Luxuslärm ist eine Pop-Rock-Formation aus Iserlohn, was ja gar nicht so weit entfernt von der „Sneakcast-Redaktion“ liegt. Die Band rund um Frontfrau Janine „Jini“ Meyer feierte im vergangenen Jahr schon einige Erfolge (u.a. Deutscher Rock und Pop-Preis) und veröffentlichte 2 Singles sowie ein Album. Eben dieses Album wird im Folgenden rezensiert. Vorher ein kleiner Exkurs:
Im Jahr 2004 brach über die deutschsprachige Musiklandschaft eine Welle herein. Die beiden Bands Juli und Silbermond hatten in diesem Jahr nahezu zeitgleich ihren Durchbruch. Unwissende bezeichneten seit jeher die eine Band als Abklatsch von der anderen. Um einmal für Klarheit zu sorgen: Beide Gruppen waren zuvor Schülerbands und wurden unabhängig voneinander von Sony BMG (Silbermond) und Island Universal (Juli) unter Vertrag genommen. Dies hat insofern etwas mit Luxuslärm zu tun, als dass sich jede deutsch singende Band mit Frontfrau zunächst einmal dem Vergleich mit diesen Beiden stellen muss. Insgesamt haben Luxuslärm gegenüber den anderen Bands einen großen Vorteil: Das ist die stimmliche Qualität und Ausdruckskraft ihrer Sängerin. Janine Meyer hat vermutlich eine erstklassige Gesangsausbildung genossen. Ich will weder Stefanie Kloß noch Eva Briegel ihre stimmlichen Qualitäten streitig machen, höre die beiden Bands seit Jahren sehr gerne. Nur reißt mich persönlich Janine Meyers Stimme am meisten mit. Dennoch haben Luxuslärm mit einigen der Unzulänglichkeiten zu kämpfen, die teilweise das Hörvergnügen trüben. Wie ihre Vorreiter wird die musikalische Qualität stets über die Textliche gestellt, die meisten Texte klingen… jetzt nicht direkt weltfremd, aber halt irgendwie gestelzt. „Hier bin ich, kann mich irgendjemand hören, ist dort irgendwer“, Befindlichkeitslyrik. „Fängst an zu erklären, ey ich will das nicht hören, bist du echt so cool, ey du gehst jetzt besser“ Aua, lieber ein paar Eys weniger, dafür sinnvolle Silben. Die Texte hätten insgesamt aber auch wesentlich schlimmer ausfallen können. Jetzt zum Positiven: Juli und Silbermond sind nicht die einzige Quelle der Inspiration. In mindestens 5 der 13 Songs lassen sich unverkennbar Einflüsse von Evanescence erkennen. Da ich von dieser Band das erste Werk („Fallen“, 2003) sehr schätze, freue ich mich natürlich, dass es hier Einfluss hatte. Das passt insofern ganz gut, als dass Frau Meyer eine ähnliche Stimmlage hat wie Frau Lee und die Band auch einen ganzen Tacken härter klingt als ihre Landsleute aus dem Radio. Die schnellen Songs sind (fast) alle gelungener als die schnelleren von Silbermond (nicht so ihre Stärke), bei den Balladen sind sie gleichauf. Juli hat die realitätsnäheren, besseren, echteren Texte. Von Wir sind Helden wollen wir nicht anfangen, die schweben textlich irgendwo ganz weit über den Dreien und lächeln müde runter. Zum Abschluss das Sahnehäubchen: „Unsterblich“… was für ein Wahnsinns-Lied. Ich kann es gar nicht in Worte fassen, wie genial dieses Stück Rockmusik ist. Allein für dieses Lied lohnt sich schon der Kauf der CD, kein Witz. Weitere Highlights: „Solang es noch geht“, „Zeichen“, “Ja ja”, „Von jetzt an“ (Auch wunderschön), „Abschied“
Insgesamt vergebe ich 3 Sterne (nächstes Mal mehr Originalität, dann spielt ihr oben mit)
Luxuslärm – 1000 km bis zum Meer
- Luxuslärm – "Unsterblich"
- Nehmt Euch die Zeit und guckt Euch 4 Minuten lang dieses Video an. Es wird sich lohnen.
- Luxuslärm – Top oder Flop?
- Ein kleiner Thread von Plattentests.de. Nicht lang, aber amüsant.
New Found Glory – Not Without A Fight
Wie fange ich die New Found Glory-Rezension an?… Mal überlegen… Bei der Band, beim Produzenten, beim letzten Album… ach, egal. Ich schreib einfach ALLES!
New Found Glory, das ist nicht mehr und nicht weniger als die beständigste Punkband des letzten Jahrzehnts. Beständig bedeutet: Keine Band hat mehr Platten mit einer höheren musikalischen Durchschnittsqualität veröffentlicht (Jimmy Eat World sind kein Punk und spielen nebenbei bemerkt in einer ganz anderen Liga). Unter den vergangenen 5 Alben (NFG, Sticks and stones, Catalyst, Coming home, From the screen to your stereo II) gab es keinen Negativ-Ausreißer.
Der Produzent des neuen Albums „Not without a fight“ ist niemand geringerer als Mark Hoppus, seines Zeichens Bassist und Sänger der gerade erst wiedervereinigten Punk-Heroen von Blink-182. Das neue Label der Band (Epitaph) ist legendär. Die Grundvorraussetzungen für das Album sind mehr als optimal… Wie ist es denn nun geworden?
