30. Oktober 2008
Die Sneak in Münster scheint sich gerade in eine multikulturelle Phase zu begeben. Nach fast einem Jahr mit nur deutschen oder englischen Fassungen kam am 21.10. endlich ein französischer Film, der zwar auch als deutsche Fassung, zusätzlich aber als OmU lief. (Und das ist noch gar nichts im Vergleich zum Film vom 28.10., den Patrick bald rezensieren wird!) Pech für mich, dass mein Mitsneaker gar kein Französisch sprach und wir deshalb in die deutsche Fassung gegangen sind. Es sollte sich allerdings als die richtige Entscheidung erweisen, denn dieser Film lebt von seiner Sprache!
Philippe, der bei der Post angestellt ist und in der Provence lebt, wird gegen seinen Willen in den nördlichsten Teil Frankreichs versetzt, nämlich nach Bergues in das Département Nord-Pas de Calais, nahe der belgischen Grenze. Der Zuschauer erfährt auch bald, warum dies als Strafversetzung angesehen wird: Aus Sicht der Südfranzosen ist der Norden eine kalte, von allen guten Geistern verlassene Gegend: Die Temperaturen sollen maximal auf 0°C klettern, alle Einwohner sollen Alkoholiker sein und ein unverständliches Kauderwelsch reden. Und so kommt es, dass Philippe seine Frau Julie und den gemeinsamen Sohn im Süden zurück lässt und sich alleine auf den Weg nach Norden macht.
Der geneigte Leser wird sich denken können, dass diese Beschreibung mehr Vorurteile als Fakten enthält - schließlich liegt Münster ein ganzes Stück nördlicher als Bergues, ohne dass man hier von Polartemperaturen sprechen könnte. Philippe muss jedoch feststellen, dass die Gerüchte im Hinblick auf die Sprache stimmen, und dass er die Einwohner, die das sog. “Sch’ti” sprechen, zunächst nicht versteht. Mit der Zeit gewöhnt er sich - wie es nicht anders zu erwarten war - an Land und Leute und steht nur vor der Frage, wie er seiner Frau erklären kann, wie das Leben in Bergues wirklich ist…
Der Film gewinnt einen großen Teil seiner Komik durch die Verständigungsschwierigkeiten zwischen Philippe und den Sch’ti. Aus diesem Grund wurde für die deutsche Fassung eine Kunstsprache entwickelt, die gar nicht ‘mal so schlecht klingt. Trotzdem wäre es natürlich schöner, die Originalsprache der Ch’tis (wie sie im Französischen heißen) zu hören. Kennt man zudem noch das französische Milieu und kann die Vorurteile von Philippes Freunden richtig einordnen und wiedererkennen, erhält der Film eine humorvolle Komponente, die er in der deutschen Synchronisation nicht haben kann. Es ist kein Wunder, dass der Film in Frankreich der erfolgreichste französische Film aller Zeiten ist. Ein kleines Wunder wäre es aber, wenn er das hier werden könnte - dafür ist der Konflikt uns Deutschen in aller Regel einfach zu wenig vertraut.
Trotzdem - der Film ist so gut synchronisiert, wie das unter den Umständen möglich ist, sehr unterhaltsam und kurzweilig - eine klare Empfehlung! Da verzeiht man leicht die wenig originelle Story. Wer ausgezeichnet Französisch spricht, hat sicher Freude an dem Original, für alle anderen wird es jedoch vermutlich anstrengend. (Da ich den Film bislang nur auf deutsch gesehen habe, ist das allerdings reine Spekulation.)
Viereinhalb von fünf Sternen für diese charmante Komödie!
