19. November 2008
Kurz vor dem jährlichen Sneak-Marathon (über den hier in Kürze berichtet werden wird) bescherte uns die Sneak in Münster einen deutschen Film. Im Winter ein Jahr ist der neue Film von Caroline Link, die bislang als einzige deutsche Regisseurin einen Oscar erhalten hat (für Nirgendwo in Afrika). Nach dem, was ich bei Im Winter ein Jahr gesehen habe, würde ich sagen, dass sie eine solche Auszeichnung verdient hatte. Gute Schauspieler, stimmige Kameraführung und eine ruhige, atmosphärische Erzählweise machen diesen Film zu einem durchaus gelungenen Werk.
Im Winter (der Film beginnt im Spätsommer und endet beim ersten Schnee) ist es ein Jahr her, dass der 19-jährige Alexander gestorben ist. Seine Mutter (Corinna Harfouch) beauftragt den Maler Max Hollander (Josef Bierbichler), ein Bild von dem verstorbenen Alexander und der (noch lebenden) Tochter Lilli (Karoline Herfurth) zu malen. Während Max versucht, etwas über Lilli und Alexander und ihr Verhältnis zueinander zu erfahren, wird der Zuschauer immer mehr in den Bann der komplexen Beziehungen gezogen, die die einzelnen Familienmitglieder zueinander haben.
Schnell wird klar, dass Lillis Probleme im Mittelpunkt des Films stehen. Schon die allererste Szene des Films vermittelt einen Eindruck, worin diese bestehen: Alexander tanzt mit geschlossenen Augen und Walkman durch den Garten, während die ersten Schneeflocken fallen. Seine Mutter filmt ihn dabei lachend mit der Videokamera. Dann wechselt die Kamera und man sieht, wie Lilli die beiden durch ein Fenster im oberen Stockwerk beobachtet - allein, verlassen, vergessen. Den ganzen Film über kann man beobachten, dass die Eltern ihrer Tochter nur oberflächliche Aufmerksamkeit schenken. Symptomatisch ist die Szene, wie der Vater sie nach ihren Fortschritten an der Tanzakademie, an der sie studiert, fragt, das Thema jedoch sofort fallen lässt, ohne ihr eine Chance zu geben, wirklich darüber zu sprechen. Wenig wundert es den Laienpsychologen, dass Lilli eine insbesondere sexuell herausfordernde Gestik und Mimik entwickelt. Hier lebt der Film wie in weiten Teilen von der glänzenden Darbietung von Karoline Herfurth, die ihr schauspielerisches Format in dieser schwierigen Rolle beweist.
Der Film ist auf seine eigene Art spannend, weil man nicht vorhersagen kann, wie der Film weitergehen wird. Während verschiedene Handlungsstränge auftauchen, vermittelt der Film insgesamt ein großes Stimmungsbild einer Familie, die mit einem Verlust klarkommen muss. Das Thema des Films ist u.a. Trauerbewältigung, und Caroline Link gelingt es wunderbar, das Thema abzuhandeln, ohne ins Kitschige zu verfallen. Diejenigen, die den Film gesehen haben, mögen mal versuchen, sich vorzustellen, wie dieser Film von einem stereotypen Hollywood-Regisseur gedreht worden wäre - nicht auszudenken! Dass das Ende bei einem solchen Film naturgemäß eher offenbleibt, ist zwar schade, wohl aber kaum zu vermeiden.
Alles in allem durchaus sehenswert: 4 von 5 Sternen.
Anne
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18. November 2008
Die Bochumer Sneak hatte sich während der ersten 4 Besuche (The House Bunny, Eagle Eye, Willkommen bei den Sch’tis & New York für Anfänger) durch Abwechslungsreichtum ausgezeichnet. Doch eines hatte mir bisher gefehlt: Ein reinrassiger Sneakfilm! Gestern abend war es also endlich soweit. Weg mit dem gepflegten Mainstream und dem Publikum ein skandinavisches Kleinod krendenzen! So hab ich das gern.
So finster die Nacht ist eine schwedische Produktion, die sich zwischen Horrorfilm und Jugenddrama bewegt. Der zwölfjähirge Oscar lernt seine Nachbarin Eli kennen und die beiden Kinder werden Freunde. Was Oscar zunächst nicht weiß ist, dass Eli ein dunkles Geheimnis birgt: Sie ist ein Vampir!
