser hat allerdings insofern vorgesorgt und über seinen Tod hinaus geplant, als er mehrere Briefe an Holly vorbereitet hat, um sie über den Verlust hinwegzutrösten. Beginend mit ihrem 30. Geburstag erhält sie auf verschiedensten Wegen Botschaften ihres verstorbenen Gatten, die allesamt mit P.S. I Love You enden und sie zurück zu einem glücklichen Leben führen sollen…
Der Film versteht es durchaus, die Ballance zwischen komischen und tragischen Elementen zu halten, sodass die Mundwinkel alle möglichen Stellungen zwischen herzliche lachend und tieftraurig einnehmen. Natürlich darf man bei der Geschichte keine unvorhergesehenen Wendungen oder Überraschungen erwarten; aber die braucht’s hier auch gar nicht.
Wirklich brauchbar: 3. Nehmt Taschentücher mit.
Patrick
Links zum Beitrag:
- I Am Legend bei IMDb
- P.S. I Love You bei IMDb
5. April 2008
Todd Anderson ist mit seinem Job als Chef des Call-Centers eines amerikanischen Versandhauses zufrieden - bis sein Chef ihm mitteilt, dass die gesamte Auftragsabwicklung nach Indien ausgelagert wird. Er, Todd, solle daher das indische Call-Center auf Vordermann bringen und seinen Nachfolger einarbeiten. Obwohl Todd kein Interesse daran hat, nach Indien zu gehen, wagt er es in Zeiten von Wirtschaftskrisen und Arbeitslosigkeit natürlich nicht, abzulehnen, und so kommt es, dass er sich in Indien wiederfindet - zunächst ein absoluter Kulturschock! Mit der Zeit gewöhnt sich Todd allerdings an Indien und findet - wie sollte es anders sein - auch privat sein Glück.
“Outsourced” (Danke, dass der Film im Deutschen nicht “Outgesourced” genannt wurde!) ist eine nette, harmlose Komödie. Die Dialoge sind witzig, die Charaktere sympathisch, die Schauspieler gut aufgelegt. Auch die Idee, die Praxis des Outsourcing als Aufhänger zu nehmen, die infolge der Globalisierung mittlerweile an der Tagesordnung ist, ist an und für sich gut. Leider nutzt der Film das Potential, das in der Geschichte als solcher steckt, nicht: Globalisierungskritik ist nur in Ansatzpunkten vorhanden und der Kulturkonflikt erschöpft sich in der Darstellung der unterschiedlichen Essgewohnheiten. Zudem gewöhnt sich Todd erstaunlich schnell an Indien (3 Wochen). Etwas mehr Sozialkritik hätte der allzu glatten Story sicherlich gutgetan.
Fazit: Eine anspruchslose, kurzweilige Komödie. Wegen des hohen Unterhaltungswertes - der bei einer Komödie bekanntlich das A und O ist - würde ich “Outsourced” zwar noch als gut bewerten (2-), aber wer bei einem Film Tiefgang erwarted, wird hierbei wohl nicht auf seine Kosten kommen.
Anne
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(1 Stimme(n), durchschnittlich: 5,00 von 5)
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- Outsourced bei IMDb
31. März 2008
Was macht eine Gruppe Studienstiftler in Bielefeld, wenn sie an einem “Omics-Praktikum” teilnimmt? Vielleicht das Ergbut von Mikroorganismen entschlüsseln (genomics) oder alle Proteine (proteomics) und Stoffwechselprodukte (metabolomics) einer Zelle untersuchen. Da bleibt nur die Frage, warum das den geneigten sneakcast-Leser überhaupt interessieren sollte… Der entsprechende Grund liegt auf der Hand: Nach getaner Arbeit gibt’s im Jugendgästehaus videomics. Ein spartanisches Dreibettzimmer, Mengen illegal eingeschmuggelter (geistiger) Getränke, ein Laptop mit gar zu kleinem Bildschirm und natürlich acht Leute wie Ölsardinen auf eineinhalb Betten gequetscht. Unter diesen gemütlichen Kinobedingungen genehmigten wir uns just There Will Be Blood und In the Mouth of Madness.