Anne
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24. Oktober 2008
Ein Mann hält mit seinem Wagen an einer Kreuzung und wartet auf grün, als er plötzlich nur noch grelles Weiß sieht. Die “weiße Blindheit” stellt nicht nur den konsultierten Augenarzt vor ein Rätsel, sondern verbreitet sich obendrein einer grassierenden Seuche gleich rasend schnell unter der Bevölkerung, sodass die Regierung alle Betroffenen in einer ausgedienten Irrenanstalt unter Quarantäne stellt. Vollkommen von der Außenwelt isoliert, unter militärischer Bewachung, wo aus Angst vor Ansteckung eher einmal zu viel als zu wenig geschossen wird, und mit nur knapper Nahrungs- und Medikamentenversorgung degenerieren Zivilisation und Sozialstruktur unter den eingesperrten Blinden zusehends. Während in einem Flügel der ebenfalls erblindete Augenarzt und seine Frau, die aus ungeklärten Gründen gegen die Seuche immun ist und als einzige sehen kann, versuchen, das beste aus den widrigen Umständen zu machen und ihren Leidgenossen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, bricht in einem anderen, nur von Männern bewohnten Flügel der Despotismus aus. Mit Waffengewalt bringen sie alle Nahrungsreserven an sich und geben diese anfangs noch gegen Schmuck und Wertgegenstände, später nur noch gegen körperliche Dienstleistungen der Frauen aus den anderen Flügeln her.
Die Orientierungs- und Hoffnungslosigkeit, der moralische Verfall, die Auflösung des Menschlichen, das ausgehungerte Dahinvegetieren in den eigenen Fäkalien und schließlich die erbarmungslose und brutale Massenvergewaltigung werden dem Zuschauer in etsättigten dichten und wirkungsvollen Bildern mit genau so eindrücklicher und erschreckender Geräuschkulisse unerbittlich aufgebürdet. Jedesmal, wenn man glaubt, am absoluten Tiefpunkt menschlicher Entfremdung angekommen zu sein, muss man feststellen, es geht noch schlimmer. Immer schwächer flackert das letzte Licht von Zusammenhalt und Anteilnahme…
Entsprechend setzt dieser durchaus sehenswerte, aber absolut unschöne Film voll und ganz auf den sozialen Verfall in der durch Blindheit praktisch unerträglichen Isolationssituation. Nach Charakterentwicklung in dieser Ausnahmesituation sucht man ebenso vergeblich wie nach logischen Erklärungen der Gesamtsituation oder dem in der Romanvorlage verwendeten Stilmittel der Erblindung als Allegorie für die innere Blindheit des Menschen sich selbst und seinen Mitmenschen gegenüber. Entsprechend fade und kraftlos wirkt auch das Ende, das zwar nicht ganz dem Hollywood-Klischee entspricht, dem starken Mittelteil des Film dennoch ganz und gar nicht gerecht wird.
Patrick
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22. Oktober 2008
Nun ist es wieder soweit. Die Band Tomte, nach Kettcar die 2. Hausband des Hamburger Labels Grand Hotel van Cleef, hat ihr neues Album Heureka veröffentlicht. Dies ist bereits das fünfte Album der Band und muss in dieser Rezension im Vergleich zu Buchstaben über der Stadt (was ich 2006 rauf und runter gehört habe) bestehen. Keine leichte Aufgabe also.
Aber wo Tomte drauf steht, ist auch Tomte drin. Das Album kommt mit dem unverwechselbaren Sound daher, und das ist auch gut so. Thees Uhlmann, der (eingebildete) Sänger der Band, dehnt immer noch die Vokale wie kein zweiter. Wir hassen oder lieben ihn dafür. Diesmal gibt es auch ein Keyboard zu hören, was beim letzten Album noch eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Dadurch erlangt der Tomte-Sound auch eine neue Fülle. Irgendetwas neues braucht das Album ja auch, denn insgesamt kann man sagen, dass sich eine gewisse Stagnation eingeschlichen hat. Um es auf den Punkt zu bringen: Das Album bietet wieder einmal schöne Melodien, die man keiner anderen Band zuschreiben könnte. Tomte geben sich ungemein stilsicher. Und gerade diese Sicherheit bricht ihnen ein-zwei Mal das Genick. Es ist eben ein schmaler Grat zwischen Stilsicherheit und Selbstkopie. Während man bei anderen Bands fleht, “dass das neue Album so klingt wie die alten, nur eben mit neuen Songs”, nur um nicht im Experimentierbrei zu versinken, hätte ich mich bei Tomte über ein paar mehr Experimente gefreut. Versteht mich jetzt bitte nicht falsch, das Album ist wirklich gut. Aber funktioniert die Formel nach der Hinter all diesen Fenstern und Buchstaben über der Stadt entstanden sind auch 2008 noch so?