Zunächst springt den geneigten Fan (als solchen ich mich nach 4 Jahren mit ihrer Musik bezeichnen würde) die harte, kantige, kernige Produktion an. Das Album setzt sich nicht so geschmeidig im Gehörgang fest wie „Coming home“, das letzte reguläre Studioalbum von 2006. Es wirkt bei den ersten Durchläufen eher wie ein zappeliges Kind, das umherhüpft, als wie ein fassbares musikalisches Ganzes. NFG haben während der Promotion angedeutet, dass sie mit diesem Album mehr Back to the roots wollten. Die Frage ist immer, was man daraus macht. Bei einer längeren Karriere (12 Jahre ist für eine Punkband ja schon viel) liegt die „roots“ ja auch mal hier mal da… fest steht, dass der Auftakt mit den beiden Songs „Right where we left off“ und „Don’t let her pull you down“ sehr sperrig ausfällt und nicht so einladend wie beim letzten Album. Die Single „Listen to your friends“ haut da schon eher in die richtige Kerbe. Sie erinnert an eine Mischung aus „My friends over you“ und „Hold your hand“ und rockt gewaltig nach vorne. Sauber!
Weiter geht es mit „47“, welcher auch sehr old-school-mäßig klingt (nach dem selbstbenannten Debüt oder „Sticks and stones“). „Truck stop blues“ krankt an dem (für meinen Geschmack) viel zu schnellen Drumrhythmus und daran, dass die Strophe und der Refrain zu unterschiedlich sind. „Tangled up“ finde ich richtig gelungen, weil es wieder auf der ernsthaften Schiene fährt (diese Songs mag ich besonders, da nicht so zahlreich zwischen dem ganzen Spaßpunk). Dieser Track hätte sich auf „Catalyst“ pudelwohl gefühlt. „I’ll never love again“ hört sich zunächst nach Stadionrock an, der Refrain ist aber nicht mitreißend genug. Ich muss es sagen, ich mag die Schrei-Parts einfach nicht. Für mich ist guter Punkrock gesungen und nicht gebrüllt, auch wenn es bei NFG noch geht, weil es reinpasst. Richtig anfreunden damit kann ich mich nicht. „Reasons“… endlich ‘mal ein Stück das klingt wie „Coming home“ und ich dachte schon, das war es. Dazu ist es auch noch ganz gut gelungen, man kann wieder klarer den Text verstehen und der stellenweise zweistimmige Gesang fügt sich gut ein. Bei „Such a mess“ dachte sich die Jungs wohl, nach dem langsamen Stück muss man wieder richtig losfetzen. Das gelingt auch… auf angenehmen Niveau. Der Song geht schon nach vorne, erinnert ein bisschen an Fall Out Boy. „Heartless at best“ beginnt ein bisschen wie „Make your move“ in schnell, war bestimmt keine Absicht. Noch so eine schöne „Coming home“ B-Seite und ich geb dem Album doch einen Stern mehr. „This isn’t you“ ist 0815. Macht aber trotzdem Laune. Im Refrain höre ich die Toten Hosen raus, komme aber nicht auf den Song, irgendeiner von „Kauf mich“ (1994). „Don’t let this be the end“ schließt das Album. Hier hätte besser sowas wie „The story so far“ hingepasst (der Closer von „Sticks and stones“). Allerdings ist der Song ein guter Rausschmeißer, sicher auch auf Konzerten.
So, mein Problem mit der neuen New Found Glory ist… ich kenne die Alten zu gut, hat man beim Lesen nicht gemerkt, oder? *g* Wer unbefangen als Neuling an die Scheibe rangeht bekommt ein anständiges Punkalbum. „Für jeden was dabei“ würde ich nicht sagen, das kann man aber bei keiner NFG Scheibe sagen. Gute Arbeit, wär aber mehr drin gewesen. Produktion ist übrigens echt stark. Daumen hoch, Mr. Hoppus. Bitte beim Blink-Album mehr Abwechslung als hier. Abschließend vergebe ich 3 1/2 Punkte.
- New Found Glory bei MySpace
- Das komplette Album als Stream!
RocknRolla (OmU)
Letzte Woche gab es einen Film, den ich auf Grund dessen seltsamen Trailers sowiewo sehen wollte: RocknRolla. Da mir der Stil des Trailers gefallen hat, gibt es auch die Rezension nicht als Story-Zusammenfassung, sondern als Charakter-Überblick.
Dramatis personae:
Lenny Cole: ist ein großer Londoner Gangster, der alle Fäden in der Hand hält und die Unter- und Oberwelt regiert - Old School’s headmaster.
Archie: ist Lennys rechte Hand, kann jeden Job erledigen und verkörpert dabei das Ideal des britischen Gentlemans.
Uri Omovich: ist ein russischer Millionär, der Lenny seine Position als König der Unterwelt streitig machen will.
Stella: ist Uris Buchhalterin und eine ganz gerissene und wunderschöne Frau, die ihre eigenen Pläne verfolgt.
One Two: ist Mitglied der Kleinkriminellengruppe Wild Bunch und hat Kontakt zu Stella, die ihm gelegentlich Jobs vermittelt.
Handsome Bob: ist auch in Mitglied der Wild Bunch und außerdem schwul.
Johnny Quid: ist ein drogensüchtiger aggressiver Rockstar und außerdem Lennys Stiefsohn.
