9. Januar 2008
Als “Ausmister” (the fixer) für eine große Anwaltskanzlei kommt Michael Clayton immer dann auf den Plan, wenn etwas richtig schief gelaufen ist und keine anderen (legalen) Mittel mehr helfen. Beispielsweise wenn ein manisch-depressiver Staranwalt seine Medikamente absetzt und sich bei der Anklagevernehmung splitternackt auszieht. “Ich bin Shiva, der Gott des Todes.” – köstlich!
Leider hat der Film bereits damit all sein Pulver verschossen: Der Plot ist gemächlich seicht und spürbar zu dünn für zähe zwei Stunden. Überhaupt bietet der Film nichts, was man nicht schon aus unzähligen Anwaltsfilmen kennt:
Die Kanzlei vertritt einen Wirtschaftsgiganten (hier: eine Firma für Pflanzenschutzmittel) und dabei erkennt der Anwalt, dass eben diese Firma eigentlich schuldig ist (hier: das Pflanzenschutzmittel ist hochgradig krebserregend). Es folgen Gewissenskonflikte, Spannungen in der Kanzlei, Geheimoperationen (i.e. Überwachung und Attentate) durch die böse Firme und schließlich das notwendige happy end.
Darüber dass das alles mehr als dürftig ist, kann auch der halbherzige Versuch einer Charakterstudie nicht hinwegtäuschen. Die Selbstfindung von Michael Clayton verläuft im Sande, die Beziehung zu seinem Sohn ist in zwei Szenen abgehandelt und über seine Spielsucht, Schulden und Beweggründe erfährt man lediglich, dass sie da sind.
Zu allem Überfluss hat auch noch die Sprachzensur zugeschlagen und den treffenden Satz “Ich bin wie ‘ne Nutte. Ich besorg’s klauenden Hausfrauen und korrupten Kongressabgeordneten.” von Anspielung und Witz bereinigt. Schade, vor allem wo man im Trailer die “harte” Variante geboten bekommt.
Insgesamt eine herbe Enttäuschung meiner hohen Erwartungen. Hier hat der Trailer deutlich mehr versprochen: 4
Patrick
3. Januar 2008
Keine Sneak in der ersten Woche des neuen Jahres. (Ob Sneaks vielleicht noch nach dem Mondkalender geplant werden?)
Jedenfalls musste Kinoersatz her, um Entzugserscheinungen zu vermeiden. Die Wahl (sofern man beim aktuellen Programm eine ernsthafte Wahl hat) fiel auf “Keinohrhasen”.
Ludo arbeitet als Reporter für die Regenbogenpresse und verkörpert das Ideal des perfekten Machos. Als richterliche Belohnung für seine (etwas) unkonventionellen Recherchemethoden “darf” er Sozialstunden in einem Kinderhort ableisten. Dort trifft er auf seine alte Schulfreundinfeindin Anna. Sie ist in jeder Hinsicht das absolute Gegenteil von ihm; nur ihr Mundwerk steht seinem in nichts nach.
Es folgen kurzweilige und äußerst amüsante (Wort)gefechte, Klettergerüstduelle, singende Bären auf Koks, tiefschürfende sexuelle Erkenntnisse und schließlich nach viel lachen und weinen das erwartete Ende dieser romantischen Komödie.
Köstlich und empfehlenswert: 2.
Patrick
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24. Dezember 2007
Dem aufmerksamen Leser ist vielleicht aufgefallen, dass über die münsterschen Sneaks der letzten beiden Wochen bisher nichts berichtet wurde. Dem richtig aufmerksamen Leser ist vielleicht sogar aufgefallen, dass die Sneak vom 13.11. ebenfalls unkommentiert ist.
Nachdem letzt Woche die letzte Sneak im ausklingenden Jahr 2007 stattfand und ich über Weihnachten dem Labor entronnen bin, kann ich die Rezensionen nun nachholen. Wie immer kurz, knapp und hoffentlich bündig.
13.11. Gone baby gone (eng. oder dt. ich weiß es nicht mehr):
Dieser Film ist eine wahre Freude für Freunde der Dialektik.
Augenscheinlich ist alles ganz einfach: Kindesentführung, Medienspektakel, Ermittlung, Fallabschluss. Doch der Teufel liegt im Detail und nichts ist so, wie es auf den ersten Blick scheint.