Die Frage muss man ganz klar mit ja beantworten. Dem Album kommt zu Gute, dass von gerade einmal 6 Monaten die verbrüderte Band Kettcar ein Album veröffenlicht hat (Sylt), welches bei näherer Betrachtung zwar interessante Ansätze bot, aber nicht mit den vorangegangenen Meisterwerken mithalten konnte. Diesen Schuh müssen sich Tomte nicht anziehen. Also, Leute! Wenn ihr Tomte wollt, holt es Euch, wenn ihr was Neues wollt, dann nicht!
PS: Die Idee mit dem beiliegenden Aufnäher ist nett, aber ich wage zu bezweifeln, dass ihn sich viele aufnähen. Ich mach das jedenfalls nicht!
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- "Heureka" und die Single "Der letzte große Wal" zum Anhören
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20. Oktober 2008
Mit Burn After Reading erlauben sich die berühmt-berüchtigten Coen-Brüder einen Scherz – aber einen guten.
Der Versuch, euch die Handlung des Films kurz zusammenzufassen, ist schon von vornherein zum Scheitern verurteilt. Irgendwie ist da ein Fitness-Studio mit einem gar grauslig aussehenden Brad Pitt und einer Frances McDormand, die auf der Suche nach Geld für ihre Schönheits-OPs ist. Dann ist da der wunderbare John Malkovich, der gerade beim CIA gekündigt hat und kurz davor steht, von seiner Frau Tilda Swinton verlassen zu werden. Ach, und da ist natürlich noch George Clooney, der sich durch diverse Internetbekanntschaften (und Malkovichs Frau) von seiner eigenen Ehe ablenken lässt.
Klingt konfus – ist es auch. Burn After Reading lebt von absurden Situationen und davon, dass eigentlich weder die Charaktere noch der Zuschauer den vollen Durchblick hat, was da eigentlich gerade auf der Leinwand passiert und noch viel wichtiger: Warum! Der Untertitel des Films (Intelligence is relative) ist Programm und so verstehen eigentlich alle Charaktere ihre Situation und eigentlich auch alles andere völlig falsch – und schaufeln sich ihr eigenes Grab.
Burn After Reading ist irgendwie eine politische Satire, eine bitterböse Komödie und einfach ein Film, der wie kaum ein anderer kopfschüttelninduzierend wirkt. Das Ganze ist sicherlich nicht jedermanns Geschmack – wer die klassischen Drehbuchwerte wie Charakterentwicklung und stringente Story sucht, wird hier wenig Freude haben – und doch sehen wir hier so viele absurde Situationen und Dialoge, dass ich einfach nicht anders kann, als Burn After Reading vier von fünf Maschinen (seht den Film, ihr wisst, was ich meine) zu geben.
Entlassen möchte ich euch mit einem der vielen schönen Zitate, die den Film auf viel mehr als einer Ebene beschreiben. In den letzten Minuten versuchen zwei hohe CIA-Agenten (J.K. “J. Jonah Jameson” Simmons und David “Sledge Hammer” Rasche) zu verstehen, was denn eigentlich da jetzt passiert ist und wer daran Schuld hat. Sie kommen zu folgender Moral:
CIA Superior: What did we learn?