Was bekommt man, wenn man diese Personen (und viele andere) zusammen mischt? Einen rasanten und unterhaltsamen Gangsterfilm, den man nicht allzu ernst nehmen sollte. Alle haben Dreck am Stecken, und jeder kommt jedem in die Quere. Originell ist das nicht, unterhaltsam schon!
Für Kenner der englischen Sprache ist die Originalfassung ein ganz besonderer Leckerbissen: man kann den einzelnen Charakteren ihre geographische und soziale Herkunft anhören. Und Fans von Rockmusik dürften sich auch mit dem Soundtrack gut arrangieren können. Große Gefühle und Tragik sucht man dagegeben vergebens. Ob das an der kürzlich erfolgten Scheidung des Regisseurs Guy Ritchie von Madonna liegt? Ritchie-Fans (zumindest die, die ich im Kino getroffen habe) sind sich jedenfalls einig, dass seine Ehe ihn in cineastischer Hinsicht verdorben hat und er mit RocknRolla wieder aufgeblüht ist. RocknRolla soll angeblich in der Tradition von Snatch sein, den ich leider nicht kenne — wie immer sind Kommentare, die das bestätigen oder widerlegen, sehr willkommen.
Wie auch immer, RocknRolla ist insgesamt ein guter und unterhaltsamer Film — durchaus sehenswert, vier von fünf Sternen.
Anne
Fueled by Ramen Records
Endlich ist es soweit und ich habe den Fueled by Ramen-Artikel geschrieben (schiebe ich schon lange vor mir her). Leute, schaltet mal Eure Musikplayer aus beim Lesen… ja, alle. Lest… und hört Euch danach die Musik an, die ich Euch hier empfehle (denn sie ist gut). Bühne frei!
Fueled by Ramen, was für ein komsicher Name für ein Musiklabel. Wenn ich mich recht entsinne entstammt der Name einem besonders scharfen Gericht oder Gewürz (Ramen eben) und hat aber keinen tieferen Sinn. Fakt ist, dass das Label 1996 gegründet wurde und im Jahr 1998 eine EP der damals unbekannten Band Jimmy Eat World herausbrachte. Im Jahr 2002 brachte das Label eine EP der Band Yellowcard heraus. Bisher sollte Fueled by Ramen noch nicht großartig vom folgenden Erfolg dieser Bands (mit Clarity [1999] und Ocean Avenue [2003]) profitieren, da diese Alben auf anderen Labels veröffentlicht wurden.
2003 sollte den Wendepunkt in der Geschichte des Labels markieren. Sie nahmen sie eine kleine, damals ebenfalls völlig unbekannte Band unter Vertrag. Diese Band (die Rede ist von Fall Out Boy) spielte 2003 ein stilbildendes Punkalbum ein (Take this to your grave) und mit einem Schlag war das Label ganz groß im Geschäft.
Der Gründer John Janick erinnert sich:
“For two years we pounded the pavement, selling the record,” he
adds. “Most labels would’ve given up, but we just kept on pushing it.
We went from selling 500 records a week, to 1000, to 1500 to 3000
records a week. By the time we put out the next Fall Out Boy record,
we were at 225,000 records. We had built this great base for the
band, helping to launch what’s now a multi-platinum career.”
Und so nahm alles seinen Anfang. Nun folgt die Vorstellung der wichtigsten Veröffentlichungen 2005-2009:
2005: Panic at the Disco! - A fever you can’t sweat out (Dt. Veröffentlichung: 5. Mai 2006)
“The album is split in two stylistically, with tracks 1 through 7 featuring electronic instruments such as synthesizers, drum machines and tracks 9 through 13 using traditional instruments such as the accordion and organ. ”
Das Zitat aus der englischen Wikipedia bringt das Album auf den Punkt. In meiner Jahresliste habe ich es als “massentauglichen Emosound” klassifiziert. Was soll ich sagen, das ist es auch! Jedoch weiß die Platte auch zu begeistern, gerade die zweite Hälfte ist stellenweise phänomenal. Anspieltipps (Tracks): 2, 9, 10, 12, 13
2006: Cute Is What We Aim For: The same old blood rush with a new touch (Dt. Veröffenrlichung: 26. Januar 2007)
“The album debuted at #75 on the Billboard 200 in July 2006, scanning 13,651 copies within its first week of sales. It even exceeded the first week sales benchmark of labelmates Panic at the Disco’s A Fever You Can’t Sweat Out (2005), which debuted at #112 with just under 10,000 copies sold. As of June 2008, the album has sold 206,547 copies in the US. ”
Meiner Meinung nach markiert das Album einen weiteren Höhepunkt (nach Take this to your grave) in der Labelgeschichte, nicht nur weil es die höchsten “First-Week-Sales” hatte, nein… es ist ganz einfach der musikalische Ausdruck jugendlicher Überschwänglichkeit. Viele Ohrwürmer reihen sich hier aneinander. Es was zudem auch das erste Album, dass ich mir im Labelkontext (also auf das Label achtend) gekauft habe. War übrigens eine Last.fm-Empfehlung… also hört auf Last.fm!! Anspieltipps (Tracks): 2, 4, 6, 8, 10, 12 (eigentlich die langsamen Stücke ^^)
2007: Paramore: Riot! (Dt. Veröffentlichung: 29. Februar 2008)
“Riot! is the second studio album from pop punk band Paramore, and was released in the United States on June 12, 2007. The album was certified Platinum in July 2008 by the RIAA, and Gold in the UK and Ireland. ”
Dieses Album war kommerziell ein Riesenerfolg, ist aber (wie Cute Is What…) in Deutschland von der Musikpresse völlig unbeachtet geblieden. Vollkommen unverständlich! Auf dem Album wird ein Knaller nach dem anderen abgefeuert, weshalb es sich auch auf dem vierten Platz meiner Jahrescharts 2007 wiederfand. Ich kann es auch einfach nicht satthören. Die Band um Sängerin Hayley Williams versteht es einfach, rockige Ohrwürmer zu produzieren, die gleichzeitig ihr stimmliches Talent unterstützen. Anspieltipps: 1, 4, 5, 7, 9, 10, 11 (ALLE!)