Kameraführung, Inszenierung und Schauspieler sind gut bis sehr gut. Die Darstellung unterschiedlicher sozialer Milieus gelingt überzeugend. Der Film wirkt durch und durch authentisch, mitreißend und sehr verstörend. Schaut ihn euch an, aber erwartet keinen schönen Film, sondern anspruchsvolle Gesellschaftsreflektion.
Meine Bewertung? Eine merkwürdige Geschichte: Auf die Karte direkt nach dem Film habe ich 4 geschrieben. Völlig zu unrecht! Im Nachhinein habe ich mich auf 1- korrigiert.
Ich denke, das sagt alles.
11.12. Elizabeth – Das goldenen Königreich
Wir hatten diesen Historienschinken gefürchtet. Der Trailer verfolgte uns seit Wochen und ist länger als mancher Kurzfilm. Jedesmal nach den (gefühlten) zehn Minuten des Trailers hatten wir das Gefühl, den Film bereits komplett zu kennen.
Entsprechend niederig waren unsere Erwartungen, als er dann lief. Aber wir wurden sehr positiv überrsacht: Der Film ist mit nur knapp zwei Stunden erstaunlich kurz und fühlt sich nach gerade mal 90 Minuten an. Quasi der Anti-Jesse-James-Effekt.
Der Streifen bietet eine gute Mischung aus Handlung und Charakterstudie. Letztere überzeugt besonders durch die herausragende Darstellungsleistung von Cate Blanchett!
Leider ist das Werk aber alles andere als historisch korrekt.
Insegasamt brauchbare Unterhaltung mit kleinem historischen Wert: eine solide 3.
18.12. Juno (engl.)
Die Story klingt primitiv: 16 jähriges Mädchen wird beim ersten Mal schwanger, möchte das Baby austragen und dann zur Adoption freigeben.
Doch wenn ihr jetzt denkt, was für’n Scheiß, habt falsch gedacht. Anders als in “Knocked up” steckt hier wirklich Handlung und Tiefe drin. Dabei bleibt es durch die absolut genialen, derben Sprüche sehr unterhaltsam. Ich hab’ mich stellenweise gekringelt vor Lachen!
Sehr angenehm und überraschend ist noch, dass der Film (untypisch für amerikanische Werke dieser Art) ohne moralischen Zeigefinger auskommt.
Rundherum gut: 2.
So, dass war es für 2007. Im neuen Jahr geht es spannend weiter. Es heißt, der Kinochef habe “einige dicke Eier an Land gezogen” (Ja, das Zitat ist echt!).
Euch ein besinnliches Weihnachtsfest und einen guten Übergang in ein neues Sneak-Jahr!
PS: Alle Rechtschriebfhler gehen zu Lsaten der Tastratur mienes Leptobs.
Patrick
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12. Dezember 2007
Mr. Magoriums Wunderladen ist einer dieser Filme, die wahrscheinlich nur in der Vorweihnachtszeit so richtig (also so richtig) funktionieren. Wann sonst könnte man einen Film sehen, in dem Dustin Hoffmann Mr. Magorium, einen zweihundertdreiundvierzigjährigen Spielwarenladenbesitzer mit einem Faible für Schuhe und einem Zebra im Wohnzimmer spielt, in dem ein kleiner Junge, der jeden Tag einen anderen Hut trägt, eine Statue von Abraham Lincoln (in Überlebensgröße) aus Bauklötzen baut und in dem es einen Laden mit einem Raum gibt, in dem ein mindestens zehn Meter hoher Basketball nur darauf wartet, angetippt zu werden?
Mr. Magoriums Wunderladen ist so ein Film, an dem sich die Geister scheiden werden. Dies belegte schon die Tatsache, dass wir gestern außer drei weiteren Einzelkämpfern allein im Kino waren, obwohl der Film erst seit letzter Woche läuft. Viele werden ihn für kindisch, unrealistisch und verrückt halten und genau aus denselben Gründen werden andere ihn lieben - ich zum Beispiel.