There Will be Blood: Daniel Plainview ist ein “Ölmann” durch und durch. Getrieben von seinem beständig wachsenden Hass auf alle Menschen kauft er Land, bohrt nach Öl und scheffelt Geld ohne Ende. So wundert’s chat-quotesnicht, dass seinen Weg etliche Leichen und Gräultaten säumen. Das gefühllose Aussetzen des eigenen Sohnes ist nur eine davon. Daniels durch und durch kaputter Charakter findet eine vorzügliche Kopie in einem völlig verrückten Dorfpfarrer, der Dämonen austreibt, Gott im Bauch hat und der Kirche der dritten Offenbarung vorsteht…
In typischer Westernmanier ist die Handlung natürlich minimal. Der Film baut quasi ausschließlich auf die erdrückend öde Landschaft und die abgestumpften Charaktere der (ausgebeuteten) Ölarbeiter. Eine perspektivenlose Welt ohne Zukunft, ein einsamer, steter Kampf gegen sich selbst.
Alles in allem ein guter Film 2, der jedoch nach großer Leinwand verlangt.
In the Mouth of Madness: Der marginale Inhalt dieses Films beschränkt sich auf die Suche nach einem verschwundenen Horrorschriftsteller. Damit es nicht gar zu langweilig wird, verschwimmen auf eben dieser Jagd die Grenzen zwischen Realität und Visionen besagten Autors: Grausige Tentakelwesen, besessene Mobs, Straßen, die einen immer an den Ausgangsort bringen, und dergleichen erschweren die Suche.
Der gesamte Film lässt sich (sogar zu später Stunde) relativ leicht vorhersehen und scheint überhaupt nur dem Wunsch entsprungen zu sein, einmal alle Grußelmöglichkeiten unter fadenscheiniger Geschichte aneinander zu reihen.
Ganz und gar nichts besonderes: 4-
Patrick
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- There Will Be Blood bei IMDb
- In the Mouth of Madness bei IMDb
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Was soll man von einem norddeutschen Film erwarten, der einen englischen Titel trägt und beim Filmfest auf Norderney den Volkswagenpreis für das beste Drehbuch erhalten hat? Wer jetzt sagt, gar nichts, der irrt - zumindest teilweise. Die Handlung erinnert deutlich an K-PAX: Arnold glaubt sein verschwundener Vater sei ein Außerirdischer und versucht beständig obskure Flugmaschinen zu bauen, um ihm ins All nachzureisen. Für die norddeutsche Landbevölkerung, die Arnolds Mutter stets belächelt, ist er nicht mehr als ein liebevoller Irrer. Als er jedoch bei einem der missglückten Startversuche die Beherrschung verliert und ein Kind verletzt, schlägt die lustige Überheblichkeit in Angst und Hass um. Arnold muss in die Psychiatrie, wo er bald den Eindruck gewinnt, Wärter und Ärzte seien die eigentlichen Verrückten.
In der Anstalt arbeitet auch Wanda als Doktorandin und erliegt bald der Faszination ihres neuen Patienten - in mehrfacher Hinsicht.
Warum dieser Film ausgerechnet einen Drehbuchpreis gewonnen hat, bleibt zumindest für meine Wenigkeit unverständlich. Die Stärke des Films liegt nämlich eindeutig nicht in der (Haupt)handlung. Diese ist eher lahm, bereits bekannt und gipfelt schließlich in einem absurden Ende, das dem Film in keinster Weise gerecht wird.
Einzig den Mut zur ungeschönten Darstellung des ländlichen Dorflebens und die herrlich pseudowissenschaftliche Wegbeschreibung nach Gliese 581 mittels solarer Gravitationsgasse stechen heraus.
Die eigentliche Stärke des Films liegt meiner Meinung in den Bildern: Wundervoll eindrückliche Landschaftseinstellung von wahrlich perfekter Komposition bieten einen echten visuellen Genuss und sind zugleich Kontrapunkt zur realen und damit durchaus hässlichen Charaktervisualisierung
Den cineastischen Höhepunkt bietet schließlich die wohl surrealste Sexszene der Filmgeschichte: Kein Akt und (fast) keine nackte Haut; stattdessen eine eindrückliche Sequenz halluzinationsgleicher Bildfetzen: genial!