2008: Panic at the Disco: Pretty. Odd. (Dt. Veröffentlichung: 22. März 2008)
Groß, größer, Panic at the Disco. Sie haben für dieses Album auf das Ausrufezeichen hinter ihrem Namen verzichtet und es fällt noch nichtmal auf. Ein spektakulärer Songcocktail mit musikalischen Versatzstücken der später 60er und frühen 70er Jahre. Ganz großes Kino. Anspieltipps: 2, 5, 7, 8, 9, 11, 15
Cute Is What We Aim For: Rotation (nur als Import erhältlich)
Meine Rezension vom vergangenen Juli sagt alles.
2009: VersaEmerge: VersaEmerge EP (Dt. Veröffentlichung: 3. Februar 2009 bei iTunes)
Die jüngste Band, welche erst seit Dezember 2008 zum Label gehört, veröffentlichte Anfang Februar ihre dritte EP auf Fueled by Ramen. Ihr Sound lässt sich als eine Mischung aus Paramore und Evanescence beschreiben, doch das trifft es nicht ganz. Sie schaffen sehr interessante Harmonien durch zweistimmigen Gesang. Die 5 1/2 Stücke ihrer EP machen auf jeden Fall Lust auf das erste richtige Album, welches im Laufe des Jahres erscheinen soll und selbstredend auch hier rezensiert werden wird.
Ausblick: Fueled by Ramen sind im Aufbruch. Wenn die Qualität der Veröffentlichungen weiterhin so hervorragend ist (ich habe natürlich für diesen Artikel die besten ausgewählt), dann stehen dem Label goldene Zeiten bevor. Mit Jimmy Eat World und Fall Out Boy haben sie schon früh unter Beweis gestellt, dass sie ein gutes Gespür haben. Dieses Gespür hat bis heute angehalten, sodass jede neue Band zumindest Wert ist, dass man ihr Aufmerksamkeit schenkt (siehe VersaEmerge). Weiter so!
- FRB Plus – Der Videokanal von Fueled by Ramen.
- Hier gibt's Videos von allen Bands. Viel Spaß!
Milk (OF)
Harvey Milk (Sean Penn) ist ein ganz normaler Versicherungsvertreter — und schwul. Kein leichtes Los im Amerika der 60er und 70er Jahre. Zusammen mit seinem Freund Scott führt Milk ein kleines Fotogeschäft in San Francisco. Das Viertel, in dem die beiden wohnen, wird bald zur Zufluchtsstätte für Gleichgesinnte. Angesichts massiver Übergriffe durch die Polizei beginnt Milk, sich immer stärker für Schwulenrechte einzusetzen, und beschließt, für das Amt des “supervisors” (wohl so etwas wie ein Stadtrat) zu kandidieren. Nach aufreibendem Kampf schafft er es, gewählt zu werden… der Rest ist Geschichte.
Man kann sich des Eindrucks nicht erwecken, dass die US-Amerikaner cineastische Aufarbeitung betreiben: Erst Frost/Nixon über die Nixon-Interviews und die Watergate-Affäre, jetzt die Geschichte des ersten schwulen in ein hohes Amt gewählten Politikers Harvey Milk. Solche Filme fallen in die gleiche Kategorie wie der Baader-Meinhof-Komplex, und tatsächlich musste ich bei Milk an diesen Film denken — ihr werdet gleich verstehen warum.
Ich gestehe, ich war überrascht über den Wirbel, der um Milks Kandidatur gemacht wurde, und ich war schockiert über einige Aussagen und über die restriktive Gesetzgebung, die gegen Homosexuelle geplant und durchgesetzt wurde. Und ich gestehe noch mehr — ich habe mich für kurze Zeit in dem Bewusstsein gesonnt, dass so etwas in Deutschland ja wohl nicht möglich gewesen wäre. Irrtum. Zwar kenne ich mich nicht mit der Homosexuellen-Aktivisten-Szene aus, aber ich weiß, dass § 175 StGB, der homosexuelle Handlungen verbot, erst 1994 aufgehoben wurde! Und in den 70ern hatten wir vielleicht keine Homosexuellen-Aktivisten, aber dafür die RAF - ob das ein Grund ist, stolz zu sein?
Wie auch immer, ich fand den Film sehr interessant und informativ und habe definitiv etwas über Politikgeschichte gelernt. Die Schauspieler gefielen mir, und ich kann die Entscheidung, Sean Penn einen Oscar zu verleihen, nachvollziehen und gutheißen. Dass es sich bei dem ganzen um wahre Geschichte handelt, macht den Film meiner Ansicht nach erst Recht reizvoll - das ist lebendige Geschichte und dadurch kann das Medium Film weiterbilden. Der Nachteil ist, dass einige der Charaktere (insbesondere Dan White) dadurch etwas im Dunkeln bleiben — wo man keine Fakten kennt, kann man sie in einem Dokumentar-ähnlichen Film auch nicht hinzuerfinden.