CIA Officer: Uh…
CIA Superior: Not to do it again.
[pause]
CIA Superior: I don’t know what the fuck it is we *did*, but…
Und ich freue mich auf die englische Originalfassung. Simmons und Malkovich im Original fluchen zu hören, ist garantiert noch zigfach besser als ihre deutschen Synchronstimmen.
Dennis
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(4 Stimme(n), durchschnittlich: 4,00 von 5)
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15. Oktober 2008
Matti hat eigentlich alles, was sie vom Leben erwartet: einen Mann und drei Kinder. Sie ist daher recht zufrieden mit ihrer Situation. Das ändert sich allerdings, als ihr Mann sie wegen einer Jüngeren verlässt. Anstatt jedoch in die Offensive zu gehen und irgendetwas zu unternehmen, hofft Matti darauf, dass ihr Mann zurück kehrt, und geht ansonsten ihren normalen Tätigkeiten nach. Bis sie beim Ausparken auf dem Supermarktparkplatz einen LKW anfährt.
Das ist der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt: Anstatt ihre Schuld zuzugeben und ihre Haftpflichtversicherung anzugeben, bricht Matti einen saftigen Streit mit dem überrumpelten LKW-Fahrer Johnny vom Zaun. Das hat nicht nur zur Folge, dass sie den Schaden nicht tragen muss, sondern auch, dass der junge Lastwagenfahrer Johnny sich für Matti zu interessieren beginnt. Auf einmal hat Matti mehr Action in ihrem Leben als sie eigentlich wollte, zumal es ihrem Ex-Mann gar nicht passt, dass Matti jetzt mit einem jüngeren Mann ausgeht…
In Neulich in Belgien geht es um Abenteuerlust und den Kontrast zwischen Altem und Neuem, um Mut zur Unkonventionalität und um Liebe jenseits der Konventionen. V.a. geht es aber um die Entscheidung zwischen Verstand und Gefühl: Soll Matti eine vertraute Partnerschaft wieder aufnehmen, oder sich für eine abenteuerliche Beziehung entscheiden, bei der sie Schmetterlinge im Bauch bekommt? Das Thema als solches ist nicht neu - nett ist aber, dass die drei Protagonisten eher Helden des Alltags sind als Hollywoodschönheiten. Matti muss sich nicht zwischen zwei perfekten Männern entscheiden, sondern zwischen Helden mit tönernen Füßen - so wie es den meisten Menschen gehen würde.
Fazit: Ein liebenswerter Beziehungsfilm, den man sich gut anschauen kann: 4 von 5 Sternen.
Anne
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(1 Stimme(n), durchschnittlich: 4,00 von 5)
7. Oktober 2008
Als Jerry Shaw, ein unbescholtener Bürger und Bruder eines erfolgreichen Soldaten, nach der Arbeit in einem Kopiergeschäft nach Hause kommt, findet er seine Wohnung randvoll mit Waffen, Munition und Sprengstoff. Plötzlich klingelt sein Handy und eine mysteriöse Frauenstimme informiert ihn, dass das FBI in 30 Sekunden die Wohnung stürmen wird und er sofort fliehen soll — er zögert, wird verhaftet und natürlich glaubt ihm niemand, dass er nicht wisse, wie das ganze Zeug in sein Zimmer gekommen sei… Als er dann seinen Anwalt anrufen soll, ist wieder diese Stimme am Telefon. Dieses Mal folgt er den Anweisungen…
Zeitgleich erhält auch Rachel Holloman einen ähnlichen Anruf und Instruktionen. Da ihr Sohn als Druckmittel benutzt wird, folgt auch sie den Anweisungen.