Kann man sich alles in allem durchaus ansehen: 3.
Patrick
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(1 Stimme(n), durchschnittlich: 3,00 von 5)
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- Up! Up! To the Sky bei IMDb
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29. März 2008
Zu dem Film Unsere Erde, den ich schon vor ein paar Wochen gesehen habe, habe ich nichts geschrieben. Aus gutem Grund. Denn so wie Lu hätte ich das nicht schreiben können… Aber doppelt bis fünffach unterstrichen, das Ganze.
Dennis
26. März 2008
Ein Raunen ging durch das Kino, gefolgt von kurzem Gelächter, als sich der Saal verdunkelte, die Logos der Produktionsfirmen über die Leinwand flimmerten und schließlich Philip Seymour Hoffman (Oscar für Capote) und Marisa Tomei (auch nicht ganz unbekannt, wobei mir gerade partout nicht einfällt, woher) in einer äußerst expliziten (und sogar relativ langen) Sexszene zu sehen sind. Ein Publikum, das über eine Sexszene und das anschließende postkoitale Gespräch kichert und lacht… das versprach spannend zu werden.
Wurde es aber leider nicht. Tödliche Entscheidung (mal wieder ein toller deutscher Titel) erzählt die Geschichte von zwei Brüdern, die, um an Geld zu kommen, den Plan fassen, den Juwelierladen ihrer Eltern auszurauben. Der eine Bruder Andy (Capote) ersinnt den Plan, der andere Bruder Hank (Ethan Hawke) soll ihn ausführen, traut sich aber nicht, vertraut sich einem Kumpel an, der das Ganze kurzerhand übernimmt, bei dem Raubüberfall die Mutter von Andy und Hank anschießt und selbst getötet wird. Drumherum gibt es noch viel Familienzwist über verlorenes Vertrauen und fehlende Vaterliebe, Verhältnisse zwischen Hanks Frau Gina (Tomei) und Andy und ein paar Morde.
Das alles wäre ja noch latent spannend, wären da nicht die ständigen Wiederholungen des Ganzen. Regisseur Sidney Lumet (selbst schon über achtzig) litt wohl entweder an Alzheimer und vergaß ständig, was denn jetzt eigentlich passiert war, oder hatte Memento gesehen und gedacht “So wat mach icke ooch” (den hippen Berliner Dialekt inklusive). Es wird also viel zurück und nach vorn und durch die Gegend geblickt, was ja in Babel oder eben Memento noch ganz spannend ist, weil man immer mehr über die Charaktere und ihre Beziehung zueinander erfährt, hier aber eben wie vom Department of Redundancy Department for Redundancy entwickelt scheint, weil es eben nichts mehr zu erfahren gibt.
Ein paar kleine Überraschungen (Wer wird denn jetzt erschossen? Wer hat den Briefkasten eingeschlagen? Ohgottohgottohgott!) rechtfertigen leider keine beinahe zwei Stunden Film. Ein Teil meiner Mitsneaker vermutete schon, es ginge beim Dreh dieses Films nur darum, Marisa Tomei möglichst oft oben ohne zu zeigen, aber selbst das wirkt beim fünfzehnten Mal irgendwie nicht mehr soo spannend.
Übrig bleibt am Ende die Frage, warum Schauspieler wie der großartige Albert Finney (aus dem großartigen Big Fish) oder Rosemary Harris (eigentlich immer großartig) sich zu so einem langweiligen, aussagefreien Machwerk herabgelassen haben.
Sehenswert bleibt allein Philip Seymour Hoffmans wohl langsamster Ausraster der Filmgeschichte sowie Marisa Tomeis peinlichster Abgang aus der Kategorie “Was man falsch machen kann, wenn man seinen Mann verlassen und ihm die Affäre mit seinem Bruder gestehen will”. Komisch, durchaus, aber wohl leider unfreiwillig.
Somit also eine halbe von fünf Metal-CDs. Spart’s euch.
Dennis
Deine Wertung zum Film/Buch/Ding:
(1 Stimme(n), durchschnittlich: 1,00 von 5)
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- Tödliche Entscheidung bei imdb
- Philip Seymour Hoffman bei imdb
- Die Herkunft des Titels