Mr. Magorium - wie erwähnt schuhbegeistert - hat vor diversen Jahren “für den Rest seines Lebens” Schuhe in einem kleinen Laden in Italien gekauft - und sein letztes Paar geht so langsam in die Brüche. Also ist es Zeit, von seinem Laden und auch vom Leben Abschied zu nehmen. Er beschließt, seinen Laden seiner besten (und einzigen) Mitarbeiterin Molly Mahoney (Natalie Portman) zu übertragen - womit der Laden nicht so ganz einverstanden ist.
Eine Kritik bemängelte an dem Film, dass es keinen Bösewicht, keinen Widersacher gäbe. Das stimmt, ist in meinen Augen allerdings überhaupt kein Manko. Mr. Magoriums Wunderladen ist erzählt wie ein Märchen, das man den Kindern vor dem Schlafengehen vorlesen kann, es beginnt, endet und riecht sogar wie ein Märchen - und mit etwas Vorstellungskraft, etwas Magie kann man in diesem FIlm sehr viel Spaß haben!
Mr. Magoirums Wunderladen ist ein Film, der dem Zuschauer klar macht, wie wichtig und wie wundervoll es sein kann, nicht alles so ernst zu nehmen, nicht immer nur das zu sehen, was man zu sehen bereit ist. Er entfacht ein wahres Farbfeuerwerk auf der Leinwand, so dass man das Ganze vermutlich fünfmal gucken müsste, um alle kleinen Details und Unauffälligkeiten in dem riesigen Spielzeugladen zu entdecken.
Wem Charlie und die Schokoladenfabrik mit Johnny Depp gefallen hat, der wird auch Mr. Magoriums Wunderladen lieben. Die Stimmung ist ähnlich, der leicht anarchische Humor (der den Nachteil hat, dass er in der Situation unglaublich komisch ist, jedoch die Erzählung an staunende Freunde und Bekannte nicht wirklich überlebt) bietet so viele Ecken und Kanten, an denen sowohl Kinder als auch Erwachsene, die sich nicht allzu ernst nehmen, ihre Freude haben.
Natürlich soll diese Rezension nicht ohne einen Hinweis auf den grandiosen Dustin Hoffman enden, der den Mr. Magorium mit vollkommener Überzeugung und dem Funkeln spielt, das man schon seit Hook von ihm kennt.
Also, absolute Kino-geh-Empfehlung. Viereinhalb von fünf Zebras. Glaubt mir, ihr werdet euren Spaß haben!
Dennis
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5. Dezember 2007
Der Ablauf von Dienstagabenden in Münster ist schon fast ritualisierte Routine. In (manchmal verstärkter) trauter Zweisamkeit finden sich Lukas und ich 15 Minuten vor Filmbeginn im Kino ein: Lukas mit Rad oder Bus in “normaler” Verfassung. Ich mit Rad oder als Marathonläufer meist auf den letzten Drücker und völlig abgehetzt. Aber das macht nichts, Karten haben wir ja schon.
Und so schlendern wir gemütlich zur Kasse und provozieren komische Blicke, wenn wir sagen: “Zwei Karten für die Sneak nächste Woche, bitte.”
Dann zum Kinosaal, gewichtige Gespräche führen, die Mitsneaker durch bissige Kommentare zu Werbung und Trailern nerven und jedesmal keine Freikarte gewinnen. Endlich den Nervenkitzel eines Überraschungsfilms genießen, anschließend Ärger oder Freude auf der Bewertungskarte niederschreiben und Besucherzahlen tippen, um wieder keine Freikarte zu gewinnen.
Manchmal, so auch diesen Dienstag, treffen wir vor dem Film unsere gute Fee und sie verzaubert uns mit Popcorn. Ihr sei herzlich gedankt!
Doch eigentlich wollte ich ja über den Film “Verwünscht” und nicht über die Sneak allgemein schreiben – kurz und knapp:
Animierte Märchenwelt und Spielfilmrealität treffen aufeinander, als Giselle kurz vor der Heirat mit ihrem Prinz Edward von dessen böser Stiefmutter aus dem Märchenland nach New York verbannt wird.
Sie naiv, romantisch und verträumt trifft dort den Scheidungsanwalt Robert, desillusioniert, pragmatisch, realistisch.
Was folgt sind Irrungen und Wirrungen, Intrigen der bösen Stiefmutter-Hexe, abstruse Backenhörnchen, viel Gesang und Tanz und natürlich ein actionreiches, glückliches Ende.