Gejagt vom FBI, der Armee und allen Geheimdiensten des Landes, folgen Jerry und Rachel den weiteren Anweisungen der allgegenwärtigen Stimme, die anscheinend unbegrenzte Macht über alle vernetzten elektronischen Geräte vom Handy bis zum Verladekran hat. Noch ahnen sie nicht, dass sie Teil eines ausgeklügelten und perfiden Plans zur Umorganisation der politischen Strukturen geworden sind…
Leider ist an Eagle Eye abgesehen von den modernen Spezialeffekten und einer erfrischenden Mobilfunkparanoia nichts wirklich neu. Wer die Klassiker War Games, 2001 und I, Robot kennt, weiß recht bald, was hier gespielt wird, und tatsächlich es kommt alles so, wie erwartet, ohne nennenswerte Wendungen oder erzählerische Raffinesse, dafür aber mit einigen groben faktischen Fehlern.
Daher alles in allem nicht mehr und nicht weniger als unterhaltsames aber eher mittelmäßiges Popcorn-Kino.
Patrick
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(3 Stimme(n), durchschnittlich: 3,00 von 5)
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- Eagle Eye bei IMDb.
6. Oktober 2008
Filme, die die Aufarbeitung von historischen Ereignissen thematisieren sind eine problematische Angelegenheit. Zahlreiche Beispiele der jüngeren Kinogeschichte (z.B. Goodbye Lenin, Der Untergang, Sophie Scholl) stellen unter Beweis, dass es gerade in Deutschland nach wie vor großes Interesse an historischen Stoffen gibt, und im Falle des Stasi-Dramas Das Leben der Anderen, dass deutsche Kinoproduktionen auch international Aufsehen erregen können.
Das weiß auch Bernd Eichinger, der vielleicht erfolgreichste deutsche Filmproduzent, weshalb sein neuestes Werk, dass unter der Regie von Uli Edel entstand, die Geschichte der RAF in den Mittelpunkt stellt. Im Vorfeld ist viel über den Film diskutiert worden und die positive und negative Kritik lieferten sich ein heißes Duell, ob der Film nun gut, vertretbar oder unzumutbar sei. Muss man im Jahr 2008 einen Film präsentieren, der den Mythos der Terrororganisation zum gefühlten 100sten Mal wieder aufleben lässt?
Im Falle von Der Baader Meinhof Komplex heißt die Antwort definitiv: ja, man sollte nicht nur, man muss. Vielleicht liegt es daran, dass ich bislang mit dem Thema der RAF nicht besonders ausführlich in Berührung gekommen bin, aber meiner Ansicht nach stellt der Film eine Speerspitze der jüngeren deutschen Kinogeschichte dar. Das liegt unten anderem an der phänomenalen Besetzung. Bernd Eichinger trommelte für sein Epos das Who is who der deutschen Schauspieler zusammen: Moritz Bleibtreu, Martina Gedeck, Johanna Wokalek, Heino Ferch, Tom Schilling, Nadja Uhl, Jan Josef Liefers, Alexandra Maria Lara und Bruno Ganz. Demnach ist der Film bis in die Nebenrollen hochkarätig besetzt. Neben dem Casting besticht vor allem die Ausstattung des Film durch arkribische Genauigkeit. Mit viel Liebe zum Detail wurde die Ära 1967-1977 für den Film zum Leben erweckt: Die Darsteller tragen entsprechende Klamotten, sie fahren entsprechende Autos, ihre Wohnungen sind entsprechend eingerichtet. Außerdem tragen sämtlichen Polizisten historische Uniformen. Gerade bei einer Demonstration am Anfang des Films ist der Realitätsgrad, den diese Bilder erreichen geradezu erschreckend. Ich selbst hatte einige Male das Gefühl, direkt dabei zu sein, was bei mir sehr selten vorkommt.
