Besser spät als nie! In den letzten Tagen nehme ich mir endlich mal wieder Zeit für Sneakcast. Mit dem Resultat, dass die medialen Ergüsse der vergangnen 3 Monate endlich auch mal eine Bewertung erhalten. In diesem Zug wird auch der neue Disney-Zeichentrickfilm Küss den Frosch diskutiert. Im Gegensatz zu Pixars oder Dreamworks’ letzten Filmen setzt das Disney-Märchen auf klassische, handgezeichnete Animation im Stile der großen 90er-Meisterwerke Arielle, Die Schöne und das Biest, Aladdin und König der Löwen. Dies bringt natürlich auch eine astronomische Erwartungshaltung mit sich, da sich besagte Filme einer weltweiten Fangemeinde und einer ungebrochenen Popularität erfreuen.
Eins vorweg: Küss den Frosch ist nicht der Neubeginn der sogenannten Disney Renaissance (1989-1994), es ist klassischer Zeichentrickfilm der alten Schule, welcher im Zeitalter von Animationsfeuerwerken wie Ratatouille oder Oben sehr konventionell daherkommt. Nichtsdestotrotz bringt der Film etwas zurück, was man verloren geglaubt hat: die Disney-Magie! Küss den Frosch profitiert von seiner Sonderstellung, die er nicht nur als neuer Disney-Zeichentrickfilm sondern auch als einziger großer Zeichentrick-Kinofilm der letzten Jahre innehat. Jedenfalls hat der Film in mir ein besonderes Bedürfnis angesprochen, welches die Pixar-Werke trotz ihrer Genialität nicht erfüllen können. Es ist die Gewissheit, dass die klassische Animation, mag sie ihren Zenit schon vor einem Jahrzehnt überschritten habe, noch nicht gänzlich in Vergessenheit geraten ist. Diese Gewissheit macht aus Küss den Frosch, welcher im Jahr 2000 in dieser Form für niemanden eine Überraschung dargestellt hätte, etwas Besonderes und Einzigartiges.
Dabei dreht sich die Geschichte um die Kellnerin Tiana, welche im New Orleans der 1920er Jahre ihrem großen Traum von der Eröffnung eines eigenen Restaurants entgegen spart. Ihr Freundin aus Kindertagen, Charlotte läd sie zu einem großen Fest ein, zu dem auch der berühmte Prinz Naveen erscheinen soll. Leider wird besagter Prinz von einem Vodoo-Magier in eine Falle gelockt und in einen Frosch verwandelt. Der verwandelte Prinz gelangt zum Anwesen von Charlottes Familie, wo er auf Tiana trifft. In der Hoffnung, durch einen Kuss von der Verwandlung befreit zu werden, bittet er Tiana um diesen Gefallen. Leider hat der Kuss die gegenteilige Wirkung, sodass Tiana auch in einen Frosch verwandelt wird. Fortan ziehen die beiden los um einen Weg zu finden, den Zauber zu lösen.
Der Film präsentiert sich, wie dieser Inhaltsangabe zu entnehmen ist, als klassisches Märchen, welches mit den typischen Disney-Zutaten garniert ist: es gibt Musik (komponiert von Randy Newman), schrullige Nebencharaktere, rasante Momente und eine große Portion Romantik. Dabei wissen die beiden deutschen Stars Roger Cicero und Cassandra Steen als Naveen und Tiana sehr zu gefallen. Gerade Roger Ciceros Synchronleistung ist beachtlich, wenn man bedenkt, dass er eigentlich kein ausgebildeter Schauspieler ist. Gesanglich liefern die beiden ebenfalls eine gelungene Vorstellung ab.
Insgesamt ist Küss den Frosch ein wunderbarer Zeichentrickfilm geworden, welcher sich in die traditionsreiche Disney-Kollektion einreiht, durch Romantik, Humor und Musik zu begeistern weiß und den klassischen Zeichentrickfilm um ein weiteres Meisterwerk bereichert. Trotzdem bleibt Küss den Frosch hinter der Genialität oben genannter Werke zurück, weswegen ich guten Gewissens 4 1/2 von 5 Glühwürmchen vergebe.
Küss den Frosch (The Princess and the Frog)
New Super Mario Bros. Wii
Es mag merkwürdig anmuten, dass ein gestandener Nintendo-Fan wie ich es bin ein dermaßen prominentes Videospiel erst einmal 8 Wochen sacken lassen muss, bevor es ihm möglich ist, es auf unserer netten Sneakcast-Seite zu rezensieren. Sicherlich würde es mir nicht schwer fallen, allerhand Vergleiche zu früheren Mario-Jump & Runs heranzuziehen, die übliche Leier von der perfekten Steuerung und dem ausgeklügelten Leveldesign herunterzubeten, am Ende eine Wertung zwischen 4 und 5 Powersternen herausspringen zu lassen und jedem Sneakcast-Leser ein bestätigendes Lächeln auf die Lippen zu zaubern.
Ich habe mich dagegen entschieden!
New Super Mario Bros. Wii ist der im November 2009 erschienene direkte Nachfolger zum Nintendo DS-Knaller New Super Mario Bros. von 2006 und damit wären wir auch schon direkt beim Problem. Die Spiele sind nahezu identisch!!! Ohne die abgedroschene Übertreibungs-Keule herauszuholen, kann man sagen, dass NSMB Wii seinem Vorgänger gleicht wie ein Ei dem anderen. Es gibt die gleiche Anzahl an Welten (8), jede Welt beinhaltet 2 Schlösser, es gilt in jedem Level 3 Goldmünzen zu sammeln, mit denen nachträglich neue Levels freigeschaltet werden können. Alles kalter Kaffee! Zudem atmet das Spiel den unweigerlichen Retro-Charme, welcher den Vorgänger in höchste Wertungsregionen katapultierte. Allerdings entwickelt sich hier eine Rückbesinnung auf die Vergangenheit zum Beinbruch. Hieß es es in der Presse früher (2006): “Wow, eine moderne und frische Neuinterpretation des NES-Klassikers!”, so blieb (zumindest in meinen Augen) von dieser Entzückung im Jahr 2009 nicht mehr viel übrig. Zwar konnte das Spiel in der Fachpresse gute Kritiken einheimsen, aber es wurde auch heftig kritisiert. Es ist das erste Mario-Spiel, bei dem Nintendo sich die Kritik gefallen lassen muss, ihr größtes, wichtigstes und beliebtestes Franchise zu melken wie eine eierlegende Wollmilchsau. Und diese Kritik kommt hier auf Sneakcast wohlbemerkt von einem großen Bewunderer, welcher Super Mario World, Super Mario 64 und Galaxy zu den besten Spielen, die je geschaffen wurden, zählt. Im Vergleich zu diesen unvergesslichen Meisterwerken fühlt sich New Super Mario Bros. Wii einfach altbacken an. So als hätten die Entwickler diesmal den Schuss nicht gehört!