Alles in allem ein befriedigender Film, insofern, dass er 107 Minuten flache, kitschige, romantische Unterhaltung liefert. Wenn man ihn sieht (Partner nicht vergessen!), gut; wenn nicht, auch gut.
Erwähnenswert vielleicht noch die mal mehr, mal weniger gelungenen Anspielungen und Seitenhiebe auf z.B. Shrek und die erfreuliche Selbstironie über den eigenen Kitsch.
Frohe Vorweihnachtszeit!
Patrick
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30. November 2007
Desperado von Peter Klusen ist ein merkwürdiges Theaterstück – in mehr als einem Sinn.
Gestern Abend spielte die Theater-AG des Leibniz-Gymnasiums dieses Stück, das eigentlich gar nicht so viel mit Rassismus und Rechtsextremismus zu tun hatte, wie man zuvor hätte meinen können.
Es geht um Mike, einen Einzelgänger, das sich sein ganzes Leben lang in die Opferrolle hineindrängen lässt. Er wird in der Schule gemobbt, die Eltern sind strikt gegen seine Pläne, KFZ-Mechaniker zu werden, da trifft er plötzlich im Park die Desperados, die ein bisschen pseudo-politsch aber tatsächlich rechtsextrem daher reden. Bei diesen, besonders bei Ratti, mit der er sich schnell anfreundet, fühlt er sich akzeptiert, nimmt schnell ihre Verhaltensmuster an und ersticht kurz darauf einen Klassenkameraden, einen seiner Peiniger, auf einer Party.
Das häufige Vorkommen des Wortes schnell im vorherigen Absatz könnte ein erstes Indiz für ein Problem des Stückes sein. Nach nur etwa vierzig Minuten gab es eine kurze Pause, zwanzig Minuten nach dieser war das Stück vorbei. Alles ging wahnsinnig schnell, so dass Mikes Charakterentwicklung in den Kinderschuhen stecken blieb.
Auch der sprücheklopfende (erschreckende Sprüche, das soll nicht unerwähnt bleiben) Rechtsextremismus der Desperados bleibt leider sehr oberflächlich und plakativ – und mit Mikes Tat hat das Ganze leider auch herzlich wenig zu tun.
Desperado ist ein Stück über Mobbing, über familiäre Probleme, über mangelnde Aufmerksamkeit von Eltern, Lehrern und Freunden und das alles macht das Stück gar nicht so schlecht. Alles andere ist Fassade (bröckelnde, dünne Fassade) und nicht wirklich überzeugend.
Die sehr, sehr jungen Schauspieler machten ihre Sache durchaus gut, wenn auch der Anblick der den-linken-Arm-hebenden, biertrinkenden “Jugendlichen” nicht so erschütternd wie beabsichtigt sondern vielmehr komisch und teilweise leider sogar lächerlich wirkt. Trotzdem war die schauspielerische Leistung überraschend professionell.
Auf das (wie erwähnt sehr kurze) Stück folgte eine Diskussionsrunde mit interessiertem Publikum und Schauspielern. Die an der Diskussion aktiv teilnehmenden Zuschauer schienen zum Großteil pädagogischer oder politischer Natur zu sein, waren die Aussagen doch so lang wie inhaltsleer. Man müsse hinschauen, Zivilcourage zeigen, aufmerksam sein. Natürlich muss man das, doch das Stück wird jetzt nicht unbedingt den großen Denkansatz dazu liefern können. Hinzu kam das obligatorische Schimpfen auf die Medien, die Gesellschaft und die Eltern – alles ein bisschen wie billige Donnerstagabend-Polittalkshow im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, jedoch glücklicherweise ohne Herauswerfen eines Diskutierenden.
Was bleibt ist ein etwas fader Nachgeschmack, der nicht von der politischen Brisanz des Stückes oder dessen unglaublicher Tiefe, sondern vielmehr von der mangelnden Entscheidungsfähigkeit des Autors für ein Thema herrührt. Entweder Mobbing oder Rechtsextremismus – beide Themen sind so groß und umfassend und bieten so viel Potential zur dramatischen Darstellung, dass eine halbgare Mischung aus beidem für ein einzelnes Stück, für einen einzelnen Abend sowie für ein einzelnes Publikum (die Schauspieler nicht zu vergessen) einfach zu viel!