Während zu Beginn des Filmes nur angedeutet wird, was es mit dem seltsamen Mädchen auf sich hat entfaltet der Film sein wahres Potenzial, als Oscar die wahre Natur seiner Freundin bewusst wird. Das ganze wird in düsteren Bildern eingefangen und ist stimmungsvoll inszeniert. Die Geschichte entwickelt sich langsam, was der Charakteren viel Platz für Entwicklung einräumt. Gerade durch das gemächliche Erzähltempo wirken die eingestreuten Horror- und Splatterelemente umso effektvoller! In dieser düsteren Welt verkommt die Gewalt doch nie zum Selbstzweck und der Kampf des Vampirs gegen seine natürlichen Triebe (seinen Blutdurst) wird interessant beleuchtet. Dabei brillieren die beiden Jungsdarsteller Kare Hedebrant und Lina Leandersson in ihren jeweiligen Rollen, wobei Hedebrant den Außenseiter Oscar und Leandersson den uralten Vampir in Kindsgestalt Eli überzeugen mit Leben füllen.
Vollkommen unverständlich waren mir die Reaktionen des Publikums, die den Film weder ernst nahmen, noch zu schätzen wussten. Das scheint ein weiteres Kriterium für einen Sneakfilm zu sein: Er spaltet das Publikum. Insgesamt vergebe in 4 von 5 Rubikwürfeln für diesen stimmungsvollen Horrorfilm.
Terje
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17. November 2008
Dies wird eine untypischer Sneakcast-Artikel. Eigentlich passt er auch gar nicht so recht auf die Seite. Aber manche Sachen müssen einfach mal gesagt werden. Und so werde ich heute, an diesem denkwürdigen Tag, ein paar Worte über Blink-182 verlieren. Die beliebteste Punkband des neuen Jahrtausends, welche sich Anfang 2005 auflöste, veröffentlichte nämlich genau heute vor exakt 5 Jahren ihr letztes Studioalbum.
Was war nun also so besonders an dieser Band? War es der zotenreiche Fäkalhumor? War es die Simplizität ihrer frühen Musik? Warum sind sie heute noch so präsent, obwohl sie sich aufgelöst haben? Warum laufen immer noch Legionen von Fans mit Bandshirts durch die Straßen? All diese Fragen kann man mit Verweis auf das bereits erwähnte Album beantworten: Blink-182.
Das selbstbetitelte letzte Studioalbum der Band offenbarte nämlich das, was ihre vorigen Werke nur erahnen ließen: Das es sich bei dieser Band nicht um eine x-beliebige Punkband handelt, die auf einer Erfolgswelle mitschwamm. Manche behaupten sogar, dass sie es waren, die den Punk einer ganzen Generation erschlossen. Mag sein, dass ich voreingenommen bin, da ich zufälligerweise auch durch diese Band (und The Offspring) an diese Musikrichtung gekommen bin, die ich heute noch liebe.
Diese Vorgeprägtheit außer vor gelassen muss einfach folgendes gesagt werden:Das Album ist ein mitreißendes Erlebnis und strotzt nur so vor Abwechslung und unvorhersehbaren Experimenten. Der Partykracher „Feeling this“, die halbakustische Ballade „I miss you“, das Piano-Zwischenspiel mit gesprochenem Liebesbrief, die Reise in den Weltraum „Asthenia“, die 80er-Hommage „Always“, das Duett mit Robert Smith von The Cure „All of this“ und das epochale Finale „I’m lost without you“. Das sind musikalische Momente, die sich unwiderrufliche im Gehör verankern.
Die früheren Alben wusste natürlich auch zu gefallen, aber keines genießt bei mir so einen entrückten Status wie ihr musikalisches Vermächtnis. Ich würde sogar soweit gehen, zu behaupten, dass es eines der besten Alben ist, die ich besitze. Und wenn man das nach 5 Jahren noch behaupten kann, dann weiß man, dass man etwas besonderes vor sich hat. Und etwas, das doch zu Sneakcast passt, einer Seite die sich mit dem außergewöhnlichen, oder gewöhnlich unbeachteten beschäftigt.
Terje
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- "I miss you"
- Einer der 14 unsterblichen Songs.