Ach ja, für alle Homophoben und -phile: Es gibt keine Nacktszenen! ;-)
Absolut sehenswert: viereinhalb von fünf Sternen.
Anne
The Fray
Musik ist manchmal wie ein Ozean. Man möchte darin schwimmen, sich darin verlieren. Jeder der das Gefühl schon einmal hatte versteht, was ich meine. Genau so und nicht anders geht es mir bei der Musik von The Fray. Die vierköpfige Band aus Denver, Colorado, feierte 2007 mit ihrem Debütalbum How to save a life und der gleichnamigen Hitsingle große Erfolge. Doch Erfolge bedeuten nicht zwangsläufig musikalische Qualität. Warum sind also The Fray eine Band, der ich den Erfolg uneingeschränkt gönne? Weil sie es schaffen, mich immer wieder an die Hand zu nehmen und mitzureißen. So war es auch nicht verwunderlich, dass ich mir ihr zweites Album The Fray (sehr einfallsreich) importierte. Das gute Stück wird in Deutschland erst Ende März veröffentlicht. Eine musikalische Sneak also…
Wie ist es denn nun geworden, das schwierige zweite Album? Ich muss es einfach sagen… Das haben die Jungs ganz, ganz toll gemacht. Alles ist größer, emotionaler und irgendwie wuchtiger als auf dem Debüt. Über den genialen Opener Syndicate, der mit Panorama-Refrain daher kommt gelangt man ohne Umschweife ins Herz der Platte. The Fray sind im emotionalen Piano-Poprock zu Hause und sie zelebrieren hier, was sie am besten können. Absolute steht dem ersten Stück in nichts nach und weiß nach einigen Durchgängen genauso zu begeistern. You found me, die Vorabsingle, steht in der Tradition ihres Debütalbums, hat einen tollen Text und ist einfach ein schönes Stück Radiopop. Say when das ist die erste Überraschung. Hier herrscht, tatsächlich, durchweg ein treibender Rhythmus vor und der Song begeistert durch eine kontinuierliche Steigerung (am Ende fast brachiale Industrial-Gitarren) weshalb er, trotz 5 Minuten Länge, nicht langweilig oder belanglos daherkommt. Das nächste Stück ist mein persönliches Highlight: Never say never. Eine herzzerreißende Liebeserklärung an die Liebe selbst, so schön eingespielt, das man es zunächst nicht glauben mag. Hier wird es deutlich: Sie haben es tatsächlich geschafft, sich als Band weiterzuentwickeln. Zu einem Song wie diesem wären sie auf ihrem Debüt noch nicht fähig gewesen und die Bridge trägt einen auf einem Streicherarrangement davon. Phänomenal! Where the story ends ist dann wieder etwas schneller, geht gut ins Ohr, haut aber nicht vom Hocker. Enough for now bei dem dachte ich zunächst, dass es wieder so einen Hänger begründen würde wie beim Vorgänger. Damals wurde nämlich kräftig bei der Reihenfolge geschlurt und 5 Balladen hintereinander auf das Album gepackt. Dem ist hier nicht so… Enough for now entwickelt sich zum Grower, der ältere Songs wie Heaven forbid oder Hundred (die schwächeren des Debüts) mit Leichtigkeit schlägt. Überhaupt, in allen Reviews die ich bisher las wird der Band Stillstand vorgeworfen. Man könnte meinen, keiner hat richtig zugehört. Meiner Meinung nach hört man die Weiterentwicklung bei jedem einzelnen Song, denn selbst das schwächste Stück der Platte Ungodly hour hat durchaus im Albumkontext seine Daseinsberechtigung. Irgendwie ist es kein Meisterstück, aber es würde etwas fehlen, wenn es nicht da wäre. We build then we break ist das musikalische Experiment, denn hier entfernen sich The Fray etwas von ihrer Piano-Formel und lassen das Stück ein bisschen synthie-mäßiger klingen. Das steht dem Stück auch gut zu Gesicht und damit bereichert es das Album. Vor allem im Kontrast zwischen zuckersüßem Refrain und basslastiger, ja fast düsterer, Strophe entsteht hier ein spannendes Zusammenspiel. Happiness ist dann das letzte Aufbäumen des Albums, was über die Hälfte als akustischer Track daherkommt, dann zum Ende hin aber nochmal die gesamte Band zum Finale einlädt.
Fazit: The Fray haben eindrucksvoll unter Beweis gestellt, wie ein überzeugendes zweites Album auszusehen hat. Die CD bietet viele Highlights und stellt eine Bereicherung meiner Musiksammlung dar. Dachte ich bei How to save a life noch, dass man von dieser Band wohl nichts mehr hören würde (One-Hitalbum-Wonder :-), so bin ich bei diesem Ergebnis absolut positiv überrascht. Ich hoffe, dass sie auch bald mal nach Deutschland kommen, denn bisher waren sie meines Wissens nur in England um Konzerte zu geben. Hoffentlich steigert dieses Album hierzulande den Bekanntheitsgrad der Gruppe denn verdient hätten sie es allemal. Ich vergebe 4 von 5 Steinway-Flügel für dieses wunderschöne Stück Popmusik.