Zwei von fünf Theaterstückseiten für Desperado, drei von fünf für die Schauspieler – die Trennung muss hier leider sein.
Dennis
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28. November 2007
Wäre dieser Film ein Wein, man könnte sagen, er wäre süffig. Aber für Filme sind wohl sülzig (tolles Wort, ‘ne?) und schmalzig passender.
Zur Handlung ist nicht viel zu sagen: Der elfjährige Evan aka August Rush ist Waise, musikalisch hochbegabt und auf der Suche nach seinen Eltern. Dabei gerät er an eine Straßenmusiker-Gang, landet an einem renommierten Konservatorium, um schließlich – wird nicht verraten. ;-)
Doch viel Handlung braucht dieser Film gar nicht. Es geht um Liebe, Hoffnung, Träume und Wünsche. Und all das wird von glaubhaften Darstellern in gelungenen Bildern mit beeindruckender akustischer Untermalung serviert.
Musikalisch und akustisch ein genussvoller Ohrenschmauß.
Insgesamt eine solide 2+.
Patrick
26. November 2007
Es gibt auf diesem Planeten ja so einige Filme, die ich mangels eines besseren Wortes als verstörend beschreibe. Children of Men war beispielsweise so ein Film, der mich fesselt, knebelt und mir immer und immer wieder in den Magen tritt, bis ich keuchend und blutend auf dem Boden liege und versuche, das, was ich da sehe, zu fassen, zu verstehen.
Verstörend war auch der heutige Sneak-Film, The Condemned – leider aus den völlig falschen Gründen.
Die Kurzzusammenfassung: Ein Millionär hat die tolle Idee, zehn zum Tode verurteilte Verbrecher aus allen Winkeln der Erde auf eine Insel zu schicken und einem von ihnen die Freiheit zu schenken, wenn er als letzter überlebt. Darüber hinaus bekommt jeder Spieler (ja, das Wort wird tatsächlich mehr als einmal benutzt) einen kleinen Fußgurt mit ein bisschen Plastiksprengstoff angelegt, der nach sechsunddreißig Stunden (oder so) explodiert. Das Ganze wird dann noch für das zahlende Publikum live im Internet übertragen – fertig ist das Geldscheffel-Konzept.
Eigentümlicherweise stört dieser menschenverachtende Scheiß niemanden der Beteiligten, bis einige von ihnen plötzlich merken, dass die Leute da ja Menschen sind und sich da vor laufender Kamera gegenseitig umbringen, verstümmeln oder vergewaltigen. Da fällt ihnen auf einmal auf, dass das Ganze vielleicht doch nicht so ganz mit rechten Dingen zu geht; abgesehen von ein paar empörten Gesichtern und einer schier endlosen Diskussion (während der im Hintergrund fröhlich weiter gefoltert wird) ändert sich aber natürlich nichts.
Neben neun bösen Straftätern gibt es natürlich auch den zehnten, von Steve Stone Cold Austin (einem angeblich sehr bekannten Wrestler) gespielten Ex-Marine und Ex-Spezialeinheiten-Fuzzi, der nur durch einen dummen Zufall in diese missliche Lage geraten ist und nach anfänglichem Gutmenschentum beim Schlachtfest fröhlich mitmischt.
Dazu kommen dann noch ein paar markige Sprüche, wortfreie Blicke in die Kamera, eine Liebesgeschichte, die billiger nicht sein konnte und eine Horde von Irren vor und hinter der Kamera (und ich meine nicht nur das Millionärs-Team im Film)!
Das alles wäre noch zu ertragen oder zumindest als “halt ein schlechter Film” abzustempeln, wäre da nicht diese unsägliche, unerträgliche moralische Grütze, die der Film uns ins Ohr zu gießen versucht. Man echauffiert sich darüber, dass das Produzieren solch einer gewalttätigen Scheiße doch menschenverachtend und äußerst schrecklich sei, nur um Sekunden später eine weitere Folterszene in Großaufnahme zu zeigen. In der einen Sekunde sind die Besucher einer Bar völlig geschockt darüber, was ihnen dort als Entertainment angeboten wird, in der nächsten sind sie vollkommen begeistert, als ihr Held Conrad (der besagte Ex-Fuzzi) dem psychopatischen Engländer und dem kampfsporterprobten Asiaten spitze Gegenstände in diverse Körperregionen führt.