Aber wenn man von dieser berechtigten Kritik einmal absieht und hinnimmt dass es diesmal “Aus Japan nichts Neues” gibt, dann weiß das neueste Mario-Spiel durchaus zu gefallen. Die eingangs erwähnte Steuerung ist (mal wieder) brilliant und gewährt dem Spieler, der die Wiimote seitlich wie ein NES-Pad in der Hand hält, die nahezu optimale Kontrolle über den Star-Klempner. Die Steuerung ist auch dafür verantwortlich, dass nie unfair Situationen der Marke “Ich hab doch gedrückt, wieso ist der nicht gesprungen?” enstehen. Das Spiel ist zu keinem Zeitpunkt unfair, aber dafür auch nicht besonders fordernd. Ich als alter Mario-Hase habe das Spiel in einer Woche durchgespielt ohne von morgens bis abends vor der Konsole zu hängen. Dies liegt aber auch daran, dass das Leveldesign immer wieder zu begeistern weiß, sich jedoch ein Abwechslungsreichtum à la 64 und Galaxy nicht einzustellen vermag. So bleibt am Ende ein zwiespältiger Eindruck zurück, der den Spieler einerseits nach mehr verlangen lässt (Es hat Spaß gemacht!) und andererseits eine leichte Enttäuschung hinterlässt (Habe ich zweimal dasselbe Spiel gespielt?). Aus diesem Grund ringe ich mich zu einer positiven Abschlusswertung durch, die man als “altbacken, aber spaßig” zusammenfassen könnte. Der Multiplayer ist von dieser Bewertung ausgenommen, da ich ihn noch nicht testen konnte.
7/10 (und damit weit unter Mario-Durchschnitt)
Heavy Rain
How far are you prepared to go to save someone you love? Unter diesem Motto steht das neue Spiel von Quantic Dream, Heavy Rain. Viel ist in den vergangenen Wochen über dieses Spiel geredet und geschrieben worden und auch ich möchte jetzt, da das erste Durchspielen schon ein paar Tage her ist, ein paar Worte dazu verlieren.
Zunächst: Warum sollte man überhaupt über Heavy Rain reden? Was macht das Spiel so besonders? Nun ja, in erster Linie, dass es sich nicht anfühlt, wie ein Spiel. Gibt es sonst eine (mehr oder weniger starke) Trennung zwischen den Szenen, in denen der Spieler die Kontrolle über die Figur übernimmt und den Szenen, in denen er nur unbeteiligter Zuschauer ist, wirkt hier das gesamte Spiel wie eine einzige Cutscene, auf die wir als Spieler jedoch Einfluss nehmen können. Jede Entscheidung, so lernen wir relativ schnell, hat ihre Folgen und sorgt dafür, dass sich der spätere Spielverlauf teils entscheidend ändert. Selbst der Tod eines Charakters führt nicht zum sonst unvermeidlichen Game Over, sondern führt die Geschichte in einer anderen Richtung fort.
Apropros Geschichte: Heavy Rain hat davon einiges zu bieten. Hier der Kurzabriss der Teile der Story, die wohl für alle Spieler gleich sein werden: Ethan Mars, glücklich verheirateter Vater von zwei Kindern, verliert einen seiner Söhne bei einem Autounfall, seine Ehe scheitert und er leidet unter heftigen Blackouts. Als sein zweiter Sohn vom so genannten Origami-Killer entführt wird, stellt sich auch ihm die eingangs schon gestellte Frage: Wie weit wird er gehen, um seinen Sohn zu retten?
Doch wir sind als Ethan nicht allein unterwegs. Wir treffen Madison Paige, die Ethan als wandelnde Krankenschwester immer wieder zusammenflickt, Scott Shelby, den bärbeißigen aber liebenswerten Ex-Cop, der nun als Privatdetektiv ebenfalls nach dem Origami-Killer fahndet und den FBI-Agenten Norman Jayden, der, ebenfalls auf diesen Fall angesetzt, sich mit der örtlichen Polizei herumschlagen muss.
Mehr soll hier nicht verraten werden, nicht nur, weil die Story, die sich entfaltet, so unglaublich gut erzählt ist, dass ich euch hier nicht den Spaß verderben will, sondern auch, weil es die Story überhaupt nicht gibt. Es gibt so viele Entscheidungsmöglichkeiten und Wendepunkte, dass vermutlich kaum zwei Spieler das selbe Spiel spielen werden.
Aber nun zum Spiel selbst: Für Heavy Rain wird häufig der ominöse Begriff interaktiver Film verwendet, der in den neunzigern wegen scheußlich schlechter Umsetzungen eher als Schimpfwort galt. Hier ist er jedoch mehr als gerechtfertigt. Zum einen ist die Inszenierung so cineastisch, dass sie den Vergleich mit Hollywood-Thrillern wie Sieben oder Saw nicht zu scheuen braucht. Zum anderen basiert die Steuerung nicht auf dem bekannten “drück X zum Springen”-Prinzip, sondern setzt auf so genannte “quick time events”. Hier erscheinen, wenn der Charakter etwas tun kann, Symbole auf dem Bildschirm. Entweder muss der Spieler nun Tasten drücken oder eine abstrahierte Bewegung mit den Analog-Sticks ausführen. Gerade in Gesprächen mit anderen Charakteren entfaltet diese Technik ihr volles Potential: Hier schwirren die einzelnen Gesprächsoptionen meist ruhig, wenn der Charakter aufgeregt ist aber auch zitternd, über den Bildschirm. Der Spieler hat nun – wie in einem wirklichen Gespräch ja auch – nur eine bestimmte Zeit, den Verlauf des Gespräches zu beeinflussen.