Der Film verharmlost die RAF nicht. Ja, es stimmt, dass er keine Bewertung über die terroristichen Aktivitäten der Gruppe liefert. Ja, es stimmt, dass man sich zu Beginn mit den Akteuren der Bewegung identifizieren kann. Aber die große Stärke des Films besteht darin, wie der Zuschauer nach und nach die Verbindung zu Baader, Meinhof, Ensslin und Raspe verliert. Meiner Meinung nach hat der Film eine offensichtliche und plakative Aussage über die Schlechtheit und Gefährlichkeit der RAF nicht nötig, weil er seine Aussage auf einer subtileren Ebene erreicht. Das Nachvollziehen der Gedankengänge der Terroristen geht soweit, bis man erkennt, dass sie selber nicht mehr wissen, wofür sie eigentlich kämpfen. Darin besteht eine gewisse Gefahr, weshalb ich die Altersfreigabe der FSK (ab 12) etwas bedenklich finde. Hinzu kommt, dass die Gewaltdarstellungen stellenweise explizit sind. Auf Protestanten wird eingeschlagen und -getreten. Die Erschießungen werden aus nächster Nähe gezeigt. Hier wäre eine Freigabe ab 16 Jahren angemessen gewesen.
Abschließend lässt sich festhalten, dass Der Baader Meinhof Komplex eine gelungene Aufarbeitung des Themas RAF darstellt. Dies lässt sich jedoch nicht absolut setzen, da der Film eine Menge Hintergrundwissen voraussetzt und manche Charaktere nicht ausreichend vorstellt. Nichtsdestotrotz regt der Film zum Nachdenken an und ich möchte ihn jedem historisch interessierten Kinobesucher ans Herz legen, denn er zeigt eines der dunkelsten Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte mit einer Präzision, dass es einem das ein oder andere Mal kalt den Rücken herunterläuft.
Terje
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(1 Stimme(n), durchschnittlich: 4,00 von 5)
2. Oktober 2008
Ich bekenne mich hiermit! Ich bin Rosenstolz-Fan. Die Band gibt es schon seit 1991 aber ich wurde erst 2004 richtig auf sie aufmerksam. Damals gefiel mir die wunderschöne Radio-Ballade Liebe ist alles so gut, dass ich mir das Album Herz zulegte. Mir gefiel die poppigere, so gesehen massentauglichere Richtung, die sie von diesem Album an einschlugen. Das Nachfolgewerk Das große Leben (2006) stellte meiner Meinung nach die perfekte Mischung aus ruhigeren und rockigeren Tönen dar. Nun ist das neue Werk da: Die Suche geht weiter…
Der Albumtitel lässt so einiges erhoffen. Sie suchen weiter, sie ruhen sich nicht auf dem Erfolg aus, sie wollen einen Richtungswechsel. Peter Plate, der musikalische Kopf des Duos sagt, „Das große Leben ist ein Wir-Album, Die Suche geht weiter ist ein Ich-Album“. Besser hätte ich es nicht beschreiben können. Ein euphorisch ausgebreitetes Klavierpanorama wie bei „Ich bin ich (Wir sind wir)“ wird man hier nicht finden, insgesamt schlägt das Album, vor allem textlich einen anderen Ton an. Während man Das große Leben auch in Die große Liebe hätte umbennen können, reflektieren Rosenstolz auf der neuen Platte über die verschiedensten Facetten des Lebens. Dabei ist die Produktion durchweg auf gewohntem Topniveau. Das Produktionstrio (Plate, Sommer, Faust) verpasst jedem Song die passende Klangfarbe- und fülle. Das mag nicht die große Überraschung sein, ist aber trotzdem erwähnenswert. Die Rosenstolz-Fans der ältere Tagen werfen ihnen heute vor, alle Kanten glattgebügelt und sich selbst auf dem Weg verloren zu haben. Dem kann ich nur widersprechen, denn sie haben sich gefunden. Gerade nach Das große Leben hatten viele mit einer 1:1 Kopie des Meisterstückes gerechnet. Dem ist nicht so.