Nein, so blutig wie diverse andere (bessere) Filme ist The Condemned bei weitem nicht, aber diese fürchterlichen Diskrepanzen zwischen beabsichtigter Aussage und Wirkung machen das Ganze noch viel unerträglicher.
WWE steht für World Wrestling Entertainment, diese tolle Sportart, bei der Leute zum Spaß so tun, als ob sie mit allerlei Mobiliar aufeinander eindreschen. Gut, wer’s mag, jedem das seine. Was hier aber abgeliefert wird ist billigster Action-Murks ohne jedweden Funken Vernunft, Sinn und Verstand. Ja, liebe Filmemacher, wie ihr schon sagt sind sicherlich die Eltern dafür verantwortlich, ihrem Nachwuchs eine gewisse mediale Kompetenz anzueignen und ihn nicht einfach mit der schönen, neuen Welt allein zu lassen. Aber was ihr hier abliefert ist einfach nur billig.
Allein ein paar gute Sprüche und ein paar schöne Landschaftsaufnahmen retten The Condemned vor dem null-Punkte-Absturz. So landen wir bei einem halben von fünf… ach, was weiß ich denn… ein halber Punkt. Bitteschön. Dankesehr. Gute Nacht.
Dennis
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24. November 2007
Man muss schon verrückt sein, um dass zu tun, was etwa 100 hartgesottene Sneaker am Freitag, dem 23.11.07, getan haben. Wir waren dabei und sind froh darüber!
Von 22:30 bis 10:30 fünf Filme, fünf Sneaks, fünfmal nicht wissen, was kommt. Drei Filme vor dem offiziellen Kinostart, zwei Repertoirefilme. Viermal deutsch, einmal englisch. In den Pausen: Würstchen und Getränke für eine Eurone außerdem singstar-Wettbewerb mit Preisen. (Unter anderem ein 2 Meter! großer Papp-Aufsteller zu Ratatouille). Außerdem Grindhouse-Fake-Trailer und dergleichen vor den Filmen.
Mr. Brooks
Mr. Brooks ist eigentlich ein Mann, wie er im Buche steht: Innig liebt er Frau und Tochter. Beruflich ist er mehr als erfolgreich, obendrein künstlerisch begabt. Er könnte eigentlich rundum glücklich sein, wenn da nicht sowas wie Schizophrenie wäre: Mr. Brooks ist in seiner “Freizeit” ein gesuchter Serienmörder, der mit eiskalter Perfektion und erschreckender Anteilnahme aus purer Lust am Kick tötet.
Der Film bietet gute Action, ist gekonnt inszeniert und weiß mit guter Musik zu überzeugen. Die Handlung ist spannend und dicht, man sollte aber Blut sehen und Gewalt verkraften können.
Leider treten psychologische Aspekte im Film arg in den Hintergrund. Hier wird viel Potential für eine Charakterstudien vergeudet. Daher “nur” eine 2-.
Hunting Party
Drei Journalisten (respektive Kriegsberichterstatter) versuchen in Serbien einen Kriegsverbrecher, genannt “der Fuchs” für ein Interview aufzuspüren. Der ausgebrannte Altmeister, den die Schrecken des Krieges gezeichnet haben, sein ehemaliger Freund und Kollege, der vom Erfolg verwöhnt ist, und der grünschnäblige Sohn des Chefs begeben sich auf eine turbulente Jagd und verstricken sich in weitreichenden Verschwörungen.
Ein sehr schöner Film über Journalismus, Menschlichkeit, Korruption und Verbechen. Gut umgesetzt, durchdacht und bewegend. Außerdem zahlreiche gute Sprüche. Eine verdiente 2+.
Before Sunrise
Wir konnten uns den 3. Film aus “Bierfest” und “Before Sunrise” auswählen. Beide liefen parallel in verschiedenen Sälen. Die Entscheidung für den Klassiker fiel nicht schwer.
EIn wunderschöner Dialogfilm. Keine Spezialeffekte, keine Stunts, kein Beiwerk. Nur dichte Atmosphäre, authentische Dialoge und feine Charakterstudien. Die Kameraführung meisterhaft auf das wesentliche beschränkt, schon fast minimalistisch. Der Inhalt so trivial wie wichtig: Was ist Liebe? Was ist Glück? Was wollen wir?