Man merkt Heavy Rain durchaus an, dass Quantic Dream mit Fahrenheit (in den USA Indigo Prophecy) vor einigen Jahren schon Erfahrung im Genre gesammelt haben. Damals teils noch etwas unbeholfen, setzten sie dort aber schon Erzähltechniken wie Split-Screens oder gezielte Kamerafahrten ein, um die Spannung zu erhöhen. Dies wird nun bei Heavy Rain perfektioniert und sorgt zusammen mit der Story, die glücklicherweise nicht in irgendwelche abstrusen Mystery-Phänomene abdriftet, zu einem großartigen Spielerlebnis. Hat man dann den Abspann vor sich, stellt man sich unwillkürlich die Frage: Was wäre denn gewesen, wenn ich diese Sequenz anders gespielt hätte? Wäre mein Charakter dann noch am Leben? Hätte ich den Killer vielleicht doch gefunden? Und schon geht es in die nächste Runde…
Heavy Rain ist ein Brocken, der – abgesehen von einigen kleinen Patzern – Bombast-Grafik fürs Auge und eine Bombast-Story fürs Hirn bietet. Angekündigt ist auch die Lieblings-Cash-Cow der Spieleindustrie: Downloadable Content, in dem ihr die Vorgeschichte der einzelnen Charaktere erleben und spielen könnt. Ob sich das lohnt, müsst ihr selbst wissen.
Ich jedenfalls bin von Heavy Rain begeistert wie von kaum einem anderen Spiel in den letzten Jahren. Fünf von fünf Origami-Figuren. Top!
Dennis
- Die offizielle Seite
- Games und so Game Club: Heavy Rain
- Ein zweieinhalbstündiger Podcast zu Heavy Rain. Achtung: Größte Spoilergefahr!
- Trailer zum Spiel
Grand Theft Auto IV (PC)
Vor circa zwei Monaten beendete ich ein großartiges Videospiel. Grand Theft Auto IV, welches im April 2008 für PlayStation 3 und Xbox 360 und im Dezember 2008 für den PC erschien, das ist ein weltbewegender Meilenstein der Videospielgeschichte. Die folgende Rezension wird versuchen, die Gründe dafür zu umreißen.
Die Geschichte des Spiels stellt den Protagonist Niko Bellic in den Mittelpunkt, welcher anfangs in Liberty City (einer veränderten Nachbildung New Yorks) ankommt und fortan auf der Suche nach dem amerikanischen Traum ist. Hierzu muss er, wie in den vorigen GTA-Teilen, verschiedene Aufträge erfüllen und sich in der Hierarchie des organisierten Verbrechens nach oben arbeiten. Diese klassische Prämisse (sie unterscheidet sich kaum von der des 2001 erschienenen GTA III) nutzt das Spiels aber auf solch kongeniale Art und Weise, dass der Spieler unweigerlich in eine andere Welt gesogen wird. Dies hängt mit drei Hauptfaktoren zusammen:
1. Realismus:
Alle vorangegangenen Teile der Spielereihe (hier sei besonders auf GTA III, Vice City und San Andreas verwiesen) zeichneten sich durch einen einheitlichen Grafikstil aus, welcher die Akteure zwar menschenhaft, jedoch comichaft-satirisch-überspitzt in Szene setzte. GTA IV ist natürlich auch satirisch-überspitzt angelegt. Bei den Synchronstimmen ist Pathos und Overacting an der Tagesordnung und auch sonst geizt das Spiel nicht mit Selbstironie. Allerdings läutet GTA IV eine neue Ära in der Geschichte des Franchises ein, da auf eine comichafte Darstellung von Charakteren und Spielewelt zugunsten einer photorealistischen Darstellung verzichtet wurde. Diese Entscheidung der Gamedesigner äußert sich jedoch nicht nur während den (phänomenalen) Zwischensequenzen. Der Grad des Realismus ist in der gesamten Spielverlauf integriert und bestimmt (nahezu) alles. Autos lassen sich nicht mehr, ohne zu bremsen, um 90-Grad-Kurven steuern. Der Protagonist stirbt sehr schnell, wenn er sich mit der Polizei anlegt. Die Kleidung der Hauptfigur ist nass, nachdem er im Wasser war. Explosionen erzeugen realistischen Rauchentwicklung. Es gibt Momente, da erwischt einen der neuartige Realismus eiskalt, so zum Beispiel wenn Nico Bellic mit Vollgas gegen ein Hindernis fährt und folgerichtig durch die Frontscheibe auf die Straße geschleudert wird. Diese Momente kommen einem Erwachen aus der Traumwelt der PS2-GTAs gleich, in welchen andere Elemente den Spielalltag bestimmten. Die Eingewöhnungszeit (gerade im Bezug auf die neuartige Fahrzeugsteuerung) verlangt dem Spieler einiges ab, jedoch wird man mehr als entsprechend belohnt und wer sich einmal auf diesen neuen Realismus einlässt, der will nie wieder zurück.
2. Spielewelt:
Un-glaub-lich! Das ist die prägnante Zusammenfassung der ersten (nicht auftragsgebundenen) Spielminuten. Wenn man die Straße vor Nikos erstem Unterschlupf betritt und den „Bewohnern“ von Liberty City bei ihren alltäglichen Aktivitäten einfach nur zuschaut, dabei kann schon so manche Spielstunde draufgehen. Passanten tragen Einkaufstaschen umher, telefonieren mit ihren Handys oder begehen Verbrechen. Diese Verbrechen werden, genau wie die des Spielers, von der Polizei geahndet. So rückt auf einmal eine Streife an und der Spieler denkt: „Die sind hinter mir her.“ Stattdessen wird man unmittelbarer Zeuge einer Verhaftung, inklusive Megaphon-Ansage, Drohung und Abführung. Hier bricht der zuvor beschriebene Realismusgrad herein, welcher die ganze Spielewelt determiniert. Zudem weiß das Spiel mit vielen liebevollen Details, wie einem graphisch eindrucksvollen Tag- und Nachtwechsel (diese Sonnenaufgänge!!!) oder einer intakten Straßenreinigung zu begeistern. Man hat einfach zwischenzeitlich das Gefühl, diese Stadt existiert wirklich.
