27. Januar 2009

Zeiten des Aufruhrs (Revolutionary Road)

Category: Film — Dennis @ 13:02

Zeiten des Aufruhrs (Revolutionary Road) Connecticut in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts. In der Revolutionary Road steht ein kleines, süßes Häuschen, das sich an einen kleinen, süßen Hügel schmiegt. In diesem Haus wohnen Frank und April Wheeler, ein glückliches, zufriedenes Ehepaar mit zwei Kindern. Frank arbeitet in der Stadt bei einer großen Firma in einem Job, der ihm keinen Spaß macht und April kann sich mit dem heilen Vorstadtleben nicht so wirklich abfinden. Also schmieden beide Pläne, die Einöde zu ver- und sich auf ein großes Abenteuer einzulassen. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man kennt…

Revolutionary Road (ich benutze jetzt nicht den merkwürdigen deutschen Titel) zeigt uns die typische Kleinstadtmentalität der Fünfziger. Ein sauber gemähter Rasen ist wichtiger als eine funktionierende Ehe, die geputzten Fenster bedeutender als die dahinter liegende Harmonie. Jeder spielt jedem die perfekte Harmonie vor, oft sogar sich selbst.

In dieser Welt finden sich Frank (Leonardo di Caprio) und April (Kate Winslet) plötzlich wieder, ohne wirklich zu wissen, wie es dazu kam und wer daran schuld ist. Allein in den ersten Minuten, noch bevor überhaupt der Titel über die Leinwand flimmert, zeigt uns der Film die gesamte Bandbreite der Beziehung zwischen Frank und April, von deren harmlosen Kennenlernen bis zum großen Krach.
Im Laufe des Films eskalieren die Situationen immer weiter und wir sitzen mit offenen Mündern im Kino und hören und sehen, was beide sich an die hochroten Köpfe werfen.

Schauspielerisch ist Revolutionary Road ganz, ganz großes Kino. Aprils Versuche, aus der hoffnungslosen Leere zu entkommen, Franks fehlgeleitetes Verantwortungsbewusstsein, all das ist bis ins letzte glaubhaft. Auch bis in die letzten Nebenrollen (David Harbour, Kathryn Hahn oder Kathy Bates) ist der Film großartig besetzt.
Insbesondere Michael Shannon als John Givings, Sohn der Vermieter, ehemaliger Mathematiker und Psychiatriepatient, verdient eine Erwähnung. Er taucht unvermittelt wie ein Anti-deus ex machina auf, stochert so lange im Leben der Wheelers herum, analysiert und interpretiert scham- und vorurteilslos, bis die Situation eskaliert. Teilweise vielleicht ein bisschen over the top, aber meist ohne die klischeehaften Psychiatriepatient-Anwandlungen, dafür mit viel messerscharfem Gespür für die kleinen Lügen und Ungenauigkeiten des Alltags.

Revolutionary Road ist ein sehr eindringlicher Film über solche teils esoterisch anmutenden Themen wie Selbstverwirklichung, das Glauben an die eigenen Fähigkeiten und die Bereitschaft, eine an sich unerträgliche Situation zu ertragen – ob aus Liebe, Selbstlosigkeit oder Dummheit. Uns wird die spießige und scheinheilige Gesellschaft vor Augen geführt, die Andersdenkende ausgrenzt und jedem den einzig wahren way of life aufzwingen will. Konsequent erforscht der Film eben diese menschlichen Abgründe und führt sie uns unter dem Mikroskop des Lebens in der Kleinstadt vor.

Und so kommt es zu einem der beiden Enden, die überhaupt möglich sind. Wenn danach dann der Kreis sich schließt, die Vermieter im Schaukelstuhl sitzen und sich über das nette junge Ehepaar unterhalten, das gerade in das kleine, süße Häuschen an dem kleinen, süßen Hügel in der Revolutionary Road gezogen ist, dann sind wir wieder da, wo wir angefangen haben. Und die einzige Möglichkeit, dies zu ertragen, ist, nicht mehr daran zu denken.

Ein sehr, sehr krasser Film, an den ihr, so ihr euch denn auf ihn einlasst, noch lange, nachdem ihr das Kino verlassen habt, denken werdet.

Viereinhalb von fünf Whiskygläsern (ihr müsstet mal sehen, was die da geraucht und gesoffen haben, unglaublich). Ansehen. Jetzt!

Dennis

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Links zum Beitrag:
Revolutionary Road bei imdb
Der Trailer bei youtube
Sam Mendes, übrigens!

1 Kommentar

  1. Besonders gelungen finde ich das Verweben der verschiedenen Ebenen:die spießige Mittelschichtfamilie, der verzweifelte Versuch der Frau, sich aus den Zwängen des Hausfrau-,Mutter- und Ehefrau-Daseins zu befreien und die Hoffnung auf Europa zu fokussieren (Paris). Nicht wissend, dass sie die gleichen Zwänge dort auch wiederfinden würde. - So ist es in der BRD erst seit den 70er Jahren im BGB verankert, dass Frauen auch gegen den Willen ihrer Ehemänner berufstätig sein dürfen.

    Kommentar by Jost — 31. Januar 2009 @ 10:33

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