11. November 2008
New York für Anfänger ist eine nette amerikanische Komödie für zwischendurch, die einige gute Gags zu bieten hat, einen aber insgesamt nicht von den Socken haut. Es geht um den Emporkömmling Sidney Young (Simon Pegg [Hot Fuzz]), der ein lukratives Stellenangebot bei einem New Yorker Szenemagazin annimmt. Dort angekommen muss er feststellen, dass sich die Dinge anders als daheim in England verhalten und dass er mit seiner tollpatschigen und unhöflichen Art keinen Blumentopf gewinnen kann. Doch schon bald, nach einigen komischen Situationen, gelingt ihm der Aufstieg in die glamouröse Welt der Stars, wo er vor neue Herausforderungen gestellt wird…
Zugegeben, der Film erfindet das Rad nicht neu, das braucht er aber auch gar nicht. Er hat einige gute Lacher zu bieten und überspielt die flache Handlung gekonnt. Das Ensemble (neben Pegg geben sich Kirsten Dunst, Megan Fox, Jeff Bridges und Gillian Anderson die Ehre) ist gut aufgelegt und die Dialoge kommen auch in der deutschen Fassung schwungvoll rüber. Leider hat der Film gerade in der zweiten Hälfte einige Längen und das Ende ist typisch-kitschig-amerikanisch. Nichtsdestotrotz ein netter Sneakfilm, der zweieinhalb von fünf La Dolce Vita-Schallplatten verdient hat.
Terje
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- Der Film bei IMDb
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4. November 2008
26 blutdurstige Hunde sprinten getrieben von unstillbarem Rachedurst als unaufhaltsame Meute durch die Nacht, durch Menschenmengen, durch die Stadt, bis sie schließlich ihr Ziel erreichen — unter dem Fenster ihres einstigen Peinigers bellen sie die Anklage aus ihren Kehlen. Nacht für Nacht suchen die Bestien Boaz in seinen Träumen heim. Eines Tages erzählt er seinem alten Freund und Kriegsgefährten Ari von dem Albtraum, doch Ari hat alle Erinnerungen an ihrer Zeit im Libanon verdrängt hat und wird sich dieses Verdrängens erst durch Boaz’ Traum bewusst. Die Frage, welch Grauen damals geschah, lässt Ari fortan nicht mehr los und er versucht schließlich, seine Vergangenheit wiederzufinden, indem er Freunde, Kameraden und Leidgenossen auf der ganzen Welt aufsucht. Bald schon kehrt seine Erinnerung in surrealen, beinahe psychedelischen Bildern zurück.
Diese autobiographische Dokumentation in Form eines Animationsfilms von und über Ari Folman kann man nur als Meisterwerk auf ganzer Linie bezeichnen. Die herausragend komponierten Bilder setzen das auf realen Interviews basierende Geschehen feinfühlig und technisch perfekt in Szene. Dabei wird das gesamte Repertoire von abstrakt-monochrom über analytisch-realistisch bis zu psychedelisch, an Pop-Art erinnernd stilsicher genutzt. Entsprechend werden die Bilder der mehrschichtigen Handlung, im Rahmen derer Gegenwart und Vergangenheit sowie Erinnerung und Realität zusehends in einander übergehen, voll und ganz gerecht. Die Wahl einer kraftvollen Perspektive gepaart mit ungewöhnlichen Schnitten und gewagten Einstellungen vermag zusammen mit dem eingängigen Soundtrack auf ganzer Linie zu überzeugen.
Gerade durch den abstrakten Animationstil und die unwirklichen, teils grotesken Elemente wie Aris Walzer mit dauerfeuerndem Maschinengewehr inmitten eines tödlichen Kugelhagels oder die Deliriumsvision einer überlebensgroßen nackten Frau als schwimmendes Rettungsboot wird die Darstellung des Krieges ertragbar. Doch bald merkt der Zuschauer, dass er so zwar von der physischen Brutalität der Kriegshandlung verschont bleibt, den psychischen Druck und moralischen Verfall dafür aber in ganzer Härte präsentiert bekommt. Man sitzt mit einem vor Schrecken eingefrorenen Grinsen wie erstarrt im Kino und möchte weinen — über den Krieg, über die Menschen, über alles — bis plötzlich die Bilder real werden und man selbst allein ist — nur mit dem Geräusch des eigenen Atems und den Schreien des Massakers von Sabra und Schatila.
Eine sehenswerte Dokumentation, deren Härte nicht unter dem erfrischend avantgardistischen Stil leidet.
Patrick
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Links zum Beitrag:
- Offizielle Seite zum Film. (en)
- Waltz with Bashir bei IMDb. (en)