3. Missionen/Gameplay:
Der Realismus und die Spielewelt für sich allein genommen würden jedoch keinen gestandenen GTA-Fan hinter dem Ofen hervorlocken, wenn es nicht eine gigantische Fülle an Aufträgen in dieser Welt zu erledigen gäbe. Im Singleplayer-Modus ergibt sich allein durch diese Aufträge eine Spielzeit von 40 Stunden, was sich durch aus mit dem direkten Vorgänger (San Andreas, 2004) messen kann. Besonders gut ist diesmal die Integration der Aufträge in die Geschichte des Spiels gelungen, sodass etwa 80% der Missionen im direkten Zusammenhang mit der Haupthandlung stehen, während die restlichen eher als Nebenmissionen gelten können. Man spielt das Spiel quasi in Abschnitten. Mal holt man sich Aufträge von Auftraggebern ab, zu anderen Zeitpunkten wird man auf dem Handy angerufen und eine Mission beginnt direkt. Diese unvermittelten Missionen haben oft Event-Charakter und machen dementsprechend besonders viel Spaß. Neben diesen Event-Missionen gibt es natürlich auch das GTA-typische „Füllmaterial“, welches sich aber in erfreulichen Grenzen hält. Im Bezug auf die Missionen ist auch die einzige nennenswerte Schwäche des Spiels zu nennen: Scheitert man bei einer Mission hat man zwar die Möglichkeit, sie per Handy direkt von vorn zu beginnen, allerdings muss man immer wieder dieselbe Fahrstrecke zurücklegen um an den Ort des Geschehens zu gelangen. Dies ist gerade bei späteren Missionen, die zum Teil 5-10-minütige Fahrstrecken durch die gesamte Stadt vom Spieler verlangen, ein wahres Ärgernis. Dieser Frust fällt allerdings nicht so stark ins Gewicht, wenn man eine der Highlight-Missionen spielt und diese erfolgreich abschließt. Beste Beispiele sind hier: Der Banküberfall und die letzte Mission. Diese Highlight-Missionen sind Beispiele davon, wie nah GTA IV in seinen besten Momenten an das perfekte Spielerlebnis heranreicht. Diese Highlights sorgen auch dafür, dass die Motivationskurve (trotz langer Spieldauer) nie abflacht und man immer wissen will, wie es weitergeht.
Um es auf den Punkt zu bringen: GTA IV, das ist ein phänomenales Ereignis digitaler Unterhaltung. Es hat im vergangenen Jahrzehnt lediglich zwei Spiele gegeben, die der Genialität und der Spieltiefe dieses Meisterstücks ebenbürtig sind: Resident Evil 4 (2005) und The Legend of Zelda: Twilight Princess (2006). Diese drei Titel markieren die Speerspitze der Unterhaltungsgattung Videospiel. Die Tatsache, dass sich GTA IV ganz oben einreihen darf spricht auch dafür, dass die Serie (nach vergangenen Erfolgen) nun auch einen festen Platz im Kanon der Next-Gen-Konsolen innehat. Man darf auf der nächsten Teil der Serie mehr als gespannt sein!
10/10
Auftrag Rache (Edge of Darkness)
Nach mehrwöchiger Sneak-Abstinenz, ging es gestern um 23.00 mal wieder in die heiß geliebte Bochumer Überraschungspremiere. Kredenzt wurde dem Publikum “Edge of Darkness”, ein grundsolider Krimi/Thriller, welcher den hohlen deutschen Titel “Auftrag Rache” trägt. Bei diesem Film geht es um die Ermordung von Emma Craven, welche im Haus ihres Vaters von Unbekannten mit einer Schrotflinte erschossen wird. Ihr Vater Thomas Craven (Mel Gibson), seines Zeichens Bostoner Polizist, übernimmt eigenhändig die Ermittlungen und deckt schon bald eine Verschwörung auf, die weit über das Leben seiner Tochter hinausgeht. Eins muss vorneweg gesagt werden: Bei diesem Thriller bekam Mel Gibson eine Rolle, die wie für ihn geschaffen ist. Wie zuletzt in “Payback” (1999) darf Gibson bei “Edge of Darkness” richtig aufräumen und bei seinen Ermittlungen eine nicht zu übersehende Blutspur hinterlassen. Dabei steht wie bei vielen ähnlichen gelagerten Filmen jedoch nicht die Gewalt sondern die Informationsbeschaffung und Befragung im Vordergrund. Gewalt kommt zwar auch vor, sie bleibt aber immer so lange im Hintergrund bis sie für den entwöhnten Zuschauer wie ein Schlag in die Fresse wirkt. Allein die Eingangsequenz, welche in der Erschießung vor Cravens Tochter mündet ist bitter-brutal und knallhart-realitisch inszeniert, was auf viele der Actionszenen zutrifft. Allerdings sind diese Gewalteruptionen nicht Dreh- und Angelpunkt des Thrillers. Es wird viel mehr auf eine differenzierte Charakterzeichnung geachtet. Die “Bösen” stellen sich als skrupellose Großindustrielle dar, wie es sie in der heutigen Zeit immer häufiger gibt. Gewissermaßen handelt der Film auch von der Unantastbarkeit bestimmter Personen, die abseits der Gesetze ihren dunklen Machenschaften nachgehen. Dies äußert sich vor allem in einer späteren Szene, als sich Craven offenbart, dass sein bester Freund ebenfalls von Regierung und Unternehmen gekauft und auf ihn angesetzt wurde. Bei der steigenden Hoffnungslosigkeit kommt es am Ende einer gewissen Genugtuung gleich, auf welcher Art und Weise Craven seinen Rachefeldzug vollendet. Es bleibt der nachhaltige Eindruck eines erstaunlich guten Thrillers zurück, dessen Dialoge die nötige Spannung beinhalten und dessen Gewaltszenen einem mehr als einmal die Spucke wegbleiben lassen. Allerdings trennt eine tiefgründigere, verschachtelte Auflösung des Rätsels der Film von höheren Wertungsregionen. Deshalb bleibt es bei 3 1/2 von 5 Killer-Milchflaschen für diesen grimmigen, reinrassigen Sneakfilm.