Jesse und Celine begegnen sich durch puren Zufall im Zug. Beide Romantiker. Sie in jeder Hinsicht attraktiv, aber vorsichtig, voller Gedanken und Zweifel. Er quirrlig, ein wenig planlos, verspielt wie ein Kind und doch zynisch.
Sie haben eine Nacht in Wien, um die Stadt und die eigenen Ideale und Träume zu erkunden, um sich zu unterhalten, um sich kennenzulernen, um sich schließlich wieder trennen zu müssen.
The Darjeeling Limited (eng.)
Drei Brüder verschieden und stets uneins unternehmen nach dem Tod ihres Vaters eine spirituelle Reise durch Indien. Dabei nehmen sie jedes noch so kleine Fettnäpfchen auf liebenswert komische Weise mit. Ein überaus komischer und unterhaltsamer Film mit deutlich mehr Tiefgang, als man zunächst vermutet. Er bleibt merkwürdig und seltsam. Man muss ihn aufnehmen und genießen, aber auch durchdenken und reflektieren, um ihn gänzlich auszukosten.
Rundherum gut: 2.
Das fünfte Element.
Ein SciFi-Klassiker, bei dem Physiker Kopfschmerzen kriegen (-5000°C, thermonukleare Abstatstung, …). Die Story etwas dürftig: Wie immer Gut gegen Böse gekoppelt an Selbstaufopferung und eine stereotype Liebesgeschichte. Dennoch besticht er durch stilvolle, weil pumple Actionsequenzen und seine schön schrägen Charaktere, die mehr als nur eine Spitze enthalten.
Alles in allem eine voll und ganz gelungene Kinonacht.
Patrick
20. November 2007
Nein, nicht was ihr jetzt vielleicht denkt, sondern ein Soloabend im doppeltem Sinne: Solo ich, der allein unter Fremden diesem Stück im Theatercafé lauscht. Solo Carola von Seckendorff, die in diesem Stück für eine Person, diesem Monolog, überzeugend und virtuos die Hanna gibt.
Auffordernd und voller Illusionen erzählt sie, 32, IQ 126, Ehefrau und Mutter, gut bürgerlich, von ihrem ersten Drogenkontakt. Eine Ecstasy-Pille hat sie vom Dachdeckerlehrling gekauft und eingeworfen. Frei nach Seneca: “Nur Kleinmütige und Schwächlinge wählen den sicheren Pfad. Der Held geht über den Gipfel.”
Ihr erster Tripp, ein voller Erfolg: Farben und Lichter, Wärme und Liebe für ihren Sohn, Tunnel graben im Badeschaum…
Doch es geht weiter und weiter: Kokain (achtet auf die Nasenschleimhaut), LSD (12-dimensionales String-Multiversum, Entropietod und Protonenstaub)…
Hanna ist intelligent, selbtsbewusst und unabhängig. Was findet sie an Drogen? Hat sie das Tor zur Erkenntnis aufgestoßen? Ist sie gar gottgleich geworden?
Während sie andauernd Seneca zitiert, gibt sie sich dem Verfall preis; macht ihr Leben zum letzten Horrotrip. “Vielleicht ist er [der Fötus] schon abgestroben und verfault gerade in mir.
Erfrischend politisch unkorrekt ist das Stück; voller subtiler Ironie und scharfer Dialektik. Wie Anti-Werbung überzeugt es, und hinterlässt gleichzeitig einen fahlen Nachgeschmack von Nebenwirkungen.
Bis die Worte schließlich deutlich werden, der Schrecken greifbar.
Die stete Wechselwirkung mit dem Publikum wirkt dabei: Gemeinsame ”Übungen”, treffend bissige Kommentare, herumgereichte Bilder, einen Globus aufpusten…
Am Ende ist man bewegt, wenn man sich ihre (und die eigene) Beerdigung vorstellt: Absolute Stille herrscht; wer sich glücklich nennt, verlasse den Raum, fordert sie auf – niemand geht.
Ein grandioses Stück experimentelles Theater, nicht nur über Drogen, sondern über Träume, Wünsche, Liebe und Glücklichsein.
Seneca sagt: “Während man das Leben aufschiebt, geht es vorüber.”
Patrick
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