- The Fray bei MySpace
- 3 Stücke zum Anhören und zahlreiche Videos
Spamalot
Monty Python, Monty Python… Das waren doch die komischen Engländer, die Das Leben des Brian und so gemacht haben, oder? Ach, die finde ich eigentlich nicht so richtig lustig…
Ähnliche Zitate durfte ich mir vor Kurzem regelmäßig anhören, als ich berichtete, Spamalot, das Monty Python-Musical in Köln gesehen zu haben. Irgendwie scheint der Python-Humor in Deutschland noch immer nicht so richtig Mainstream zu sein – und vielleicht ist das ja auch gut so.
Nachdem Monty Python and the Holy Grail (im Deutschen besser bekannt als Die Ritter der Kokosnuss, was diesen wunderbaren Film leider auf nur einen der zahlreichen grandiosen Einfälle des Python-Teams reduziert) ja nun schon vor über dreißig Jahren erstmals über die Kinoleinwände flimmerte, dachte sich Eric Idle, den Nicht-Python-Kennern vielleicht als die Originalstimme von Merlin, dem Zauberer in Shrek 3 bekannt, dass aus dem Stoff doch noch ein bisschen Geld herauszuquetschen sei, nahm das Drehbuch, verpackte es in ein knallbuntes Musical-Outfit und machte daraus Spamalot, wie der Original-Untertitel schreibt a new musical lovingly ripped off from the motion picture.
Eins zunächst: Selbst, wer bislang mit den Pythons wenig anfangen konnte, wird an Spamalot vermutlich seine Freude haben. Die Story wurde mit nur ein paar Änderungen vom Film übernommen, das Bühnenbild ist großartig, die Schauspieler/Sänger klasse (insbesondere Amber Schoop, die Schöne aus dem Schilf, die sich mit einer äußerst beeindruckenden Stimme singend darüber beschwert, so wenig Text zu haben) und die gesamte Aufmachung so bunt und abgedreht, wie man es sich in seinen schönsten Drogenfantasien wohl nicht besser vorstellen kann.
Doch was bleibt für uns (scheinbar wenige) Python-Fans? In die Grail-Story werden massenhaft klassische Python-Gags eingeflochten, vom Fish Slapping-Dance bis zum Ursprung von Spam! ist nichts vor der Adaption sicher.
Die Musical-Umsetzung funktioniert erstaunlich gut, hauptsächlich wohl deshalb, weil sie sich selbst immer wieder wunderbar auf den Arm nimmt. Auch die deutsche Übersetzung ist äußerst gelungen, wobei mich das Original dann doch noch einmal interessieren würde. Verdammt, selbst die Schauspieler sehen ihren Pendants erstaunlich ähnlich!
Ich finde nichts zu meckern, so sehr ich auch suche. Also, fahrt nach Köln und schaut euch Spamalot an. Es gibt sogar fliegende Kühe und Wackelpudding!
Fünf von fünf Wagen voller Heu (ich muss selbst beim Schreiben grinsen). Hin, hin!
Dennis
The International
Der einzige Wuppertaler, der es im letzten Jahrzehnt internationalen Filmgeschäft zu etwas gebracht hat, ist der Regisseur Tom Tykwer. Spätestens seit seinem letzten Streifen, der Patrick-Süskind-Verfilmung Das Parfum, hat sich der Filmemacher als talentierter, visionärer Regisseur etabliert und nach diesem Erfolg standen ihm auch alle Türen offen. Bei seinem neuen Film The International handelt es sich um einen realitätsnahen Thriller, in dem ein Interpol-Agent (Clive Owen [Children of Men, Sin City]) und eine New Yorker Staatsanwältin (Naomi Watts [King Kong, The Ring US]) den kriminellen Machenschaften einer international operierenden Bank auf die Schliche kommen. Dabei lässt sich der Film sehr viel Zeit, um die Nachforschungen der beiden detailliert zu beleuchten und es werden auch einige Szenen eingeflochten, die die andere Seite (die der Bank) zeigen. Dabei fällt auf, dass der Film zwar eine übliche gut-böse Vorstellung repräsentiert, dass die Funktionäre der Bank aber eher als kühle Geschäftsmänner als als stereotype Antagonisten in Erscheinung treten. Das Erzähltempo ist sehr langsam und gerade in der ersten Filmhälfte strapaziert die kleinteilig erzählte Geschichte die Geduld des Zuschauers. Es handelt sich hierbei um einen Thriller, keinen Action-Thriller, wer also etwas wie Bourne oder Ein Quantum Trost erwartet, wird enttäuscht werden. Anders als das kürzliche Bond-Debakel geht The International aber den Weg des anderen Extrems: Statt den Zuschauer mit sinnlos zusammenhängenden Actionszenen zu bombardieren, setzt der Tykwer-Film auf eine ruhige Inszenierung und bietet dabei auch eine interessante, in der Realität verwurzelte, Geschichte. Nur leider bleibt The International dabei die rauschhafte Inszenierung eines Parfum verwehrt. Stattdessen konzentriert sich Tykwer zu sehr auf die Charaktere, die leider bis zum Schluss unnahbar bleiben. So kann man die Hauptperson Louis Salinger (Owen) ohne Probleme auf seine Obsession, die Bank zur Strecke zu bringen reduzieren und es würde sonst nicht viel von ihm übrig bleiben. Eleanor Whitmans (Watts) Angst, dass ihrer Familie etwas passiert wird nur angerissen, womit sie (Watts) als Schauspielerin in ihrer Rolle völlig unterfordert wird.