Das Kabinett des Doktor Parnassus (The Imaginarium of Doctor Parnassus)
An Mr. Terry Gilliam,
Hollywood
Hallo Terry,
du glaubst gar nicht, wie ich mich gefreut habe, als ich hörte, dass du einen neuen Film machst. Ich erinnere mich noch genau, damals, als ich dich nur als Teil von Monty Python kannte, diesem Haufen englischer Irrer. Dein Name – und die Tatsache, dass du in Wahrheit Amerikaner bist – wurde mir erstmals bewusst, als ich die Geschichte zur Gesellschaft mit beschränkter Hoffnung (Crimson Permanent Assurance) hörte: Der Kurzfilm, der eigentlich als wenigminütiges Intro zum Sinn des Lebens gedacht war, den du dann aber zu einem sechzehnminütigen Kurzfilm ausbautest, weil niemand dir sagte, du mögest doch bitte aufhören. Das war so surreal, so un-Hollywoodesk, dass ich fasziniert war.
Irgendwann später wurde ich dann nacheinander mit Time Bandits und Brazil konfrontiert. Ja, ich sage absichtlich konfrontiert, weil normalerweise auf irgendeine mysteriöse Weise schon nach den ersten Minuten erkennbar ist, ob ein Film von dir stammt. Time Bandits begann noch relativ harmlos, endete aber auf so bitterbitterböse Art und Weise, dass kein Zweifel mehr bestand. Auch Brazil strotzte nur so vor Gilliamismus, vor Ideen, vor Wahnsinn und vor Chaos, dass es eine wahre Freude war. Gleiches galt für König der Fischer und natürlich den großartigen Twelve Monkeys – auch wieder mit einem bitterbösen Ende.
Gut, über Die Gebrüder Grimm müssen wir jetzt nicht reden, ich weiß, das war ein dunkles Kapitel. Ich glaube zwar nicht an den Gilliam-Fluch, aber irgendwie scheinst du derartige Schwierigkeiten magisch anzuziehen. So ja auch beim wohl krassesten Film deiner Karriere, Tideland, bei dem dir nicht nur das Geld sondern auch das Wetter beinahe zum Verhängnis geworden wäre. Da Gerüchte über diesen Fluch zu konstruieren, ist wohl nicht so weit hergeholt.
So auch jetzt, bei Parnassus. Dass Heath Ledger während der Dreharbeiten gestorben ist, hat wohl alle Welt mitbekommen, aber dass auch der Produzent, Bill Vince, kurz nach den Dreharbeiten starb, ist irgendwie untergegangen. Doch wie ja jetzt alle Welt schreibt, sind die drei Freunde Ledgers, Johnny Depp, Jude Law und Colin Farrell eingesprungen und haben Ledgers Szenen komplettiert.
Ach, jetzt habe ich so viel geschrieben… Dabei wollte ich dir eigentlich nur erzählen, wie ich Parnassus fand. Also zunächst ist das natürlich explizit ein Kino-Film. Ich hatte das Gefühl, dass man dir endlich mal etwas mehr Geld in die Hand gedrückt und weniger Fesseln angelegt hat als bisher. Niedergeschlagen hat sich das insbesondere in sehr wahnsinnigen CGI-Szenen, die ich sehr gelungen fand. Auch Parnassus’ Wagen, mit dem er von Auftrittsort zu Auftrittsort tingelt, hatte einen ganz eigenen Charme, ebenso wie die abgewrackten Londoner Gegenden, durch die er damit streift.
Aber weißt du, was mich gestört hat? Ich hatte das Gefühl, es war einfach ein bisschen zu viel für einen Zweistünder. Zu viel Hintergrundstory, zu viele interessante Charaktere, zu viel Magie. Klar, die Grundzüge sind klar und einfach zu verstehen: Parnassus’ Deal mit dem Teufel (Tom Waits ist übrigens sehr großartig), die Handelsbedingungen und die Probleme, die daraus entstehen. Aber ich hatte jede Minute den Eindruck, dass du unendlich viele Ideen im Kopf hattest, woher die Charaktere kommen, wer sie sind, warum sie tun was sie tun, die leider alle nicht mehr in den Film passten. Mir fehlt einfach zeitweise der Zusammenhang, der Hintergrund, auch wenn ich mich wie früher mit größtem Vergnügen in die Gilliam-Achterbahn setze, um mit atemberaubendem Tempo durch die Story gehetzt zu werden.
Ich hoffe, du hast nichts dagegen, dass ich den Brief jetzt auch auf unserer kleinen Filmseite veröffentliche. Da haben wir so ein ganz primitives System, mit dem wir die Dinge, die wir besprechen, bewerten können. Für Parnassus gebe ich dir dreieinhalb Liliputaner, auch wenn dir das jetzt nicht viel sagt. Ich hoffe auf den Neuanfang von Don Quixote. Lass dir Zeit, lass’ dir nicht ‘reinreden, mach dein Ding und ich bin mir sicher, zumindest mir wird er gefallen.
Danke.
Dennis
Die besten Alben des Jahres 2009
Das alte Jahr ist seit nunmehr 5 Tagen vorbei und mit dieser leichten Verspätung trudelt nun auch hier in der Sneakcast-Redaktion meine unvermeidliche musikalische Jahresliste ein. Vorab ein paar lobende Worte: 2009, das war musikalisch gesehen ein fantastisches Jahr! So viele Bands haben sich dieses Jahr ins Zeug gelegt und nicht wenige haben die besten Alben ihrer Karriere abgeliefert. Dies vorweg gesagt möchte ich nun kurz an die besten Alben des Jahres 2008 erinnern:
1. Jack’s Mannequin: The glass passenger
2. The Offspring: Rise and fall, rage and grace
3. The Gaslight Anthem: The ‘59 sound
4. Panic at the Disco: Pretty. Odd.
5. Cute Is What We Aim For: Rotation
6. Feeder: Silent cry
7. Goldfinger: Hello destiny…
8. Simple Plan: Simple Plan
9. Tomte: Heureka
10. Rosenstolz: Die Suche geht weiter
Nach diesem kurzen Rückblick möchte ich auf eine Neueung bei der Bewertung hinweisen. Die diesjährige Top Ten wurde anhand der Durchschnittsqualität der hier aufgeführten Alben gebildet. Diese beruht auf der einzelnen Trackbewertung. Wenn also ein Album 10 Stücke enthält und jedes Stück mit 1 bis 5 Punkten bewertet wird, kann dieses Album maximal 50 Punkte erhalten. Diese Punktzahl geteilt durch die Anzahl der Tracks ergibt die Durchschnittqualität des Albums. Die Angabe über die Gesamtbewertung findet sich jeweils in Klammern hinter dem Namen des Albums.