Die Suche geht weiter ist melancholisch. Man kann es hören und sich in den Texten und Melodien verlieren. Natürlich gibt es auch Songs die herausstechen. Als wirkliche Überraschung haben ich das von Peter Plate gesungene Irgendwo dazwischen empfunden, welches textlich wie gesanglich zu überzeugen weiß. Normalerweise sind die Plate-Stücke immer gewissenmaßen ein Dorn im Auge, doch hier fügt es sich geschmeidig in den Albumkontext. Kein Lied von Liebe ist schön aufgebaut, gerade von der Begleitung her. An einem Morgen im April ist in ein akustisches Gewand gekleidet, mit netten Harmoniewechseln, ein trauriges Lied über Tod und Verlust. Man merkt gerade hierbei, wie Musik und Text wunderbar einhergehen. Insgesamt fügt sich Die Suche geht weiter schön in den Rosenstolz-Zyklus der letzten Jahre, wie es im Gesamtwerk der Band wirkt, kann ich nicht beurteilen. Das Album ist Pop, Chanson ein kleines bisschen Rock, perfekt produziert. Ich nehme an, dass es schon alle wissen, aber zuletzt noch ein Riesenlob an AnNa R. Ihre Stimme weiß immer wieder auf Neue zu begeistern. Weiter so, Rosenstolz.
Links zum Beitrag:
- Die Seite der Band
- Klaus Wowereit über "Die Suche geht weiter"
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30. September 2008
Dieser Bericht stellt eine Premiere dar, denn heute rezensiere ich erstmals einen Film, der in der Sneak des Bochumer UCI-Kinos zu sehen war. Dort findet jeden Montag um 20 und 23 Uhr die Überraschungspremiere (so nennen die das hier) statt. Ich würde diesen Film jetzt gerne mit Lobeshymnen für ein filmisches Kleinod der besonderen Sorte überhäufen, nur leider zogen wir (in diesem Falle, Noemi und ich) mit unserem Sneak-Ticket die sprichwörtliche Arschkarte.
The House Bunny ist eine amerikanische Komödie der allerflachsten Sorte, an der den geneigten Zuschauer nichts begeisterte, überraschte, zum Lachen brachte oder erstaunte. Der Film plätscherte so vor sich hin und nach 100 Minuten wurde mein Flehen endlich erhört und es begann der Abspann. Zur Story: Shelley (Anna Faris) lebt zusammen mit vielen anderen Bunnies in der Villa des Playboy-Moguls Hugh Hefner (er selbst!) und ihr größter Traum ist es, auf dem Cover des nächsten Monats zu landen. Leider wird ihr an ihrem 27sten Geburtstag mitgeteilt, dass sie nun zu alt sei und sie die Villa verlassen müsse. Sie schließt sich einer Studentenverbindung an und macht es sich zur Lebensaufgabe, sieben (eigentlich gar nicht hässlichen) Loserinnen, die als Einzige das verkommene Zeta-Haus bewohnen, in „heiße Bräute“ zu verwandeln…
Es schmerzt schon, diese dümmliche Handlung aufzuschreiben. Wie schlimm muss es erst sein, diesen Mist 1 Stunde und 40 Minuten über sich ergehen zu lassen. Sehr schlimm. Dieser Film stellt vor allem eines unter Beweis: Dass in Amerika nachweislich Filme produziert werden, die sich an eine Zielgruppe richten, die in Europa nicht existiert. Warum vergeudet Columbia Pictures Unsummen damit, den Film jenseits des großen Teiches zu vermarkten? Das Geld wäre besser in zahlreiche Independent-Produktionen geflossen. Ich hoffe sehr, dass die nächste Bochumer Sneak nicht in einem ähnlichen Disaster endet.
Mit sehr viel Wohlwollen vegebe ich 1 von 5 Kryptonit-Griffen, weil dieser mich einmal in 100 Minuten zum Lachen gebracht hat.