Meine größte Kritik bezieht sich auf die einzige richtige Actionszene des Films. Bei einem Shootout (kurz vor Ende des Films) treffen Salinger und zahlreiche Auftragskiller der Bank aufeinander. Diese Begegnung macht zwar storytechnisch Sinn, da sich die Ermittlungen immer weiter zuspitzen, ist aber im Vergleich zum Rest des Films dermaßen krass inszeniert, dass die gesamte Sequenz wie ein Fremdkörper wirkt. Hier wurde mit aller Macht versucht, die fehlende Action im restlichen Film in eine 7-minütige Sequenz zu quetschen, die den Zuschauer dermaßen reizüberflutet. Weniger wäre hier definitiv mehr gewesen.
Lässt man diese Kritikpunkte außer Acht, bleibt ein erschreckendes Portrait einer skrupellosen Wirtschaftswelt zurück, in der alle kriminellen Machenschaften ungehindert ihren Weg gehen und wo jeder Versuch, dagegen vorzugehen nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist. In Zeiten der globalen Wirtschaftskrise ist The International insofern ein wichtiger Film, der die Mechanismen der Macht stellenweise aufdeckt. Noch erschreckender wird dieses Portrait durch die Tatsache, dass es (größtenteils) auf Recherchen beruht. Dem Anspruch den der Film stellt kann seine Dramaturgie zwar nicht gerecht werden, aber er zeichnet ein schonungsloses Bild einer brutalen Welt, welche zumindest in Ansätzen ein Pendant zur Realität ist, in der wir alle leben.
3 Punkte für The International.
Fall Out Boy – Folie à Deux
Nachdem Dennis mit Clueso auch mal wieder eine Track-für-Track-Rezension vorgelegt hat, werde ich mich auch mal wieder daran versuchen. Das Album um das es diesmal geht ist Folie à Deux das fünfte Studioalbum der Poprock-Heroen von Fall Out Boy. Ihre letzten beiden Alben From Under The Cork Tree (2006) und Infinity On High (2007) wussten zu gefallen und konnten sich in meinen Jahreslisten wiederfinden. Die Band um Sänger Patrick Stump hat in den USA längst Superstarstatus erreicht. Sie bestritten ausverkaufte Tourneen, unzählige Fernsehauftritte und haben schon über 6 Millionen Platten verkauft. Ein derartiger Erfolg hinterlässt für gewöhnlich auch musikalisch seine Spuren (Experimente nein, Altbewährtes ja) doch die Jungs lassen es auf Folie á deux ruhig angehn und liefern ein grundsolides Popalbum mit Rockeinschlag ab.
1. Disloyal Order of Water Buffaloes - Ruhiges Intro mit Orgel, dann wird losgerockt. Guter Opener der die musikalische Marschrichtung vorgibt und vorn und nicht zurück rudert. Der Refrain geht ab.
2. I don’t care - Der erste Single kommt als Mischung aus Soft Cells “Tainted love” und eine groß angelegten Rockhymne daher. Thematisch geht es (mal wieder) darum, wie es ist berühmt zu sein und wie man damit umgeht.
3. She’s my Winona - Erinnert zunächst an “Of all the gin joints in the world” von From under the cork tree, drückt aber nicht ganz so aufs Gaspedal und ist auch ein bisschen unspektakulär.
4. America’s suitehearts - DAS Hightlight des Albums. Hier demonstieren Fall Out Boy, dass sie immer noch die Gabe habe, wunderbare Pop-Melodien zu komponieren und diese produktionstechnisch so auszugestalten, dass eine geniale Melange aus alten (Thriller) und neuen Versatzstücken wird. Megagut!
5. Headfirst slide into Cooperstown on a bad bet - Die Strophe gibt sich tanzbar, mit Bläsern und treibendem Rhythmus, wobei der Refrain groß (und pianolastig) ist, dadurch wird das Stück sehr abwechslungsreich.
6. The (shipped) gold standard - “I wanna scream I love you from the top of my lungs, but I’m afraid that someone else will hear me”, das ist der lyrische Stoff aus dem die FOB-Hits sind. Wieder treibende Strophe, schwelgender Refrain (hier nochmal genialer als bei Track 5).
7. (Coffee’s for closers) - Das Stück sagt mir irgendwie so gar nichts. Keine Ahnung woran es liegt, hätte man aber auch auslassen können. Der Refrain wird bis zum Erbrechen wiederholt (und ist noch nicht mal originell).
8. What a catch, Donnie - Hatten Fall Out Boy auf dem letzten Album Infinity On High bereits angedeutet (Golden) das sie auch eine ruhige Seite besitzen, so spielen sie diese hier in aller Breite aus. Besonders genial ist die letzte Minute, wo aller bisherigen Hits in der melodische Konzept des Stückes eingeflochten werden.
9. 27 - Das oldschool-mäßigste Stück auf der Platte (hätte auch auf Take this to your grave (2003) sein können). Wirkt aber dennoch nicht deplatziert und bereichert das Album um einen weiteren Kracher.
10. Tiffanny blews - Synthies und eingängiger Strophen-Gesang der sich zum Refrain immer mehr steigert. Der Refrain selber geht routiniert zu Werke und das Stück rockt so vor sich hin. Kann man machen, muss man aber nicht.