10. All Time Low - Nothing personal (4,00 von 5 Punkten)
Ungeniert fröhlich, geradeaus frontal abrockender Pop-Punk in Reinstform. So knapp und präzise lässt sich das dritte Studioalbum der Band aus Baltimore, Maryland, am besten beschreiben. Mit dieser Scheibe erlebte die Formation im Sommer in den Staaten ihren kommerziellen Durchbruch und findet mittlerweile auch in Europa immer mehr Anhänger. Anspieltipps: “Weightless”, “Damned If I do ya, damned if I don’t”
9. Meg & Dia: Here, here and here (4,08 von 5 Punkten)
Diese sommertaugliche Scheibe stellt den gelungenen Majorlabel-Ausflug der Frauenrockband Meg & Dia dar. Mit genau der richtigen Mischung aus knackig-charmanten Poprocksongs und verträumten Balladen entern die Mädels (und Jungs) in diesem Jahr Platz 9. Anspieltipps: “What if”, “Bored of your love”, “One sail”
8. The Fray: The Fray (4,10 von 5 Punkten)
Freunde der melancholischen Pianomusik erlebten im vergangenen Februar ihr musikalisches Jahreshighlight. Das zweite Studioalbum von The Fray aus Denver, Colorado, stellte den Vorgänger in den Schatten und bot ausgefeiltere Songs mit mehr Abwechslung. Isaac Hayes’ Gesang ist und bleibt ein Hochgenuss. Anspieltipps: “Syndicate”, “You found me”, Never say never”
7. Placebo: Battle for the sun (4,23 von 5 Punkten)
Eine Band die in Insiderkreisen eher als Kunstobjekt denn als Musikgruppe verstanden wird, kredenzte im Juni ein Album welches meiner Ansicht nach das beste ihrer Karriere darstellt. Battle for the sun ist ein kraftvolles Rockbrett, welches vor unvergesslichen Melodien nur so strotzt. Nur live übertreffen sie das hier auf CD gebannte. Anspieltipps: “Battle for the sun”, “The never-ending why”, “Bright lights”
6. AFI: Crash love (4,25 von 5 Punkten)
Auch AFI haben sich in diesem Jahr ordentlich ins Zeug gelegt, um den Vorgänger (Decemberunderground, 2006) zu übertreffen. Urteil: Mission gelungen! Crash love ist ein fantastisches Album für die Dauerrotation, welches Rock, Pop, genialen Gesang und anspruchsvolle Texte wirkungsvoll miteinander kombiniert. Anspieltipps: “Beautiful thieves”, “Veronica Sawyer smokes”, “Medicate”
5. Green Day: 21st century breakdown” (4,27 von 5 Punkten)
Das langerwartete achte Studioalbum von Green Day enttäuschte auch nicht. Es knüpfte dort an, wo American idiot aufgehört hat und enthielt viele Knaller. Für einen höheren Platz hätte unter den 18 Stücken aber noch mehr Innovatives sein müssen. Anspieltipps: “Viva la Gloria”, “Peacemaker”, “21 guns”
4. Dredg: The pariah, the parrot, the delusion (4,28 von 5 Punten)
Die kalifornische Formation Dredg veröffentlichte im Mai ihr viertes Studioalbum. Bei diesem Konzeptalbum wurde eine Aneinanderreihung von brillianten Midtemposongs durch stimmungsvolle Interludien unterbrochen, sodass diese Platte eine magische Eigendynamik entwickelte, der man sich nicht mehr entziehen konnte. Anspieltipps: “Information”, “Saviour”, “I don’t know”
3. Taylor Swift: Fearless (4,38 von 5 Punkten)
Streng genommen im November 2008 veröffentlicht, schaffte es Taylor Swift dennoch in meine Jahresliste für 2009, unter anderem, weil ich dieses Album auch erst nach dem Abschluss der letzten Jahreliste entdeckte. Es enthält zauberhaften Country-Pop mit zahlreichen Ohrwürmern, perfekt produziert und absolut ansteckend. Anspieltipps: “Love story”, “White horse”, “Tell me why”
2. 30 Seconds to Mars: This is war (4,45 von 5 Punkten)
Dieses brilliante Nachfolgealbum zu A beautiful lie (2005) ist eine Offenbarung, welche 30STM um ein Haar an die Spitze der Jahresliste katapultiert hätte. Die Richtung, welche die Band auf diesem Album einschlagen ist genau so konservativ wie nötig und genau so innovativ wie erwünscht, sodass This is war mit dem Vorgängeralbum auf Augenhöre steht. Anspieltipps: “Kings and queens”, “This is war”, Closer to the edge”
1. Paramore: Brand new eyes (4,54 von 5 Punkten)
Die unangefochtene Krone geht dieses Jahr an… Paramore! Nach ihrem Meilenstein Riot! aus dem Jahr 2007, gelang ihnen mit dem im September veröffentlichten dritten Album der ganz große Wurf: Ein perfekt ausbalanciertes, wildes/ungestümes und emotional/hauchzartes Rockalbum der Extraklasse. Vokalistin Hayley Williams, begleitet von ihren Bandkollegen, erreicht hier ungeahnte Höhen, welche ohne Untertreibung die einpräsamsten musikalischen Momente des Jahres darstellen. Dabei funktioniert der Longplayer über die gesamte Spielzeit in jeder Stimmung. Fazit: Hervorragend! Anspieltipps: “Ignorance”, “Playing god”, Brick by boring brick”, “Looking up”, Where the lines overlap”, “Misguided ghosts”
Diesen Artikel möchte ich mit der Vergabe der Pokale abschließen:
Die Silber-Pokale geht an:
AFI für Decemberundergrund (2006) & Crash love (2009)
Green Day für American idiot (2004) & 21st century breakdown (2009)
Paramore für Riot! (2007) & Brand new eyes (2009)
In diesem Jahr werden keine Gold-Pokale vergeben!