Links zum Beitrag:
- Das Machwerk bei IMDb
- Sinke, User Rating, sinke…
- Filmstarts.de-Rezension
- Das hier sagt alles! (Nicht das ich immer der gleichen Meinung wäre, wie Filmstarts.de)
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20. September 2008
Vietnam. Dschungel. Krieg. Überall Schüsse, Explosionen und Vietcong. Und mitten darin: Vier Männer, härter als der härteste Kruppstahl. Ihre Mission: Ihren gefangen genommenen Kameraden aus den Fängen des Bösen befreien. Doch während der Befreiung geraten sie in einen Hinterhalt…
Was klingt wie eine billige Kopie von Der Soldat James Ryan entpuppt sich spätestens, als der Regisseur die Szene abbricht, weil Kirk Lazarus (Robert Downey Jr.), seines Zeichens Schauspieler, zu viel und Tugg Speedman (Ben Stiller), ebenfalls Schauspieler, zu wenig Rotz und Wasser heult. Kurz danach fliegt durch einen bedauerlichen Zwischenfall der halbe Dschungel in die Luft und Damien Cockburn (Steve Coogan), der Regisseur, wird zu einer Krisensitzung gerufen – Geldgeber Les Grossman (Tom Cruise, ja, wirklich!) will den Hahn zudrehen, den Film sterben lassen. Doch zusammen mit Tropic Thunder-Buchautor Four Leaf Tayback (Nick Nolte) ersinnt Cockburn eine Idee: Man steckt die vier Jungs einfach wirklich in den Dschungel, überlässt sie sich selbst und filmt das alles grobkörnig, dreckig und schmierig aus dem Unterholz.
Tropic Thunder hat, besonders in den USA, einiges an Schelte einstecken müssen. Besonders diverse Interessensverbände sahen sich durch Ben Stillers Darstellung eines geistig Behinderten im Film im Film Simple Jack vor den Kopf gestoßen und auch sonst wirft der Film mit Blut, Drogen, Fäkalien und Schimpfwörtern nur so um sich. Doch eins scheinen die selbsternannten Moralwächter bei der ganzen Sache übersehen zu haben: Es handelt sich hier um eine der vielleicht besten Satiren über das Filmgeschäft im Allgemeinen und Hollywood im Speziellen.
Lazarus, eigentlich Australier, hat sich für die Rolle des schwarzen Squad-Captains extra dunkle Pigmente unter die Haut spritzen lassen, Jeff Portnoy (Jack Black) hat mit seiner Drogensucht zu tun, Alpa Chino [sic] (Brandon T. Jackson) muss das Image des harten Weiberhelden aufrecht erhalten, obwohl er eigentlich ganz anders ist und Speedman hat nach einer Serie von Flops und Fortsetzungen einen Erfolg bitter nötig.
Allein an den Namen der Charaktere merkt der geneigte Leser bereits: Es geht nicht so ganz ernsthaft zu bei Tropic Thunder. Zusammen mit Co-Drehbuchautor Ethan Cohen (nein, keiner der berühmt-berüchtigten Coen-Brüder) macht Ben Stiller sich selbst und seine illustere Schar an Filmgrößen auf grandioseste Weise lächerlich.
Natürlich sollte hier niemand besonders tiefschürfende Dialoge (“Ich bin die Illusion eines Hühnchens!”) oder grandiose schauspielerische Leistungen (“Ich kann meine Beine nicht spüren” - “Ist schon okay, die liegen nur in ‘ner Pfütze, alles in Ordnung”) erwarten. Trotzdem ist Tropic Thunder böse, dreist, frech und überraschend gut.
Vier von fünf Fruchtdrops. Und jetzt will ich Tom Cruise nie wieder tanzen sehen. Nie, nie, NIE wieder!!!
Dennis
Deine Wertung zum Film/Buch/Ding:
(7 Stimme(n), durchschnittlich: 4,29 von 5)
Links zum Beitrag:
- Die Seite bei imdb
- Der Trailer bei youtube