11. W. A. M. S - Wieder so ein Filler. Dann lieber 39 Minuten Spielzeit und dafür 2 Stücke weniger. Absolut nichtssagend.
12. 20 Dollar nose bleed - Erinnern stilistisch an Pretty. Odd. und Brendon Urie (der Sänger von Panic at the Disco) singt sogar mit. Sehr beschwingte Nummer, die das Album ernorm bereichert. Das letzte Highlight.
13. West Coast smoker - Das letzte Stück hätte, gerade neben so Stücken wie What a catch, Donnie ruhig auch etwas pompöser ausfallen können. Stattdessen liefern Fall Out Boy einmal mehr Durchschnittskost.
Insgesamt kann man sagen, dass Folie á deux eine Angelegenheit mit gemischten Gefühlen ist. Während das Album 8 Stücke klar auf der Habenseite verbuchen kann, fallen die restlichen 5 ein wenig aus dem Rahmen. Jedoch nicht so sehr, dass sie unhörbar sind. Versteht mich nicht falsch, das Album besitzt stellenweise immer noch die melodische Brillianz, die die Band dahin gebracht hat, wo sie sind. Jedoch hätte man bei der Songauswahl ein bisschen genauer Arbeiten müssen, denn die Platte wirkt doch ein wenig unausgegoren und zusammengewürfelt. Nichtsdestotrotz liefern Fall Out Boy wieder ein ordentliches Rockalbum ab, nachdem sie mich auch nicht vergrault haben. Nächstes Mal aber wieder mehr Rock und weniger Pop, bitte.
3 1/2 von 5 Sternen.
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Taken (96 Hours)
Letzte Woche lief in der Sneak ein klassischer Actionfilm, dessen Hauptdarsteller allerdings weniger als Actionheld bekannt ist. Liam Neeson wird den meisten wohl eher aus Filmen wie Schindler’s Liste in Erinnerung sein. Wem Neeson allerdings Batman begins gefallen hat, der wird auch in Taken auf seine Kosten kommen.
Zur Story: Bryan Mills war einst hoch qualifizierter Agent, hat sich allerdings in den Vorruhestand versetzen lassen, um mehr Kontakt zu seiner Tochter zu haben. Berufsbedingt sieht er überall Gefahren und gibt seiner 17-jährigen Tochter nur schweren Herzens die Erlaubnis, nach Paris zu fliegen und dort Freunde zu besuchen. Auch wenn man diese Fürsorge zunächst für übertrieben hält, bewahrheiten sich Bryans Befürchtungen. Kaum in Paris angekommen, werden seine Tochter Kim und ihre Freundin von einer Gruppe albanischer Mädchenhändler gekidnappt. Bryan, der alles über Kims Telefon mitbekommt, schwört den Gangstern, sie zu finden und zu töten, was sein Telefonpartner nur mit einem zynischen “Good luck” quittiert. Doch da hat er die Rechnung ohne Bryan gemacht…
Als Profi weiß Bryan, dass er nur 96 Stunden hat, um seine Tochter zu finden, bevor es zu spät ist, sie aufzuspüren. Dementsprechend geht er buchstäblich über Leichen, um sie zu finden. Systematisch sucht er nach Anhaltspunkten und dringt immer tiefer in die Pariser Unterwelt vor. Dabei ist ihm völlig egal, welche Straftaten er begeht und wie viele Menschen er tötet. Tatsächlich nimmt die Zahl der Leichen pro Minute im Laufe des Films kontinuierlich zu. Das ist für einen Actionfilm zwar normal, macht die Geschichte aber trotzdem nicht glaubwürdig. Es wird zunehmend unrealistischer, wie dieser Mittfünfziger sechs oder sieben Gegner gleichzeitig ausschaltet, ohne ernsthafte Verletzungen zu erleiden. Ein etwas realistischerer Verlauf der Geschichte wäre wohl drin gewesen, ohne dass der Film an Action einbüßt. Trotzdem war Taken erstaunlich unterhaltsam und nicht langweilig, obwohl die Kampfszenen gegen Ende wirklich gehäuft vorkamen.
Auffällig war allerdings das schlechte Bild, das von Paris vermittelt wird. Der erste Franzose, den die Mädchen treffen, ist ein Gangster, und sie sind kaum in Paris angekommen, bevor sie direkt entführt werden. Bryan scheint nicht einmal im Traum daran zu denken, die französische Polizei einzuschalten, die Regierung stellt sich als korrupt heraus — nach diesem Film kann ich kaum glauben, dass ich geschlagene drei Wochen alleine in Paris gewohnt habe, ohne auf irgendwelche Gangster zu treffen! Ich habe mir sagen lassen, dass der Film das Europa-Bild vieler Amerikaner wiederspiegelt, die Europa offenbar als gefährliche Gegend ansehen. Mir scheint eine Gegend eher dadurch gefährlich zu werden, dass sich jeder Psycho eine Waffe kaufen kann, aber Wahrnehmungen können ja verschieden sein. Da Taken vom französischen Fernsehen unterstützt wurde, können die es ja nicht so schlimm gefunden haben.
Insgesamt war Taken für einen Actionfilm erstaunlich kurzweilig (man merkt, dass ich kein Fan des Genres bin) und ist daher durchaus empfehlenswert. Auf brillante Dialoge und Kultpotential muss man aber wohl verzichten. Dreieinhalb von fünf Sternen.
Anne