Ein Sommer in New York – The Visitor
Die erste Sneak des Jahres 2010 kredenzte dem Bochumer Sneakpublikum mal wieder einen echten Programmkinofilm, welcher sich fernab von ausgetretenen Hollywood-Pfaden bewegte. Das kleine, stille Kammerstück “Ein Sommer in New York” stellt den Universitätsprofessor Walter Vale (Richard Jenkins) in den Mittelpunkt, welcher nach dem Tod seiner Ehefrau mehr und mehr in die soziale Isolation entgleitet. Als er nach New York fährt um dort auf einer Konferenz einen Aufsatz zu präsentieren, erlebt er beim Betreten seiner Wohnung eine Überraschung: Diese wird nämlich von zwei illegalen Einwanderern bewohnt, dem Pärchen Tarek und Zeinab. Nachdem Walter sich dazu durchringt, die beiden weiterhin bei ihm wohnen zu lassen, beginnt für ihn ein Heilungsprozess. Durch Tareks ansteckende Leidenschaft für Trommelmusik erwächst eine Männerfreundschaft, die nicht nur die kulturellen Unterschiede überwindet, sondern auch Walter wieder ins Leben zurückholt. Damit ist die erste Hälfte des Films ein herzerwärmendes Unterfangen, welches stellenweise in ein Feelgood-Movie abgleitet. Doch dann wird Tarek von seiner Vergangenheit eingeholt, aufgrund eines Missverständnisses verhaftet und schließlich in Untersuchungshaft gebracht. Die zweite Hälfte des Films beschäftigt sich mit der Unfähigkeit von Tareks Angehörigen (u. a. seiner Mutter) mit ihm in Kontakt zu treten und den Bedingungen unter denen Einwanderer in den USA zu leiden haben. Dabei bleibt der Fokus jedoch stets bei Walter, welcher beginnt sich für Tareks Mutter zu interessieren. Am Ende bleibt die Liebe der beiden nur eine romantische Illusion und Walter führt, nachdem Tarek endgültig abgeschoben wurde, den bescheidenen Traum der beiden zu Ende: Einmal in der New Yorker-Ubahn zu trommeln.
Eine pauschale Bewertung des Filmes fällt zunächst nicht leicht: Es ist ein relativ einfach gestrickter Film, welcher zum Großteil von seinen sympathischen Charakteren lebt. Er bewegt sich fernab des Mainstream, weil er sich einem schwierigen Thema in leichtfüßiger Art und Weise nähert. Jedoch schlägt der Film im zweiten Teil nicht immer den richtigen Ton an, sodass es zu dramatisch-unrealistischen Überzeichnungen kommt. Das Drama wird immer unvermeidlicher, was auch dem Zuschauer bewusst wird. Nichtsdestotrotz hat der Film (gerade in der ersten Hälfte) überzeugt, weswegen er auch locker 3 von 5 Trommeln verdient hat.
Sherlock Holmes (OF)
Die letzte Sneak des Jahres 2009 war ein Film, auf den ich schon lange gespannt war: Sherlock Holmes.
Für alle diejenigen, die die Figur “Sherlock Holmes” nur dem Namen nach kennen, sind zunächst ein paar Worte zu den “echten”, von Arthur Conan Doyle geschaffenen Charakteren angebracht. Der echte Holmes ist ein Wissenschaftler und kühler Analytiker, der seine Profession mit Leidenschaft verfolgt. Er ist extrem scharfsinnig und lässt sich nicht von seinen Gefühlen leiten, wohl aber von seinem Instinkt. Watson ist hingegen leichtgläubig und viel eher bereit, sympathisch erscheinenden Personen zu glauben. Er ist als Kriegsveteran zwar zur Not in der Lage, mit Waffen umzugehen, allerdings ein friedliebender Mensch, der Gewalt verabscheut. Irene Adler wird als die einzige Frau beschrieben, die Holmes auf Grund ihres Intellekts bewundert. Da sie aber auf der anderen Seite des Gesetzes steht, ist sie Holmes’ Gegnerin und in einigen Fällen auch seine Gegenspielerin.
Schon der Trailer zum Film Sherlock Holmes zeigt, dass Guy Ritchie’s Charaktere von Doyle’s stark abweichen. Ansonsten wären Robert Downey Jr. (Holmes) und Jude Law (Watson) wohl auch die falsche Besetzung. Es war also klar, dass der Film keine originalgetreue Verfilmung darstellen würde, und dementsprechend richtete ich mich auf eine Persiflage ein. Was allerdings letztendlich im Film zu sehen war, enttäuschte meine Erwartungen auf ganzer Linie.
Der Film beginnt damit, dass Holmes und Watson ein Ritual vereiteln, in dem Lord Blackwood ein Mädchen opfern will. Lord Blackwood wird festgenommen und hingerichtet, taucht danach jedoch wieder in London auf und mordet weiter. Diese Geschichte passt an und für sich gut zu Sherlock Holmes, der häufig mit Fällen zu tun hat, in denen vermeintlich übernatürliche Phänomene auftauchen. In den Geschichten lassen sich diese Phänomene stets rational erklären, nachdem Holmes Fakten gesammelt und Hypothesen entworfen hat.
Downey Jr.’s Sherlock Holmes sorgt hingegen zwar für reichlich Action und gerät oftmals in die Bredouille. Die Sherlock Holmes typische Logik wendet er allerdings nur selten an, und seine Untersuchungen brauchen nur zwei Sekunden. Gedankliche Schritte spielen eine Nebenrolle und sind für den Zuschauer nicht nachvollziehbar. Watson ist der Mann für’s Grobe, der seinen Freund belächelt und ihn umsorgt. Und Irene Adler ist so in Holmes verliebt, dass sein Wohlergehen für sie wichtiger als Professionalität ist. Die Charaktere sind also insgesamt schief.
Das wäre nicht weiter dramatisch, wenn der Film den Charakterwandel bewusst komödiantisch ausnutzen würde. Immerhin gibt es bereits über 200 Filme über Sherlock Holmes, so dass eine eigenständige und eigenwillige Interpretation durchaus wünschenswert sein kann. Der Film ist jedoch nicht lustig (viel mehr Witze, als im Trailer zu sehen sind, gab es nicht), keine Charakterstudie, kein kriminalistisches Meisterwerk…eigentlich nichts Besonderes.
Man muss sich daher ernsthaft fragen, durch was dieser Film seine Daseinsberechtigung als Sherlock Holmes-Verfilmung erhält. Der Film ist eine ganz nette Actionkomödie, die man sich mal angucken kann - mehr aber auch nicht, und ganz sicher kein adäquater Sherlock Holmes-Film. Für eine Persiflage auf Holmes (was vermutlich gewollt war) fehlt es an Witz, Esprit und guten Einfällen. Chance vertan.
Daher nur zwei von fünf Pfeifen für Sherlock Holmes.
Anne
30 Seconds to Mars – This Is War
So, der Moment der Wahrheit ist gekommen. Das am meisten erwartete Album des Jahres 2009 wird rezensiert. Die Spannung war groß, die letzten Wochen vor derm Erscheinungstermin kaum auszuhalten. Jetzt ist es da! Zur Band muss ich ja nicht mehr viel sagen, also komme ich gleich zur Musik.
1. Escape Zu Beginn wird gleich deutlich gemacht, wohin die Reise diesmal geht: Ganz nach oben. Der Moment in dem dem der Hörer zum ersten Mal der Chor die Worte “THIS IS WAR” entgegensingt ist Gänsehaut pur. Ein gelungener Auftakt. 4/5
2. Night of the Hunter Nach dem Intro folgt gleich das erste Stück mit Superlative. Die elektronischen Elemente und der interessante Aufbau sowie Jared Letos famoser Gesang lassen das Stück zum Knaller werden. 5/5
3. Kings and Queens Die erste Single begeistert gerade nach mehrmaligem Hören immer mehr. besonders das Wechselspiel zwischen Strophe und Refrain sowie die epische Breite des Refrains heben das Stück heraus. Großes Kino im Stil von From Yesterday. 5/5
4. This Is War Mit dem vierten Stück folgt das was man einer Band wie 30STM einfach zutraut: Einen unsterblichen Song zu schreiben. This Is War, das ist nicht mehr und nicht weniger als der grandioseste Rocksong des Jahres 2009. Ein genial ausgeklügeltes Arrangement in der Strophe, ein Refrain der (noch mehr als The Kill) vom Hocker reißt und eine Bridge in der eine musikalische Höhe erreicht wird, die man sonst nur bei Angels & Airwaves findet. Das alles sorgt für offene Münder. Absolute Spitzenklasse! 6/5
5. 100 Suns Der akustische Nachklang von This Is War stellt den Ruhepol der Platte und die Entsprechung von A Modern Myth dar. Schön! 4/5
6. Hurricane Nach Night of the Hunter der zweite Song, der verstärkt auf elektronische Elemente setzt. Die Melodie ist klasse und es entsteht eine phantastische, düstere Atmosphäre. Leider ist das Stück mit über 6 Minuten einen Tick zu lang geraten. Deshalb nur 4/5
7. Closer to the Edge Hier legen 30STM etwas offen, das man sonst mit der Lupe suchen musste: Optimismus. Der Song rockt so ungeniert nach vorn, dass es fast unverschämt wirkt und wenn die Bridge auch noch so punktgenau passt, dann weiß man das Stück noch mehr zu schätzen. 5/5
8. Vox Populi Dieses Stück erinnert am offensichtlichsten an Angels & Airwaves. Leider gelingt es nur bedingt, den Panorma-Refrain so auszubreiten, dass es auf Dauer überzeugt. Dennoch holen die Strophen und die Bridge einiges heraus. 4/5
9. Search and Destroy Ein weiteres eher positives Stück, welches auch sehr ins Ohr geht. Es ist sehr gut gelungen, aber leider fehlt der letzte Schliff. 4/5
10. Alibi: Neben dem ruhigen 100 Suns das einzige Stück, was man als Ballade bezeichnen könnte. Und was für eine! Das große Plus hierbei ist die Authentizität. Hier wirkt nichts bemüht, gekünstelt oder zurechtgebogen. Es ist wie es sein soll. Daher 5/5.
11. Stranger in a Strange Land Das letzte Stück fällt in die Kategorie “puristisches, elektronisches Experiment”. Es ist fast 7 Minuten lang und sehr schwergängig und wenig eingängig. Es wird ein komplexer Soundteppich entfaltet, welcher sich jedoch deutlich sperriger gestaltet als der Rest des Albums. 3/5
So da ist es nun! This Is War, das am meisten erwartete Album 2009. Ich muss sagen, dass es meinen Erwartungen zu 95% gerecht geworden ist. Warum nur 95? Tja, diesmal liegt es nur an kleineren Nuancen, warum dieses Album die begehrteste Auszeichnung des Musikjahres (den Titel des “Albums des Jahres”) nicht verdient. This Is War ist ein von vorne bis hinten in sich stimmiges Album, welches sich durch eine fantastische Produktion, Abwechslungsreichtum und die perfekte Gesangsleistung Jared Letos auszeichnet. Unter diesem Voraussetzungen wäre es ein Klacks gewesen, die Spitze meiner persönlichen Jahrescharts zu entern. Allerdings wird an manchen Stellen das musikalische Panorama etwas zu weit ausgebreitet, sodass die Geduld des geneigten Hörers auch mal auf die Probe gestellt wird. Für diese Geduld wird man zwar immer belohnt, es erfordert jedoch auch, dass man 1. in der entsprechenden Stimmung ist und 2. sich vollkommen auf die Musik einlässt. Sind diese beiden Faktoren gegeben erhält man mit This Is War ein fantastisches Gesamtkunstwerk, welches A Beautiful Lie in nichts nachsteht. Aus diesem Grund erhält dieses Album ebenfalls 4 1/2 von 5 Sternen, landet in der Jahresliste aber nur auf dem zweiten Platz.